Frage: Welche Ihrer Erwartungen haben sich in Dublin erfüllt, welche nicht?
Koch: Es gab erneut viele Möglichkeiten zu einem internationalen Austausch. Kritisch sehe ich die Vielzahl der Themen, es wurde keine klare Botschaft formuliert. Ich habe keinen zentralen Aspekt gesehen, mit dem man jetzt nach Hause gehen kann. Außerdem finde ich es sehr schwierig, dass bei dem Treffen Kinder und Jugendliche nur ganz selten direkt angesprochen und einbezogen wurden. Ein Beispiel: Jeden Abend gab es eine große Eucharistiefeier – Kinder kamen da fast nicht vor: kein Kinderchor, keine Familienkatechese. Ich verstehe auch nicht, warum es wieder nicht geglückt ist, die Themen Sterbehilfe und Pflegebedürftigkeit einzubeziehen – das sind doch ganz klar Themen, die Familien umtreiben.
Frage: Sie sehen die Weltfamilientreffen also ziemlich kritisch?
Koch: Ich würde diese Treffen immer unterstützen, finde sie aber sehr entwicklungsbedürftig.
Frage: In Deutschland sind konfessionsverschiedene Ehen oder Ehen mit konfessionslosen Ehepartnern wichtige Themen. Inwieweit spielte das eine Rolle in Dublin?
Koch: Die deutsche Situation, vor allem die in Ostdeutschland, hat bei vielen nur Erstaunen und Ratlosigkeit ausgelöst. Bei dem Weltfamilientreffen dominieren immer noch die stark katholisch geprägten Länder.
Frage: Spiegeln sich denn gesellschaftliche Veränderungen im Kongresspublikum wider: Kommen Patchwork-Familien oder gleichgeschlechtliche Paare?
Koch: Das kann ich schwer beurteilen. Ich bin bei Protesten einigen homosexuellen Paaren begegnet und anderen engagierten Katholiken, die sich für sie stark machen. Das waren sehr positive Gespräche, die ich da geführt habe. Denn ich habe trotz allem eine große Verbundenheit mit der Kirche wahrgenommen. Eine irische Tageszeitung titelte: Ein Drittel der Iren sieht Teile der katholischen Lehre kritisch. Da ist die Situation in Deutschland doch eine andere.
Frage: Missbrauch war ein dominierendes Thema in Dublin. Der irische Primas, Erzbischof Eamon Martin von Armagh, sagte, die Missbrauchsskandale hätten auch die Fähigkeit der Kirche unterminiert, ihre Botschaft über Ehe und Familie zu verbreiten. Sehen Sie das auch so?
Koch: Der Vertrauensverlust durch Missbrauch, aber auch Vertuschung wiegt schwer. Das sehe ich auch so. Ich erkenne aber auch die Herausforderung angesichts dessen, die Sprache und die Lehre der Kirche neu zu reflektieren.
Frage: Der Papst hat einen Zusammenhang hergestellt zwischen sexuellem Missbrauch und Machtmissbrauch; dazu gehöre auch das Vertuschen von Missbrauch. Ist die Kirche ausreichend bemüht, auch dieses Vertuschen aufzudecken und zu ahnden? Immerhin betrifft es ja in vielen Fällen Kirchenleitungen, Bischöfe?
Koch: Es ist sicher noch nicht überall ausreichend. Wir brauchen eine neue Geisteshaltung, dass so etwas nie wieder passiert und der Schutz der Institution nicht über das Kindeswohl gestellt wird. Und wir brauchen dazu institutionelle Wege und Sicherungen, die unabhängig agieren können.
Frage: Der Bischof von Portsmouth, Philip Egan, hat eine Bischofssynode zum Thema Missbrauch vorgeschlagen. Würden Sie das unterstützen?
Koch: Ich wäre dafür, dass es Hausaufgaben für die einzelnen Bischofskonferenzen gibt. Ich sehe keine Möglichkeit, in der ganzen Welt die gleichen, konkreten Schritte zu vollziehen.
Frage: Wo beim Thema Ehe und Familie gehen die kirchlichen Bewertungen international am stärksten auseinander?
Koch: Die Wahrnehmung der Realität, dass es verschiedene Lebensformen gibt, dass die sakramentale Ehe keinen Monopolanspruch hat, dass die Menschen andere Wege gehen - das nehmen alle gleich wahr. Der Unterschied ist, wie wir darauf reagieren. Es gibt, angesichts der Diskrepanz zwischen Lehre und gelebter Praxis, zwei unterschiedliche Auffassungen: Die einen wollen die Lehre viel schärfer formulieren, damit sich die Werte nicht verflüchtigen. Sie wollen den Kreis enger ziehen und die Fahne gegen die restliche Welt hochhalten. Und die anderen sagen: Wir müssen auch uns hinterfragen. Es geht schließlich um die Menschen und ihre Sorgen. Wir müssen sie ernst nehmen und unsere Botschaft akzentuieren, was wir wie sagen. Da sind die Differenzen wohl am deutlichsten.
Von Gregor Krumpholz und Karin Wollschläger (KNA)
© KNA