Doch ganz zufrieden werden sie nicht sein. So wurde nicht gestrichen, dass der Klimawandel „vor allem aufgrund des menschlichen Handelns angestoßen“ wurde, dass er die wichtigste aktuelle politische Herausforderung ist und man sich weltweit bei der Nutzung fossiler Energieträger massiv einschränken muss. Gestrichen wurde auch nicht, dass den „armen Ländern“ ein Vorrecht auf wirtschaftliches Wachstum zugesprochen, den „reichen Ländern“ des Nordens hingegen eine „ökologische Schuld“ auferlegt und ihnen abverlangt wird, die „armen Länder“ des Südens mit Geld, Infrastruktur und „Know how“ auf einem eigenen, ihnen gemäßen nachhaltigen Entwicklungsweg zu unterstützen. Die Enzyklika selbst spricht allenfalls in vagen Andeutungen von abweichenden Positionen in der Kirche – und gibt sich damit als kirchlicher Konsens über die „Bewahrung der Schöpfung“ aus. Zumindest die bisherige Rezeption bestätigt sie darin. Diejenigen, die widersprechen, haben zumindest bisher dazu noch nicht den öffentlichen Mut gefunden. Damit steht mit „Laudato si“ der ökologische Konsens der katholischen Kirche erst einmal in aller Öffentlichkeit. Es dürfte schwer sein, ihn wieder aufzubrechen.
In der Enzyklika werden ökologische Verwerfungen – zum Teil in starken Worten – angesprochen, die Vernutzung ökologischer Ressourcen, die Belastung des Planeten mit Emissionen und der Verlust an biologischer Vielfalt. In Antwort darauf wird an die Menschheit appelliert, ihre gemeinsame Verantwortung für das gemeinsame Haus wahrzunehmen – und zwar auf allen Ebenen, auf denen sich die Menschheit politisch organisiert, von der lokalen bis zur internationalen Ebene. Dabei verknüpft die Enzyklika in Analyse und Therapie ökologische und soziale Fragen. So werden in der Analyse ökologische Verwerfungen als Folge einer ungleichen und dabei auch ungerechten Vernutzung ökologischer Ressourcen begriffen; zudem wird angesprochen, dass die Ärmsten auf dem Planeten Erde, dabei auch die Ärmsten in den jeweiligen Gesellschaften, am stärksten von den Folgen der ökologischen Verwerfungen betroffen und beeinträchtigt werden. Ökologische Verwerfungen bedingen gesellschaftliche Verwerfungen und dies auch zunehmend auf internationaler Ebene. Aber auch andersherum gilt: Gesellschaftliche Verwerfungen, wie das Machtungleichgewicht in den privatwirtschaftlich verfassten Ökonomien, verursachen ökologische Verwerfungen.
Enzyklika schwächelt auf den letzten Seiten
„Laudato si“ ist damit – im wahrsten Sinne dieses Wortes – eine Sozialenzyklika: Sozial ist dieses Rundschreiben, weil es die angesprochenen ökologischen Probleme als Folgen einer unzureichenden oder gar ungerechten Ordnung von sozialen Verhältnissen sieht, weswegen es eine andere, eine gerechte Ordnung eben dieser Verhältnisse und dazu: eine entsprechende Veränderungspolitik einfordert. Auch in einem zweiten Sinn ist „Laudato si“ eine Sozialenzyklika: Adressiert ist sie an all die Menschen und all die Einrichtungen, die Politik machen können und sollen – und deshalb in der Verantwortung für das „gemeinsame Haus“ stehen. Traditionell stand dafür in der Ansprache päpstlicher Sozialenzykliken: „an alle Menschen guten Willens“. Die Enzyklika bemüht sich entsprechend auch um eine Sprache, die außerhalb von Kirche und kirchlicher Binnenkommunikation verständlich ist, und um Argumente, die auch außerhalb von religiösen Überzeugungen und Einstellungen geprüft werden können.