Adveniat: Umweltschützer in Sorge wegen neuer Regierung El Salvadors
El Salvador ‐ Nayib Bukele ist neuer Präsident von El Salvador. Der 37-jährige Unternehmer und Ex-Bürgermeister von San Salvador ist der jüngste Präsident in der Geschichte des Landes und gilt vielen als Hoffnungsträger. Doch Skepsis zeigt sich bei Kirche, Umweltschützern und Menschenrechtlern, weiß Inés Klissenbauer von Adveniat, die erst am Montag von einer Reise in das Land zurückkehrte.
Aktualisiert: 05.02.2019
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Nayib Bukele ist neuer Präsident von El Salvador. Der 37-jährige Unternehmer und Ex-Bürgermeister von San Salvador ist der jüngste Präsident in der Geschichte des Landes und gilt vielen als Hoffnungsträger. Doch Skepsis zeigt sich bei Kirche, Umweltschützern und Menschenrechtlern, weiß Inés Klissenbauer von Adveniat, die erst am Montag von einer Reise in das Land zurückkehrte.
Frage: Frau Klissenbauer, Sie kommen gerade aus El Salvador zurück. Wie war dort die Stimmung rund um die Wahl des neuen Präsidenten?
Klissenbauer: Viele Menschen waren begeistert über die Kandidatur und letztendlich den Wahlsieg von Bukele. Zugleich habe ich aber auch viel Verunsicherung wahrgenommen. Gerade bei unseren Projektpartnern war die Skepsis gegenüber Nayib Bukele groß.
Frage: Bukele galt ja lange als politischer Außenseiter. Wie konnte ihm nun der Wahlsieg gelingen?
Klissenbauer: Bukele war zuletzt Bürgermeister der Hauptstadt San Salvador. Dort hat er eine sehr gute Amtszeit abgeliefert. Das historische Stadtzentrum mit der Kathedrale galt lange Zeit als No-Go-Area, da ging man lange Zeit nur hin, wenn man wirklich musste. Es war in der Hand der Mara-Banden. Wenn man jetzt hinfährt, kann man im Innenstadtbereich normal spazierengehen. Bukele hat sehr viel für die Sicherheit der Bürger in der Stadt beigetragen. Er hat zudem Arbeitsplätze geschaffen und einen gewissen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht. Er war also relativ erfolgreich und das hat ihn populär gemacht. Hinzu kommt, dass er zur jungen Generation gehört und anders auftritt als die politische Elite. Das gefällt natürlich den jungen Salvadorenos besonders.
Frage: Wer genau ist Nayib Bukele?
Klissenbauer: Er kommt aus einer reichen, aus Palästina stammenden Unternehmerfamilie, die traditionell die linksgerichtete Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) unterstützt, die zuletzt an der Regierung war. Der Vater, Armando Bukele Kattán, war ebenfalls Unternehmer und hat bereits einen Bankrott erlebt. Er soll sich mit sehr viel Fleiß und Mühe wieder nach oben gearbeitet haben. Es ist also eine krisenerprobte Familie. Sie gilt auch als rechtschaffen, hat einen guten Ruf im Land. Zwar wirft man Nayib Bukele vor, sein Studium nicht abgeschlossen zu haben. Aber er gilt als geschickter Unternehmer und ist auch Besitzer des Yamaha Unternehmens in El Salvador. Und er gehört nicht zu den zwei großen Parteien, die in den vergangenen Jahren eine starke Polarisierung im Land hervorgerufen haben.
Frage: Er will im Land vor allem Probleme wie die Korruption anpacken. Glauben Sie, dass ihm das für ganz El Salvador gelingen kann?
Klissenbauer: Er steht auf jeden Fall für den Kampf gegen Korruption und die Chancen für alle Salvadorenos. Sein Wahlspruch war ja: „Wenn keiner klaut, dann reicht es für alle“. Eine populäre Maßnahme war etwa, dass er sich als Bürgermeister kein Gehalt ausgezahlt hat. Dennoch hat er mit seiner konservativen Großen Allianz der Nationalen Einheit (GANA) nur elf der insgesamt 84 Sitze im Parlament. Politische Analysten sagen voraus, dass seine Regierung handlungsunfähig sein könnte.
„Die Frage ist immer: Wer ist am wenigsten korrupt?“
Frage: Tausende Menschen fliehen aus El Salvador vor der Bandengewalt. Was muss geschehen, damit die Menschen sich wieder sicher in ihrer Heimat fühlen können?
Klissenbauer: El Salvador ist außerhalb von Kriegsländern eines der Länder mit der höchsten Mordrate. Die Gewalt wird ausgelöst durch eine sehr hohe soziale Ungleichheit. Ungemeines Reichtum trifft hier auf extreme Armut. Das schafft Gewalt. Um diese Situation zu verbessern und die hohen Fluchtzahlen einzudämmen, muss es strukturelle Reformen geben. Die Menschen brauchen Zugang zu Bildung und Arbeit, damit die extremen sozialen Unterschiede aufgehoben werden können. Das ist letztlich der historische Kampf El Salvadors, eine Riesenaufgabe. Es ist fraglich, ob Nayib Bukele das in dieser Parteienkonstellation schaffen kann.
Frage: Welche Bedeutung hat der Wahlsieg für die Nachbarstaaten in Zentralamerika, die unter ähnlichen Problemen wie Korruption und Kriminalität leiden?
Klissenbauer: Auch in Guatemala ist Jimmy Morales mit dem Ziel angetreten, die Korruption zu bekämpfen. Inzwischen wird ihm auch die Korruption zum Fallstrick. Es gibt in den Ländern Zentralamerikas eine große Politikverdrossenheit, ein fehlendes Vertrauen in die Politik. Das wird auch durch die geringe Wahlbeteiligung deutlich, die sich auch bei dieser Wahl in El Salvador gezeigt hat. Seit zwanzig Jahren war die Wahlbeteiligung bei dieser Wahl die geringste, nur jeder vierte stimmberechtigte Bürger hat gewählt. Die Frage ist also immer: Wer ist am wenigsten korrupt? Viele Präsidenten treten mit Anti-Korruptions-Kampagnen an und scheitern dann daran. Auch Bukele wird Korruption vorgeworfen und damit wurde Wahlkampf gegen ihn gemacht. Natürlich werden diese Wahlkämpfe immer sehr schmutzig und diffamierend geführt. Aber ich denke, was Bukele ausmacht, ist sein atypischer Politikstil, dass er offen spricht und sich anlegt. Für viele ist er deshalb ein Shootingstar und ein Hoffnungsträger.
Frage: In vielen Ländern kommen politische Außenseiter an die Macht, sei es Jair Bolsonaro in Brasilien oder Andrés Manuel López Obrador in Mexiko. Kann man von einem Trend hin zu mehr Populismus auch in Lateinamerika sprechen?
Klissenbauer: Viele Stimmen sagen über Nayib Bukele, er sei ein Populist und Blender. Sein Sieg bedeutet auch einen Sieg der Rechten über die Linksparteien im Land. Die GANA-Partei ist ja eine Abspaltung von der rechtsextremen Arena-Partei. Bukele hat sich dieser Partei angeschlossen, weil er mit seiner neuen Partei „Nuevas ideas“, wo viele junge Menschen dabei waren, nicht teilnehmen konnte. Nun ist er also bei der GANA, deren Gründer, Ex-Präsident Antonio Saca, wegen Korruption im Gefängnis sitzt. Unsere Projektpartner sowie Vertreter von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass die neue rechte Regierung die Errungenschaften der früheren linken FMLN-Regierung wie etwa ein Anti-Bergbau-Gesetz wieder anfechten könnten. El Salvador ist immerhin das einzige Land Zentralamerikas, das den Bergbau mit diesem Gesetz stoppen konnte, da so viel Schaden an Mensch und Umwelt dadurch entsteht. Ein weiteres großes Thema ist eine neue Gesetzesinitiative zur Privatisierung von Wasser. Dagegen gehen zahlreiche Menschen auf die Straße. In der GANA-Partei sitzen nun einmal viele Unternehmer und es wird befürchtet, dass diese Politiker den Unternehmen wieder Tür und Tor öffnen.
Das Interview führte Claudia Zeisel.
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