Katholischer Flüchtlingsgipfel kritisch zum EU-Asylpakt
Köln/Bonn ‐ Auch in Deutschland werden die Debatten um Flucht und Migration oft sehr polemisch geführt. Der achte katholische Flüchtlingsgipfel ist das Thema sachlich angegangen. Dabei stand der neue EU-Asylpakt im Zentrum. An dessen Wirksamkeit gibt es deutliche Zweifel.
Aktualisiert: 02.05.2024
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Flüchtlinge sollen aus Sicht von Kirchenvertretern und Interessenverbänden besseren Schutz in Europa erhalten. „Jede Person, die an den EU-Außengrenzen ankommt, muss das Recht auf ein faires Anerkennungsverfahren haben“, erklärte der katholische Flüchtlingsbischof Stefan Heße am Dienstag in Köln beim achten Flüchtlingsgipfel der katholischen Kirche in Deutschland.
Im Zentrum des Treffens stand der neue EU-Asylpakt GEAS, dem das Europäische Parlament kürzlich zugestimmt hatte. Das Paket enthält strengere Regeln für Migranten aus Staaten, die als relativ sicher gelten, und soll Hauptankunftsländer wie Italien und Griechenland entlasten. Der Pakt soll in rund zwei Wochen durch den EU-Ministerrat offiziell verabschiedet werden. Bis zu einem Inkrafttreten können laut Beobachtern jedoch noch bis zu zwei Jahre vergehen.
Wenn der Kompromiss in Kraft trete, sei zu befürchten, „dass die humanitären Spielräume dabei enger werden und nicht weiter“, warnte Heße. Das zeige sich vor allem an der Möglichkeit, ankommende Familien, auch Kinder, in Lagern an den EU-Außengrenzen festzuhalten. „Keine Grenze kann die Verweigerung von Schutz und die Missachtung der Menschenrechte legitimieren“, betonte der Hamburger Erzbischof.
Zudem wies er auf das breite kirchliche Engagement für Schutzsuchende hin. So hätten sich 2023 im Raum der katholischen Kirche 5.775 Hauptamtliche und rund 36.600 Ehrenamtliche für die Anliegen von Geflüchteten engagiert. „Allein in Deutschland konnten durch die kirchliche Flüchtlingshilfe über 525.000 Schutzsuchende erreicht werden“, so der Erzbischof weiter.
Menschenrechtsexpertin fordert bessere Rechtsberatung
Auch die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Beate Rudolf, warnte vor den Auswirkungen des Paktes: „Aus unserer Sicht besteht bei den jetzt erreichten Regelungen ein hohes Risiko für Menschenrechtsverletzungen.“ Kritisch seien etwa die kurzen Fristen für die Prüfungsverfahren an den Grenzen. Außerdem gebe es kaum Möglichkeiten für Rechtsmittel gegen eine Ablehnung. Für die Menschen an den Grenzen brauche es zudem eine bessere rechtliche Beratung durch Anwältinnen und Anwälte.
Erzbischof Heße warnte zugleich davor, Populisten zu großen Einfluss in den Debatten zur Asylpolitik einzuräumen. Insbesondere die rechte Szene sei hier sehr professionell aufgestellt: „Dagegen sind wir Waisenknaben.“ Die Kommunikation in der Flüchtlingshilfe müsse strategisch besser aufgestellt werden. „Nicht Polemik und Polarisierung bringen uns weiter – gefragt sind vielmehr konkrete humanitäre Lösungsansätze – in Deutschland, Europa und weltweit. Dies gilt vor allem dann, wenn der Flüchtlingsschutz unter Druck gerät, wie es aktuell wieder der Fall ist.“ Gleichzeitig forderte Heße vor dem Hintergrund des anstehenden Europawahlkampfs mehr Unterstützung sowie Schutz vor Anfeindung für alle Menschen, die in der Flüchtlingshilfe aktiv sind.
Katholische Flüchtlingshilfe in Zahlen
Wie aus der Statistik der Deutschen Bischofskonferenz zur katholischen Flüchtlingshilfe für das Jahr 2023 hervorgeht, haben die 27 (Erz-)Bistümer, die Militärseelsorge und die kirchlichen Hilfswerke mindestens 88 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe bereitgestellt, darunter 32,2 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe im Inland und 55,8 Millionen Euro für die Unterstützung der Geflüchteten im Ausland. Im Jahr 2023 waren 5.775 hauptamtliche Mitarbeitende und rund 36.600 Ehrenamtliche in der Hilfe für Geflüchtete tätig. Mindestens 525.000 Schutzsuchende wurden durch die katholische Flüchtlingshilfe im Inland erreicht. Von 2014 bis 2023 hat die katholische Kirche insgesamt mehr als 1,1 Milliarden Euro an finanziellen Sondermitteln für die Flüchtlingshilfe im In- und Ausland aufgebracht
Quelle: DBK
Eine deutliche Absage erteilte der Erzbischof zudem der politischen Forderung, den Flüchtlingsschutz in Drittstaaten außerhalb der EU auszulagern: „Die überwiegende Mehrzahl aller Geflüchteten wird nach wie vor in Ländern des Globalen Südens aufgenommen. Angesichts dieser ohnehin bestehenden Schieflage erscheint der Ruf nach einer immer stärkeren Auslagerung des Flüchtlingsschutzes in ärmere Regionen dieser Welt geradezu grotesk.“ Mit Nachdruck plädierte er für eine gerechte Verantwortungsteilung in Europa und weltweit.
Warnung vor Kürzungen
Ähnlich äußerte sich der Vorstand für Finanzen und Internationales des Deutschen Caritasverbands, Steffen Feldmann. Es sei wichtig, im öffentlichen Diskurs die Deutungshoheit zu Asylfragen nicht den populistschen Parteien zu überlassen. Langfristig bewertete Feldmann in diesem Zusammenhang den Asylpakt als eher positiv, da er die Entscheidungsfähigkeit des EU-Parlaments unterstreiche. Kurzfristig hänge der Erfolg des Kompromisses aber vor allem von seiner Umsetzung ab. Feldmann warnte vor weiteren finanziellen Kürzungen im sozialen Bereich, insbesondere in der Integrationsarbeit.
Franz Lamplmair von der Generaldirektion Migration und Inneres der Europäischen Kommission in Brüssel verwies auf die Rolle der Kirchen im Migrationsbereich. Pfarrgemeinden und kirchliche Institutionen seien oft die ersten Ansprechpartner für geflüchtete Menschen vor Ort. Sie könnten die Hilfen umsetzen, die die EU mit dem Asylkompromiss schaffen wolle. „Migrations- und Asylsysteme in den EU-Staaten würden ohne das Engagement der Kirchen nicht so funktionieren können“, erklärte der EU-Funktionär.
KNA/DBK/dr