Karsamstag
Schwester Eva Maria hat das gute Geschirr gedeckt, das mit dem Goldrand. Noch eine Tasse Kaffee? Schon Hans Roth, der berühmte Architekt, habe diesen Kaffee gelobt. Hans Roth, der nicht nur alle Kirchen in der Chiquitania restauriert hat. Sondern von dem auch der Entwurf für das Haus stammt, in dem Schwester Eva Maria und die anderen drei Franziskanerschwestern wohnen. Direkt neben der Kirche.
Seit 50 Jahren lebt die Osttirolerin schon in San Miguel. „Der liebe Gott hat mich anderswo nicht brauchen können“, sagt sie und lacht. Kindergärten, Volks- und Abendschulen hat sie vor Ort aufgebaut, so auch das benachbarte Colegio, auf dessen Gelände zugleich die berühmtesten Holzwerkstätten der Chiquitania untergebracht sind.
Aber die machen erst nach Ostern wieder auf. Heute fiebert Schwester Maria erst mal ihrem persönlichen Jahreshöhepunkt entgegen: Dem Exsultet, dem Osterlob in der Auferstehungsfeier. „Da freue ich mich das ganze Jahr drauf“, sagt sie mit leuchtenden Augen. „Da steckt so viel drin. Ich hoffe, Pater Alfonso singt es, er hat so eine schöne Stimme.“ Und wenn der Steyler Missionar es nicht singt? „Dann helfe ich mir mit einem ‚Halleluja‘ drüber.“
Das Osterfeuer prasselt schon, als Schwester Eva Maria die Kirche erreicht. Pater Alfonso entzündet die Osterkerze, zieht in die Kirche ein – und singt ein Exsultet, dem Schwester Maria mit geschlossenen Augen lauscht. Mit dem Gloria wird es wieder hell in der Kirche. Auch heute ist sie bis auf den letzten Platz besetzt.
Es geht bereits auf Mitternacht zu, als die Täuflinge an der Reihe sind. Leonardo, Carmen, Elvira und all die anderen Babys verschlafen ihre eigene Taufe – und verpassen das skurrile Wettrennen, das sich traditionell an die Feier der Osternacht anschließt: Eine Frauengruppe trägt eine Marienstatue so schnell es geht links um die Plaza, eine Männergruppe läuft mit einer Jesusstatue an der gegenüberliegenden Seite des Platzes entlang. Schließlich begegnen sich Maria und der Auferstandene in der Mitte. Ein heiteres Ritual, in dem sich die schiere Osterfreude ausdrückt. Ebenso wie in den anschließenden Kinder- und Maskentänzen, begleitet von den bizarren Gesängen und dem kratzenden Violinenspiel der Indios.
In der Kirche füllen sich Frauen Weihwasser in Plastikflaschen. Auf ihrem Stammplatz sitzt noch immer Schwester Eva Maria. „Das Exsultet war wunderbar, ich muss ihn loben“, sagt sie und nickt Pater Alfonso anerkennend zu.
Ostersonntag
Ulissas Augen sind klein, als sie am nächsten Morgen die Sakristei betritt. Die Nächte waren kurz und die Prozessionen waren lang. Das Hochamt am Ostersonntag will sich die 13-Jährige trotzdem nicht nehmen lassen. „Es macht ja Spaß, so dicht dran zu sein“, sagt sie. „Wir haben immer die besten Plätze.“
Routiniert streift sie die Albe über und schließt den weißen Kragen. „Wir ziehen uns immer erst in letzter Sekunde um, weil man in den Gewändern so schnell ins Schwitzen kommt“, sagt sie. Und zieht Minuten später mit Antonio, Einar, David, Luis und Ximona in die Kirche ein. Das sind die übrigen Messdiener von San Miguel.
Nach dem festlichen Ostergottesdienst versammelt sich die Gemeinde erneut vor den Stufen der Kirche, mit ungewohnter Verstärkung. Kinder tragen Hühner, Kaninchen, Katzen und andere Kleintiere auf dem Arm. Frauen rollen ihren Sonntagsbraten in Schubkarren herbei. Zur traditionellen Tier- und Speisesegnung.
Ulissa hält das Weihwassergefäß, während Pater Alfonso Bananen und Hundewelpen, Reispfannen und Papageien segnet – und dabei sein Aspergill gut festhält. Don Carmelo hat den Glockenturm bestiegen und ein tönendes Festgeläut in Gang gesetzt. Mit einem herzlichen „Guten Appetit“ lässt Pater Alfonso das Ende seiner Feuertaufe in San Miguel ausklingen. Schwester Eva Maria hat die Patres heute zum Essen eingeladen.
Von Markus Frädrich
© Steyler Missionare