Streiter für Menschenrechte und Demokratie
Seit 1964 Erzbischof von Olinda und Recife im armen Nordosten Brasiliens, erregte er politisch immer häufiger Anstoß. Er legte sich mit der Militärdiktatur (1964–1985) an, kämpfte für Menschenrechte und die Forderung nach Rückkehr zur Demokratie. Camara gründete nicht nur die Brasilianische Bischofskonferenz, sondern auch die ersten Basisgemeinden. Als er 1970 in Paris öffentlich über die grauenvollen Folterungen durch brasilianische Militärs sprach, gab es zunächst eine Pressekampagne gegen ihn. Dann schwiegen ihn die Medien des Landes zehn Jahre lang tot. Kritiker sprachen vom „roten Bischof“. In Europa wurde der lateinamerikanische Kirchenmann umso berühmter.
Der furchtlose und tief fromme Mann, der die halbe Nacht im Gebet zubrachte, der das Bischofspalais den Obdachlosen öffnete, war in Kirche und Welt gleichermaßen umstritten. Durfte man die Weltwirtschaftsordnung so pauschal infrage stellen, wie dieser Dritte-Welt-Bischof es ungeniert und unermüdlich tat? An dieser Frage schieden sich die Geister. Mit seiner Botschaft „Entwicklung ist Frieden, Unterentwicklung ist Krieg“ musste Camara polarisieren. Unter Papst Franziskus, eineinhalb Jahrzehnte nach seinem Tod und nach einer langen globalen Finanzkrise bekommen manche seiner Äußerungen einen neuen aktuellen, prophetischen Klang.
Camara trat konsequent für das Prinzip der Gewaltlosigkeit ein. Trotzdem galt er vielen als verkappter Kommunist oder politischer Aufrührer. Für seine Anhänger blieb er ein glaubwürdiger Vorkämpfer der nachkonziliaren Kirche für eine gerechtere Welt.
Als er 1985 in Ruhestand ging, bekam seine Erzdiözese einen erzkonservativen Nachfolger, der die Uhren zurückdrehte. Camara hielt sich mit Bewertungen zurück. Papst Johannes Paul II. (1978–2005) würdigte ihn in einem Kondolenzschreiben 1999 als „engagierten Seelsorger“ und erinnerte an seine „unzähligen pastoralen Aktivitäten“. Camaras Leichnam ist in der Kathedrale von Recife bestattet - wo am Sonntag eine neue Station seiner kirchlichen Karriere beginnt.
Von Christoph Strack (KNA)