Setalvad: Das ist schwer zu sagen. Modi selbst hat sich zu Religionsfreiheit bekannt. Es sind einzelne Politiker seiner Partei, aber vor allem das der Regierungspartei nahestehende nationalistische Hindu-Freiwilligen-Korps (RSS), die das Zusammenleben vergiften. Das RSS propagiert eine fast schon faschistische Ideologie und einen Lebensstil mit Drill, Disziplin und Unterordnung. Dabei werden durchaus Anleihen beim Nationalsozialismus genommen. Vom Weltbild her geht es darum, eine Einheit von Indien und Hinduismus und einen neuen Nationalismus zu propagieren. Modi selbst stammt aus dieser Bewegung.
Frage: Was bedeutet das für die anderen Religionen?
Setalvad: Es gibt eine zunehmende Zahl von Übergriffen gegen Muslime und Christen. Eine US-Kommission zu Religionsfreiheit weltweit beruft sich in ihrem Bericht auf Zahlen des indischen Innenministeriums, nach denen diese Gewalt 2015 um 17 Prozent zugenommen hat. Demnach wurden 97 Menschen getötet und 2.246 verletzt. Für die Christen gibt es eine sichtbare Zunahme von 120 großen Übergriffen auf Christen und ihre Einrichtungen 2014 auf 365 im Folgejahr.
Frage: Was konkret wird den anderen Religionen vorgeworfen?
Setalvad: Christliche Missionare werden immer wieder beschuldigt, indigene Gruppen und Unberührbare (Dalits) abzuwerben. Dies wiederum hat zur Verabschiedung von Gesetzen geführt, die Religionswechsel verbieten – die allerdings für einen Übertritt zum Hinduismus nicht gelten. Heute gibt es in 7 von 29 indischen Bundesstaaten Antikonversionsgesetze.
Im September 2015 wurde ein Muslim von einer Gruppe Hindus gelyncht, die ihn verdächtigt hatten, eine Kuh getötet und das Fleisch während des islamischen Opferfests gegessen zu haben. In 24 Bundesstaaten gibt es gesetzliche Regelungen, die das Schlachten von Rindern und den Verkauf des Fleisches verbieten und Gesetzesbrecher bestrafen. Zuletzt gab es sowohl bei den Antikonversionsgesetzen als auch beim Schlachten von Rindern Bemühungen, landesweite Gesetze einzuführen. Die Propagandamaschine läuft Tag für Tag.
Frage: Wie wollen Sie darauf reagieren?
Setalvad: Wichtig ist zunächst die Erkenntnis, dass es den radikalen Hindus gar nicht so sehr um Religion geht. Es geht um Politik und Macht. Und religiöse Fragen werden instrumentalisiert, um Indien in Richtung Nationalismus und einer vermeintlich homogenen Nation zu verändern. Das geht bis hin zum Umschreiben der Geschichte in den Schulbüchern.