Frage: Wie ist die Situation an der kolumbianisch-venezolanischen Grenze?
Oscar Calderon: Jeden Tag kommen laut der Regierung bis zu 50.000 Venezolaner über die Grenze, Durchreisende, Migranten oder Tagespendler. Das ist alleine zahlenmäßig gewaltig. Viele von ihnen sind krank, arm, unterernährt, haben keine Ausweis-Papiere und oft keine Ausbildung. Sie kommen in eine Region in Kolumbien, die stark von Gewalt im Bürgerkrieg gebeutelt wurde, und in der 40 Prozent Armut und 16 Prozent Arbeitslosigkeit herrschen. Das ist mehr als im Rest Kolumbiens. All das zusammen ergibt einen explosiven Cocktail, denn die Ärmsten in Kolumbien tragen einen Großteil der zusätzlichen Belastung durch die Migration. Das schürt Spannungen.
Frage: Wie arbeitet der JRS in diesem Kontext?
Calderon: Wir konzentrieren uns auf die Allerschwächsten, also Indigenas, chronisch Kranke, Schwangere und Kinder sowie Obdachlose. Wir springen in einer zweiten Phase ein, also nach den ersten Wochen der Ankunft, um der Familie dabei zu helfen, sich neu zu orientieren. Viele mussten vor Repression fliehen und konnten fast nichts mitnehmen. Sie müssen hier komplett neu anfangen. Wir orientieren sie im Umgang mit Behörden, auf dem Arbeitsmarkt oder besorgen ihnen Übergangswohnungen. Manche Familien unterstützen wir auch mit Medikamenten und Nahrungsmitteln oder Haushaltsgeräten.