Frage: Sie befinden sich im Franziskanerkloster St. Anthony of Padua, in das täglich Dutzende Menschen kommen. Wie bereiten sich die Ordensbrüder auf Weihnachten vor?
Lutfi: Wir haben zwei Messen, eine morgens und eine nachmittags. An Sonntagen haben wir eine Messe für Kinder, die wir „Frieden für die Kinder“ nennen. Die Kinder versuchen, für Frieden zu beten – denn wir Erwachsenen haben es nicht geschafft, Frieden zu erreichen. Seit mehr als fünf Jahren versuchen wir, einen Friedensprozess in Gang zu bringen. Die Kinder müssen uns das lehren.
Frage: Unterscheidet sich das diesjährige Weihnachten in Aleppo vom Weihnachten 2015?
Lutfi: Es gibt hier viel weniger Christen als im vergangenen Jahr. Von den 150.000 Christen, die vor dem Krieg in Aleppo lebten, sind jetzt nur noch 30.000 hier. Jedes Jahr, in dem man den Krieg nicht stoppen kann, ist schlimmer als das vorige, denn die Probleme nehmen zu. Jeder Tag Krieg, das bringt mehr soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten für die Menschen.
Frage: Was haben Sie für den Weihnachtstag geplant?
Lutfi: Vergangenes Jahr gab es eine Weihnachtsfeier abends um 22.00 Uhr in unserer Kirche Sankt Franziskus – und eine Stunde vorher gingen nahe der Kirche Bomben nieder. Ich dachte damals, da wird niemand zur Messe kommen. Aber zehn Minuten später war die Kirche voller Menschen, darunter viele Kinder. Das war wie ein großes Geschenk Jesu. In diesem Jahr wird es nach der Weihnachtsfeier um 22.00 Uhr ein kleines Fest geben, wo wir auch Geschenke verteilen, die von unseren Spendern stammen.
Frage: Was wird das sein?
Lutfi: Sachen, um über den Winter zu kommen. Jacken zum Beispiel. Der Winter ist sehr kalt in Aleppo.
Frage: Und bekommen die Kinder auch Geschenke?
Lutfi: Etwas Süßes, Schokolade zum Beispiel.
Frage: Verändert sich die Bedeutung von Weihnachten, wenn man im Krieg lebt?
Lutfi: Ja. Wir hoffen darauf, dass Gott das Wunder wirken kann, den Krieg in Aleppo zu beenden. Wir wissen nicht, wie das geht, aber wir vertrauen darauf. Wir trauen Gott, weil er schon einmal in den Lauf der Geschichte eingegriffen hat. Als Christus auf unsere Erde kam und das erlitt, was Menschen erleiden, veränderte er das Schicksal der ganzen Menschheit.
Von Norbert Demuth (KNA)
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