Frage: Es heißt, der IS sei in weiten Teilen besiegt. Ist denn auch seine Ideologie besiegt?
Moshe: Die extremistische Ideologie existiert weiterhin. Deshalb brauchen wir eine starke, säkulare Regierung, die die Verfassung richtig umsetzt. Es gibt nach wie vor sehr viele Interessen im Irak und es ist nicht ausgeschlossen, dass wir wieder Opfer eines Konfliktes werden. Wir hoffen, dass sich die irakische Regierung von diesen ethnischen und religiösen Auseinandersetzungen fernhält und dass sie uns Christen als gleichberechtigte Bürger sieht und unsere Rechte gewährleistet. Das ist gleichzeitig auch unsere Erwartung an die Weltgemeinschaft, von der wir nicht länger schöne Worte hören, sondern endlich Taten sehen wollen.
Frage: Trauen Sie der irakischen Regierung denn zu, Stabilität zu gewährleisten?
Moshe: Nach so vielen Kriegen hoffe ich, dass unsere Regierung gelernt hat, dass man mit Gewalt und Krieg keine Probleme lösen kann. Europa hat das ja beispielsweise auch eingesehen, und die Völker haben Frieden geschlossen. Die Weltgemeinschaft muss entsprechenden Druck auf die irakische Regierung ausüben.
Frage: Sie äußern immer wieder Kritik an der Weltgemeinschaft. Es gibt ja durchaus einzelne Länder, die sich in der Region engagieren. Auch Deutschland hat beispielsweise Mittel für den Wiederaufbau im Irak bereitgestellt. Ist das nicht genug?
Moshe: Finanzielle Unterstützung ist nicht das Entscheidende. Wir erwarten vielmehr, dass die Weltgemeinschaft politischen Druck auf unsere Regierung ausübt. Ohne diesen Druck können wir wenig erreichen.
Frage: Sie haben gemeinsam mit anderen christlichen Kirchen der Region ein Komitee gegründet, das den Wiederaufbau voranbringen soll. Planen Sie auch die zahlreichen zerstörten Kirchen wieder aufzubauen?
Moshe: Ich persönlich bin der Überzeugung, dass das Thema Infrastruktur oberste Priorität hat. Wir brauchen Krankenhäuser, Schulen und Arbeitsplätze für die Menschen. Danach müssen wir uns um den Aufbau der Wohnhäuser kümmern. Die Kirchen können wir aus meiner Sicht erst renovieren, wenn es menschenwürdige Lebensumstände gibt.
Frage: Wie sind Ihre Hoffnungen, dass die Christen in die geschichtsträchtige Stadt Mossul zurückkehren können?
Moshe: Im Moment habe ich wenig Hoffnung. Ich muss ehrlich sagen, dass die meisten Christen gar nicht nach Mossul zurückkehren wollen. Viele sind im Moment dabei, ihre Häuser dort zu verkaufen und die Stadt endgültig zu verlassen. Erst wenn wir eine stabile Regierung haben, die Frieden und Sicherheit gewährleisten kann, könnte ich mir unter Umständen vorstellen, dass christliches Leben wieder Einzug in Mossul hält. Aber im Moment sieht es noch nicht danach aus.
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