Frage: Glauben Sie, dass die Gesten des Papstes, etwa die Fußküsse, bei den beiden Machthabern ein Umdenken auslösen könnten?
Schmidt: Vielleicht, aber Ihre Frage unterstellt, dass die beiden tatsächlich Macht hätten, den Konflikt entscheidend zu beeinflussen. Der Präsident Salva Kiir ist eine Marionette seiner Berater und des Dinka-Ältestenrates (Jing Council). Es sind andere Dinka, die die Strippen ziehen und dafür sorgen, dass die wichtigen Positionen im Land von ihnen kontrolliert werden. Die Wahrheit über Riek Machar ist, dass er lediglich Repräsentant seines Volkes der Nuer ist und nicht die Opposition als Ganze vertritt. Es gibt unzählige andere Oppositionsgruppen, die sich weder von den Dinka noch von den Nuer regieren lassen wollen.
Das aktuelle Friedensabkommen basiert auf anderen Abkommen, die die Situation am Anfang des Bürgerkrieges widerspiegeln, als es tatsächlich nur eine Opposition gegeben hat. Aber nach zwei Jahren waren die Nuer praktisch besiegt und haben sich seitdem in ihrem Territorium verschanzt. Die Regierung kontrolliert im Nuer-Gebiet die Städte, die Rebellen das umliegende Buschland. Als klar war, dass es sich um eine Patt-Situation handelt, hat sich die Dinka-Regierung den Völkern der Equatoria-Region gewidmet und eine Millionen Bürger über die Grenze nach Uganda vertrieben. Beobachter haben zahlreiche ethnische Säuberungen belegt. Insgesamt ist die Situation im Land anarchisch, da fast alle Männer in diesem Land ein halb-automatisches Gewehr besitzen und es keine geordnete Befehlsstruktur wie in einer regulären Armee gibt, auch nicht auf Seiten der Regierung.
Ein weiteres Problem ist, dass Motive für Gewalt sich vermischen. Neben Kriegshandlungen gibt es erschreckend viel Bandengewalt und Kriminalität, weil Gesetzlosigkeit herrscht, und es gibt das traditionelle Morden beim Rinderraub. Manchmal ist gar nicht klar, ob es sich um Rachemorde wegen Rinderraub handelt, um Bandenkriminalität, oder ob die Tat dem Bürgerkrieg zuzurechnen ist.
Salva Kiir und Riek Machar haben ein Interesse an ihren Positionen, um der Macht willen. Sie haben aber wenig Einfluss darauf, was tatsächlich vor Ort im Busch passiert. Es wäre das Beste, wenn beide ihre Schuld eingestünden und zurückträten.