Diskussion um die „Rehabilitation“ der Befreiungstheologie
Der Vatikan selbst hatte stets Wert darauf gelegt, dass gegen eine in seinem Sinne richtig verstandene Befreiungstheologie nichts einzuwenden sei, ja das sie ein berechtigtes Anliegen in Lateinamerika aufgreife. Zu beanstanden sei aber die Übernahme marxistischer Modelle von Teilen dieser theologischen Richtung. In zwei Schreiben hatte die Glaubenskongregation 1984 und 1986 marxistische Tendenzen in der Befreiungstheologie verurteilt. Kritiker verliehen dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, wegen seines aus ihrer Sicht harten Vorgehens den Titel „Panzerkardinal“.
Als „Rehabilitation“ der
Befreiungstheologie
war Gutierrez‘ Auftritt vor diesem Hintergrund bezeichnet worden. Er selbst druckste am Dienstag herum. Die Befreiungstheologie sei ja gar nicht verurteilt worden; deshalb könne sie auch nicht rehabilitiert werden. Aber so ganz widersprechen mochte Gutierrez dieser Deutung offensichtlich auch nicht. Entscheidend sei doch schließlich, erklärt er, dass das Evangelium rehabilitiert worden sei. Angesprochen darauf, welche Rolle Papst Franziskus hierbei gespielt habe, antwortet er schlicht, das „Klima“ habe sich gewandelt.
Der Klimawandel kam freilich nicht aus heiterem Himmel. Franziskus war bereits im September 2013 nach einer Morgenmesse kurz mit dem peruanischen Theologen zusammengetroffen. Zudem veröffentlichte Gutierrez 2014 gemeinsam mit dem Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, ein Buch. Müller ist seit vielen Jahren ein persönlicher Freund von Gutierrez. Vor wenigen Tagen erschien dann zum zweiten Mal ein Artikel des peruanischen Theologen in der vatikanischen Tageszeitung „Osservatore Romano“. Darin hob er die fortwährende Aktualität des Armutsbegriffs hervor, den die Befreiungstheologie entwickelt hatte.
Gutierrez‘ eigene, in kämpferischem Ton vorgetragene Botschaft für die Generalversammlung verband am Dienstag Befreiungstheologie und Caritas Internationalis: „Wir brauchen keine Wohltätigkeit, sondern Gerechtigkeit“.
Von Thomas Jansen (KNA)