Missbrauch, Diskriminierung, Rassismus: Die Wortwahl in der kirchlichen Stellungnahme ist nicht zimperlich. Auf Kosten der ärmsten christlichen Familien würden Gesetzesvorhaben vorangetrieben, die „uns alle an Gesetze ähnlicher Natur erinnern, die gegen die Juden in den dunklen Zeiten in Europa erlassen wurden“ – eine Aussage, die für einige der anwesenden Touristenführer zu deutliche antisemitische Züge trägt. „Im Hass gegen die Juden“ seien sich die Kirchenvertreter, die jahrzehntelang nicht einmal die Renovierung der Kirche vorangebracht hätten, auf einmal einig, formuliert es ein israelischer Touristenführer.
Für Hana Bendcowsky, Programmdirektorin des „Jerusalemer Zentrums für jüdisch-christliche Beziehungen“ im „Rossing Center für Bildung und Dialog“ zielen der Schritt selbst wie auch die drastische Sprache der Stellungnahme darauf ab, „ein Maximum an Aufmerksamkeit“ zu erzielen – in einer Zeit, in der „die israelische Regierung mit anderen Dingen beschäftigt“ sei und die israelische Bevölkerung sich wenig für die Belange der christlichen Minderheit interessiere.
Auch wenn sie die Nazivergleiche der Kirchen für falsch und kontraproduktiv halte, so die Jerusalemer Jüdin gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), in der Sache haben die Kirchen ihrer Meinung nach Recht. Beides, die Frage der Besteuerung wie auch das Gesetzesvorhaben, „verletzt den Status quo“. Änderungen an der überlieferten Ordnung, sagt Bendcowsky, „können erst nach Gesprächen und gegenseitigen Abkommen geschehen“.
Die Schließung der Grabeskirche sei aus kirchlicher Sicht „ein ziemlich großes Kaliber“, bewertet der Rektor des Österreichischen Hospizes, Markus Bugnyar, die Maßnahme. Zugleich äußert er jedoch Zweifel, ob sich die einheimische kirchliche Wahrnehmung mit jener der Israelis und der christlich-westlichen Welt deckt. Die jetzige Protestaktion könne, „wenn sie nicht gelingen sollte“, die Verhandlungsposition der Christen nachhaltig schwächen. „Intensive internationale Medienaufmerksamkeit“ sei nun zur Begleitung des Protests nötig.
Den an den geschlossenen Toren der Grabeskirche gestrandeten Besuchern war von Unverständnis oder Ärger zunächst wenig anzumerken. „Wenn Jerusalem pleite ist, sollen die ultraorthodoxen Juden arbeiten gehen“, formulierte es Touristenführerin Gaby Levy. „Denn was würde der Bürgermeister ohne Pilger machen?“ In deren Gesichtern sah man vor allem Trauer und manch eine Träne an diesem Tag. Still beteten sie entlang den Mauern – Szenen, die an die Klagemauer erinnerten. Bei allem Verständnis für die örtlichen Christen und ihre Probleme mit dem Staat „sind wir doch sehr enttäuscht“, so ein Paar aus Österreich.
Zu vielen anderen Gruppen waren die Informationen über die unbefristete Schließung der Kirche und deren Hintergründe unterdessen gar nicht erst durchgedrungen. Geduldig warteten sie an den Barrieren vor dem geschlossenen Portal, die Anweisung ihres Tourguides im Ohr: „Wenn geöffnet wird, sollten wir so schnell wie möglich zum Grab gehen, um langes Warten zu vermeiden.“
Wie viel Zeit bis zur Wiedereröffnung tatsächlich vergehen wird, vermochte auch Schlüsselwärter Adeeb Joudeh nicht zu sagen. Die Kirche zu Beginn der Hochsaison zu schließen, schade dem Tourismus und der Wirtschaft, so der Jerusalemer Moslem. Damit werde die Angelegenheit zum Problem für die israelische Regierung – unter dem Strich aus seiner Sicht also „der richtige Schritt“.
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