Frage: Die Kirche hat ja auch in Lebensfragen eine moralische Autorität, sei es beim Thema Heirat, Lebensschutz etc. Finden Sie aus Sicht eines Umweltbeauftragten der Kirche, dass es da zu einer Verschiebung des Gewichts hin zu globalen Fragen der Verantwortung für die kommende Generation und Umweltschutz kommen muss?
Kiefer: Ich würde diese Bereiche nicht gegeneinander ausspielen. Eine der Stärken der Enzyklika Laudato si‘ ist es ja, dass diese unterschiedlichen Facetten zusammengedacht werden. Es geht um eine ganzheitliche menschliche Entwicklung. Der Papst sagt an mehreren Stellen in der Enzyklika, dass alles miteinander verbunden ist. Diese Erkenntnis hat auch bei dem Studientag der Bischofs-Vollversammlung in Fulda Raum gegriffen. Das beeindruckende kirchliche Engagement im Bereich Migration und Flucht beispielsweise ist die eine Seite derselben Medaille, deren andere konsequenter Klimaschutz ist, um Fluchtursachen zu verringern oder ganz zu verhindern. Beides kann man nicht auseinanderdividieren.
Frage: Erst am Donnerstag warnte der IWF vor einer Massenflucht durch die Folgen des Klimawandels…
Kiefer: Noch tun sich die Migrationsforscher schwer, den Klimawandel als eigene Fluchtursache zu definieren. Aber klar ist, dass Klimawandelphänomene schon heute ein wesentliches Element umweltbedingter Migration sind. Nicht umsonst fordert Papst Franziskus in seiner Enzyklika, dass Klimawandel als eigene Fluchtursache in den relevanten internationalen Abkommen verankert werden sollte.
Frage: Welche weiteren konkreten Maßnahmen wünschen Sie sich nun von Seiten der Kirche?
Kiefer: Ich zitiere aus dem Abschlussbericht für die Presse von Kardinal Marx bei der Vollversammlung. Er betont, dass man nicht am bisher Erreichten stehenbleiben darf, sondern es um die Weiterentwicklung des ökologischen Engagements von Kirche geht. Es brauche eine systematische Reduktion von CO2-Emissionen bei Gebäuden und in der Mobilität, die Stärkung der Rolle der Umweltbeauftragten, den Ausbau entsprechender Bildungsangebote, die gottesdienstliche Berücksichtigung von ökologischen Themen, Kriterien des ethischen Investments und die Thematisierung von Lebensstilfragen. Kardinal Marx war auch sehr deutlich darin, dass es in Bezug auf den gesellschaftspolitischen Auftrag der Kirche darum geht, die notwendigen Weichenstellungen in der kommenden Legislaturperiode im Bereich Umwelt- und Klimaschutz immer wieder zu betonen. Wenn all diese Dinge zeitnah angegangen werden, ist das für mein Dafürhalten schon ein ziemliches ambitioniertes Programm!
Das Interview führte Claudia Zeisel
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