General Min Aung Hlaing hatte sein Treffen mit dem Papst kurzfristig von Donnerstagfrüh auf Montagabend vorverlegt. Ob aus Termingründen – oder um dem Gast klarzumachen, wer im Land die Macht hat, bleibt Deutungssache. Jedenfalls fuhr Hlaing mit drei anderen weiteren Generälen und Adjutant bei Erzbischof und Papst vor; die offizielle Staatsführung traf der Papst erst tags darauf. „Diplomatisch war das nicht sauber“, kommentierte Papstsprecher Greg Burke.
Nach jahrzehntelanger Militärdiktatur und Misswirtschaft versucht Myanmar, Infrastruktur, Wirtschaft und Demokratie auf die Beine zu stellen. Als Hauptgarantin dafür gilt Aung San Suu Kyi. Die Friedensnobelpreisträgerin von 1991, die jahrelang unter Hausarrest stand, wird von der katholischen Kirche des Landes sehr unterstützt. Erschwert wird Suu Kyis Arbeit durch das nach wie vor mächtige Militär und einen buddhistischen Nationalismus, der sich über Facebook & Co. in der Mehrheitsbevölkerung der Birmanen verbreitet. Darunter leiden viele der offiziell 135 Minderheiten im Land, am meisten die Rohingya, aber auch Christen.
In dieser Situation will der Papst die noch frischen diplomatischen Beziehungen ausbauen und die christliche Minderheit stärken. „Diplomatische Reisen sind etwas anderes als etwa die nach Lesbos“, so Papstsprecher Burke am Mittwochabend in Rangun, angesprochen auf Kritik am päpstlichen Verhalten – etwa von Amnesty International. „Vatikanische Diplomatie ist nicht unfehlbar“, sagt Burke. Dennoch bleibe die moralische Autorität des Papstes bestehen. Soll keineswegs heißen: Der Papst hat einen Fehler gemacht, sondern eher: Eine moralische Hausmacht kann er im buddhistischen Myanmar nicht ziehen.
Seine Unbestechlichkeit belegt Franziskus in seiner ersten öffentlichen Rede am Dienstag in der Hauptstadt Naypyidaw. Vor Vertretern aus Politik und Diplomatischem Corps, die Reihen anwesender Militärs fast demonstrativ nicht beachtend, pocht der Papst auf die internationalen „Verpflichtungen des Landes“. Es gelte, die Grundprinzipien der Menschenrechte zu wahren sowie eine demokratische Ordnung aufzubauen – für jeden „Einzelnen und jede Gruppe – niemand ausgeschlossen“.
All dies wird im Nachbarland Bangladesch, das die meisten Rohingya-Flüchtlinge aufgenommen hat und das Franziskus im Anschluss besucht, aufmerksam vernommen. Nach der Ankunft des Papstes am Donnerstag erwähnen Staatspräsident Abdul Hamid, Kirchen- und Religionsvertreter sowie Medien die Äußerungen lobend.
Ein Flüchtlingslager hätte er gerne besucht; dies sei leider unmöglich gewesen, sagt Franziskus später. Aber Vertreter der muslimischen Minderheit seien ja zu ihm gekommen. Beim Treffen mit 16 Flüchtlingen am Freitag sprach der Papst in einer improvisierten Rede von „Rohingya“ – und bat diese um Vergebung im Namen aller, die ihnen „Böses angetan haben“ – und vor allem „für die Gleichgültigkeit der Welt“.
Mancher hatte erwartet, der Papst werde eine Textilfabrik besuchen, entsprechende Probleme ansprechen. Stattdessen besuchte er seine eigene kleine Kirche, warb für interreligiösen Dialog. Wenn bei all den Problemen dieser Länder nicht noch religiös gezündelt wird, ist viel gewonnen. Zudem zeuge es von nachkolonialer Überheblichkeit, wenn ein westlicher Staatsgast öffentlich an wunden Punkten des Gastlandes rührt, meint ein langjähriger Korrespondent in Dhaka. Bangladesch und Myanmar hätten durchaus Erfolge vorzuweisen, ergänzt er, und: „Andere Staatsmänner fliegen für einen halben Tag ein – der Papst bleibt drei Tage.“