„Das war gerade noch rechtzeitig“, sagt Sozialarbeiterin Fernanda Zambrano vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst in Cúcuta, einem Projektpartner des Kindermissionswerks ‚Die Sternsinger’. Die zweijährige Yannovis litt unter hochgradiger Anämie. Die Familie lebte zunächst in einer behelfsmäßigen Wellblechhütte, die bei jedem Regenguss unter Wasser stand. Sie kochten über einem Lagerfeuer, die einzige Lichtquelle waren Kerzen. Doch für etwas Besseres reichten die Einnahmen der Eltern nicht, die sich als Straßenhändler durchschlugen.
Täglich überqueren tausende Venezolaner die Grenzbrücke nach Kolumbien. Viele sind auf der Durchreise, andere bleiben und versuchen, sich mit Aushilfsjobs über Wasser zu halten, weitere essen bei einer kirchlichen Armenspeisung oder besorgen Medikamente, die es in Venezuela nicht mehr gibt. „Die Situation für Flüchtlinge in Kolumbien ist kritisch. Schon jetzt beherbergen wir über eine Million Venezolaner. Cúcuta lebte früher vom Handel mit Venezuela und leidet nun auch unter der Wirtschaftskrise im Nachbarland“, so Zambrano.
Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst half auch Ismaels Familie mit Nahrungsmitteln und Arztbesuchen. Vor allem Yannovis leidet unter den Spätfolgen der frühkindlichen Unterernährung und ist häufig krank. Immer wieder kommt die Familie in Zambranos Büro vorbei und bittet um Unterstützung. Zuletzt war es eine verschleppte Ohrenentzündung. Ein Arztbesuch und die Medikamente kosten umgerechnet bis zu 30 Euro, zu viel Geld für die Familie. „Gäbe es den Jesuiten-Flüchtlingsdienst nicht, wäre die Kleine vielleicht nicht mehr am Leben“, sagt Vater Antonio Carpio. Auch Manuel, Ismael und Gleimar half der Orden. Zuerst wollte keine Schule die Geschwister aufnehmen. „Alles voll, kein Platz für Venezolaner“, hieß es. „Wir waren verzweifelt, denn wir konnten die Kinder ja nicht auf die Straße zum Arbeiten mitnehmen“, sagt Carpio. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst erstritt vor Gericht in einem Eilverfahren einen Schulplatz für alle drei.
Schwester Gleimar (8), die in die erste Klasse geht, ist begeistert. „Schau mal, wie ich schreiben kann“, sagt sie stolz und malt Buchstaben in ein Heft, das auf einer Matratze liegt. Tisch und Stühle hat die Familie nicht. Doch das Holzhaus, das sie dank einem dreimonatigen Mietzuschuss vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst mieten konnte, ist ein kleiner Luxus im Vergleich zur vorherigen Unterkunft. Sie wohnen mit weiteren Verwandten zu zwölft in drei Zimmern. „Noch ist alles nicht so einfach, aber ich kann wieder in die Zukunft schauen“, sagt Mutter Maria Sosa. Alleine die drei Mahlzeiten am Tag, so simpel sie sein mögen, sind für sie eine große Beruhigung.
Auch Ismael geht wieder zur Schule, fast eine Stunde Fußweg entfernt. An die strengen Lehrer musste er sich erst gewöhnen. Aber nach und nach findet er Freunde und Geschmack an den neuen Herausforderungen. Besonders Mathematik macht ihm Spaß. Fußballspieler oder Sänger sind zwar immer noch seine Traumberufe, aber manchmal denkt er auch darüber nach, Arzt zu werden. „Menschen zu heilen, so wie hier der Arzt Yannovis wieder gesund gemacht hat, ist ein toller Beruf.“
Von Sandra Weiss
© Kindermissionswerk