Wie steht es um die Entwicklung in Österreich, das in gewisser Weise an der Schnittstelle zwischen Ost und West in Europa liegt? Der Pastoraltheologe Prof. em. Dr. Paul Michael Zulehner, ein langjähriger kritischer Beobachter von Politik und Gesellschaft, kommt zu einem ernüchternden Ergebnis. Nicht nur die FPÖ, sondern auch die anderen großen Parteien Österreichs vertreten mehr oder weniger offen populistische Tendenzen, und in der jüngeren Generation nimmt der Ruf nach dem „starken Mann“ ständig zu.
Auf dem Prüfstand steht auch der Umgang mit den zugewanderten Flüchtlingen, für die sich zwar besonders viele Christen eingesetzt haben, es andererseits aber innerhalb kirchlicher Kreise viele Vorbehalte gibt. Stärker noch hat in den letzten Jahren, und zwar speziell seit dem Regierungswechsel 2015, Polen den Weg zu autoritären Strukturen eingeschlagen. Die Politik der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) greift, wie die Analyse der Osteuropa-Historikerin und Journalistin Gabriele Lesser zeigt, immer stärker in die demokratische Grundordnung des Landes ein und zielt darauf, eine „neue Republik“ mit starken Anleihen an das autoritär regierte Polen der 1930er Jahre zu errichten.
Der letzte Beitrag in dieser Abfolge führt nach Griechenland, wo interessanterweise Populisten vom linken und vom rechten Rand des Parteienspektrums zusammengehen. Der an der Universität Saarbrücken tätige Politikwissenschaftler Prof. em. Dr. Heinz-Jürgen Axt analysiert Entstehung und politische Ziele dieser seltsamen Koalition, deren Politik gegenüber der Europäischen Union voller Widersprüche ist.
Zu den typischen Kennzeichen einer populistisch ausgestalteten Politik zählen Vereinfachung und Abgrenzung („wir“ gegen „die“ usw.), was in der Praxis u. a. in Fremdenfeindlichkeit und übersteigerten Nationalismus einmündet. Dies muss die Kirchen und jeden einzelnen Christen auf den Plan rufen, handelt es sich doch um klare Widersprüche zu den Geboten des Evangeliums. In den vorgestellten Beiträgen, besonders bei Andreas Püttmann und Paul Michael Zulehner, wird diese Thematik teilweise angesprochen.
Schwerpunktmäßig setzt sich Cassandra Speer B.A., Wissenschaftliche Hilfskraft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bochum, in ihrem Beitrag „Kirche und Populismus in Europa“ damit auseinander; als Fallbeispiele dienen Deutschland, Polen und Ungarn. Abgerundet wird das Heft durch ein Interview mit dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Prof. Dr. Thomas Sternberg, in dessen Mittelpunkt der Begriff „Christliches Abendland“ und dessen Vereinnahmung durch deutsche Rechtspopulisten stehen.
Von Dr. Christof Dahm
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