„Leben wie die anderen“
Hamid weiß derzeit nur eines: dass er auf keinen Fall zurück will. In Afghanistan, erzählt er in fließendem Englisch, betreibt seine Familie mehrere Hotels. Soviel Wohlstand rief die radikalislamischen Taliban auf den Plan. „Immer wieder haben sie meinem Vater gedroht:
‚Entweder Du gibst uns Geld, oder wir entführen Deine Kinder.‘“ Einen Brandanschlag verstanden die Eltern als finale Warnung. Hamid und seine jüngsten Brüder durften fortan nicht mehr auf die Straße, waren wie Gefangene im eigenen Haus. „Das habe ich nicht mehr ausgehalten, ich will lernen, leben wie die anderen“, sagt der Teenager. Eine ältere Schwester wohnt bereits in Hamburg – schweren Herzens fassten die Eltern den Entschluss, ihren Sohn vom Hindukusch in die norddeutsche Tiefebene zu schicken.
Doch stattdessen blieb Hamid in Frankfurt hängen. Als „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“, wie es im Amtsdeutsch heißt. Dass diese Personengruppe überhaupt in einer Einrichtung wie dem Gebäude 587a festgehalten wird, ist einer der vielen Kritikpunkte, die Menschenrechtler und Kirchenvertreter am Flughafenverfahren haben. Die zuständigen Behörden in Hessen halten dagegen. Das Gesetz sehe nun einmal keine Altersbeschränkungen vor: „Das Flughafenverfahren gilt für jeden, egal ob er 6 Monate oder 80 Jahre alt ist.“ Zugleich betonen die Verantwortlichen, dass sie der besonderen Lage von allein reisenden Kindern und Jugendlichen, den besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen, Rechnung tragen.
So existiere eine spezifische Arbeitsgruppe von Sozialministerium, Jugendämtern, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der Bundespolizei, die sich laufend über Verbesserungen beim Aufnahmeverfahren für die unbegleiteten Minderjährigen verständigten. Deren Aufenthaltsdauer in der Unterkunft betrage deswegen in der Regel nicht mehr als zwei Tage. Während dieser Zeit stünden im Gebäude 587a rund um die Uhr geschulte Sozialpädagogen als Ansprechpartner bereit.
Außerdem, so ist von den Behörden zu erfahren, macht diese Gruppe nur einen geringen Anteil jener Personen aus, die ein Flughafenverfahren durchlaufen. Von den 1.100 in ganz Hessen 2013 erfassten unbegleiteten Minderjährigen waren es 69, bei denen das Verfahren zur Anwendung kam. Dabei habe sich bei sieben Personen herausgestellt, dass der vermeintliche Minderjährige bereits erwachsen war.