Grünner: Der Druck ist groß. Uns ist wichtig, dass die Flüchtlinge genauso betreut werden wie die anderen jungen Menschen in unseren Einrichtungen. Sie sind in pädagogischen Wohngruppen mit bis zu zwölf Jugendlichen untergebracht. Vier Betreuer kümmern sich rund um die Uhr. Wir legen Wert auf Transparenz im ausländerrechtlichen Verfahren, dazu kommt die Kooperation mit anderen Trägern. Die Flüchtlinge sollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten gefördert werden, dazu gehören Sprachkurse und berufliche Qualifikation. Da ist es ein Vorteil, dass sie bei uns auch mit anderen jungen Leuten zusammenkommen. Sie können gemeinsam die Freizeit verbringen und essen. So geschieht Begegnung und letztlich Integration.
Frage: Wie geht man mit heterogenen Gruppen um?
Grünner: Da müssen Menschen aus verschiedenen Ländern, Kulturen und Religionen zusammenfinden. Unsere Mitarbeiter werden dafür von unserem Jugendpastoralinstitut in Benediktbeuern geschult, verstehen sich auf Traumapädagogik und interreligiöse Kompetenz. Sie müssen auskunftsfähig sein und etwa Muslimen helfen können, dass sie ihre religiöse Tradition leben und sich in unsere christlich orientierte, aber auch säkulare Gesellschaft integrieren können.
Frage: Wie lief das im Fastenmonat Ramadan?
Grünner: In dieser Zeit hatten wir in Bamberg an einem Wochenende unser jährliches, provinzweites Sportfest. Von den etwa 160 teilnehmenden Jugendlichen waren mindestens die Hälfte minderjährige Flüchtlinge, viele davon Moslems. Einige haben mit ihren Gruppen schon um drei Uhr morgens, also vor Sonnenaufgang, gefrühstückt, und sich tagsüber mehr oder weniger an die Regeln gehalten. Die Entscheidung, wie damit umzugehen ist, muss man den Jugendlichen auch ein Stück selbst überlassen.
Frage: Hat sich mancher anders entschieden?
Grünner: In einer Gruppe haben Jugendliche diskutiert, wie streng sie Ramadan halten wollen. Ein junger Mann sagte dann, er wolle sich nicht mehr an diese Regeln halten, auch wenn ihm bewusst sei, dass er dann in die Hölle kommen werde. Aber die anderen Jugendlichen, die er kennengelernt habe, die keine Moslems sind und sich sowieso nicht dran halten, die kämen dann ja auch in die Hölle. Und er sei eh lieber mit denen zusammen als mit den anderen.
Frage: Wie gehen die Jugendlichen mit dem „Kulturschock“ um?
Grünner: Die jungen Leute kommen mit großen Erwartungen und wollen teilhaben an all dem Wohlstand. Doch sie merken, das geht nicht so einfach. Das kann eine positive Wirkung haben. Viele sind sehr motiviert, wollen möglichst schnell etwas lernen, sei es die Sprache oder eine berufliche Qualifikation, um dann selber etwas verdienen zu können für sich und ihre Familien. Doch da gibt es die anderen, die sofort den Wohlstand haben wollen. Hier ist die Sorge größer, wie sie begleitet werden können, den richtigen Weg zu gehen und auch lernen zu verzichten.