Frage: Aber gefährden solche Vorwürfe nicht die ohnehin bedrängte Stellung der orthodoxen Kirche in der Türkei – und auch der anderen christlichen Kirchen?
Schick: Ich habe mit vielen Kirchenleuten darüber gesprochen. Sie bleiben alle gelassen, nehmen die ganze Geschichte nicht ernst. Sie sagen, das komme nur von einem einzigen Blatt, und die Quellen, auf die es sich beruft, hätten schon alle dementiert. Tatsächlich hört man auch nach zwei Tagen schon gar nichts mehr davon in den Medien und in der Öffentlichkeit.
Frage: Ein zentrales Thema Ihrer Reise war die Lage der Flüchtlinge in der Türkei. Wie sind Ihre Eindrücke aus den Flüchtlingsprojekten, die Sie besucht haben?
Schick: Nun, zunächst muss ich einschränken: Ich habe kirchliche Flüchtlingsprojekte besucht. Die Christen kümmern sich um die christlichen Flüchtlinge aus dem Irak und Afrika – mehr ist auch gar nicht möglich. Denn die Christen hier, alle Konfessionen zusammen, sind vielleicht 0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Mit ihrer kleinen Kraft tun die Kirchen aber wirklich sehr Großes: in den Pfarreien, Schulen, Krankenhäusern etc., und derzeit auch für Flüchtlinge.
Frage: Die Türkei hat eine sehr große Zahl von Flüchtlingen aufgenommen, nach offiziellen Angaben 2,7 Millionen. Das ist eine große Solidarität. Gleichzeitig hat man aber in Deutschland das ungute Gefühl, dass auf dem Rücken der Flüchtlinge ein politischer Kuhhandel mit der EU ausgetragen werde. Halten Sie die Regierung Erdogan für einen verlässlichen Verhandlungspartner?
Schick: Das kann ich nicht beurteilen. Die Regierungen weltweit müssen sich bemühen, mit Erdogan zu einem vernünftigen Miteinander zu kommen. Die Türkei ist ein großes Land und hat eine ganz wichtige Brückenfunktion zwischen dem Nahen Osten und dem Westen, aber auch mit Afrika und Asien. Deshalb sind ja so viele Flüchtlinge hier; für sie ist die Türkei ein Transitland. Ich habe mit vielen Flüchtlingen vor allem aus dem Irak gesprochen – fast alle wollen in die USA oder nach Australien.