Goldener Adler, Adlerpult, in der Kathedrale Notre-Dame in Reims (Frankreich) am 25. März 2025.
König Karl X. brachte Frankreich keine goldenen Zeiten zurück

Krönungsstadt Reims wartet seit 200 Jahren auf die ganz große Zeremonie

Reims  ‐ Über viele Jahrhunderte war die Kathedrale von Reims die Krönungskirche von Frankreichs Königen; das letzte Mal im Mai 1825, vor 200 Jahren. Doch der Reaktionär Karl X. hatte keine glückliche Hand.

Erstellt: 29.05.2025
Aktualisiert: 22.05.2025
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Von Alexander Brüggemann (KNA)

Die Mauern hielten dem deutschen Beschuss stand

Seine anfängliche Popularität war bereits geschwunden. Bei seiner Rückkehr nach Paris Anfang Juni wurde er von der Bevölkerung schon recht zurückhaltend empfangen. Und als er im April 1827 auf dem Marsfeld seine Nationalgarde inspizierte, wurde gerufen: „Nieder mit den Pfaffenfreunden!“ Das Königtum der Bourbonen trudelte seinem endgültigen Ende entgegen. Der aus der Juli-Revolution 1830 hervorgegangene „Bürgerkönig“ Louis-Philippe (1830-1848) knüpfte dann bewusst nicht mehr an die Krönungstradition an.

Und die Kathedrale in Reims? Das Wüten der Französischen Revolution hatte ausgerechnet der Figurenschatz der Krönungskathedrale fast schadlos überstanden. Lediglich einige Königsfiguren verloren ihren Kopf; die Innenausstattung ging freilich komplett verloren. Mehr Schaden hinterließen außen später die Angriffe der täglichen Umweltverschmutzung, die die Figuren in einen beklagenswerten bis unkenntlichen Zustand versetzten, sowie die Bombardierung durch die Deutschen im September 1914.

Damals nahmen deutsche Soldaten die sakrale Heimstätte der französischen Nation unter Feuer – militärisch sinnlos, aber von hoher symbolischer Bedeutung. Warum eigentlich Reims? Ende des 5. Jahrhunderts ließ sich der heidnische Frankenkönig Chlodwig in dem Hauptort der römischen Provinz Belgica secunda taufen. Es ist dieses Ereignis, der die herausgehobene Stellung des Champagne-Städtchens über die Jahrhunderte begründete – und natürlich den sukzessiven Ausbau der Bischofskirche zu einer Krönungskirche. Die riesige Querhaus- und Choranlage ermöglichte das prächtige Zeremoniell mit all seinen Teilnehmern.

Nach dem deutschen Angriff 1914 brannte der Dachstuhl, die Glocken schmolzen und ebenso das Blei der Glasfenster. Dass die Mauern hielten, ist eigentlich ein Wunder. 1937 wurde die Kathedrale neu geweiht – nur drei Jahre, bevor die Deutschen Frankreich erneut angriffen.

Notre-Dame in Reims zählt mit Chartres, Amiens und Bourges zu den Schlüsselbauten der französischen Kathedralgotik um 1200. Eine Besonderheit sind ihre rund 2.300 Steinskulpturen, vor allem an der Außen-, aber auch an der Innenseite. Berühmt sind etwa die „Königsgalerie“ oberhalb der Fensterrose mit ihren 56 Figuren, darunter auch die Taufe Chlodwigs, und die Portalskulpturen, vor allem der „lächelnde Engel“ mit seiner weltentrückten Heiterkeit.

Drei Jahre und mehr als drei Millionen Euro waren nötig, um die zerfressenen Steine und Skulpturen an der gotischen Fassade mit ihrer großen Fensterrose zu ersetzen. Drei Jahre hinter Gerüsten und Folien. Gleichzeitig gibt es auch schon neue Not: Einige der Gewölbe sind brüchig; Putzplacken fielen herunter. Neue Gerüste werden wohl immer wieder aufgerichtet werden müssen. Eine der heiligsten Stätten der französischen Nation bleibt eine Baustelle der Geschichte.

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