Denn Tourismus, so Schwester Leah, ist eine immer wichtigere Einnahmequelle. Fast ein Drittel der Landesfläche sind als Reservate ausgewiesen. Dank Bernhard Grzimeks Naturfilmen ist seit Ende der 1950er-Jahre hierzulande vor allem der Serengeti-Nationalpark bekannt. Die Wildtiere werden nach Kräften geschützt. Die Massai und ihre traditionelle Lebensweise geraten dagegen zunehmend unter Druck.
Schwester Leah will Sensibilität dafür wecken – und zugleich die Rolle der Frauen stärken. So sind Polygamie, Beschneidung und Zwangsehen immer noch weit verbreitet. „Ich respektiere die Kultur der Massai“, betont die 43-Jährige, die selbst aus dem Kongo stammt. „Doch Frauen sollten wählen können, wie sie ihr Leben führen möchten.“ Perspektiven – das ist es, was nicht nur manchen Massai-Frauen in Tansania fehlt. Im fruchtbaren Süden des Landes beispielsweise geraten Dorfbewohner zwischen die Fronten von Behörden und Konzernen.
Wachsender Extremismus bereitet Sorge
Landgrabbing heißt das Phänomen, das immer weiter um sich greift. Hier, wo angeblich die Queen aus Tagen der britischen Kolonialära noch eigene Teepflanzungen besitzt, ist der Großkunde inzwischen König. Immer mehr internationale Unternehmen versuchen, große Ackerflächen zu kaufen, um dort etwa Kaffee, Holz oder Energiepflanzen anzubauen. Die Bewohner vor Ort profitieren oft kaum von den lukrativen Geschäften. Beobachter fürchten, zunehmende Landknappheit könne zu neuen sozialen Spannungen führen.
Trotzdem: Die politische Lage ist bisher vergleichsweise stabil in dem Land mit seinen über 100 Ethnien und ebenso vielen Sprachen, sagt Missio-Präsident Klaus Krämer. Sorge bereitet ihm ein wachsender Einfluss von islamistischen Strömungen. Ein mögliches Indiz dafür: In den Städten sind immer mehr komplett verschleierte Frauen unterwegs. Die Brüche und Konflikte einer globalisierten Welt machen auch vor Tansania nicht halt.
Verbindungslinien zwischen Tansania und Deutschland gibt es viele. Auch das wird bei einem Rundgang durch Daressalam augenfällig. Neben Hochhäusern und Hotelfassaden prägen zwei Kirchen die Silhouette, errichtet während der deutschen Kolonialzeit, die 1918 endete.
Von Joachim Heinz (KNA)
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