Erstmals Haftstrafe für hohen orthodoxen Geistlichen in der Ukraine
Kiew ‐ Immer wieder wird der Ukrainischen Orthodoxen Kirche von staatlichen Stellen vorgeworfen, den russischen Angriff auf die Ukraine zu relativieren. Die Kirche selbst bestreitet das. Nun muss erstmals ein Geistlicher ins Gefängnis.
Aktualisiert: 15.05.2023
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Erstmals ist ein hochrangiger orthodoxer Geistlicher in der Ukraine zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Ein Gericht befand Metropolit Josef von der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) schuldig, pro-russische Propaganda betrieben und interreligiöse Feindschaft zugunsten Moskaus geschürt zu haben, wie örtliche Medien am Wochenende berichten.
Der Metropolit sowie sein ebenfalls angeklagter Sekretär hätten sich schuldig bekannt und bei den Ermittlungen kooperiert. Vor diesem Hintergrund verurteilte sie das Bezirksgericht von Kropywnyzkyj zu drei Jahren Gefängnis mit Bewährung und verbot ihnen für ein Jahr, kirchliche Leitungspositionen zu übernehmen.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft stimmten beide Angeklagten öffentlich der Besetzung ukrainischen Territoriums durch Russland zu. Ihren Anweisungen zufolge sei pro-russische Propaganda verbreitet worden, die in russischen Druckereien gedruckt wurde. Bei Durchsuchungen der Räumlichkeiten der Diözese sei entsprechendes Material gefunden worden.
Metropolit Josef (62), ehemaliger Leiter der Diözese Kirowohrad, wurde im Dezember 2022 angeklagt. Nach Angaben des ukrainischen Geheimdienstes SBU gehörte er zum engeren Kreis um den Moskauer Patriarchen Kyrill I., einem wichtigen Verbündeten von Kreml-Chef Wladimir Putin und Unterstützer von dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) unterstand traditionell dem Moskauer Patriarchat, gab jedoch angesichts des russischen Angriffs Mitte 2022 ihre Trennung von der russisch-orthodoxen Kirche bekannt. Dennoch werfen ukrainische Behörden der Kirche immer wieder vor, die Politik Moskaus zu unterstützen bis hin zu Spionage für Russland. 2018 wurde zudem die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) gegründet, die inzwischen eine wachsende Zahl von Anhängern zählt.
Moskauer Kirchengericht verurteilt Priester nach Friedensgebet
Währenddessen erkennt die Russisch-Orthodoxe Kirche in Russland einem Geistlichen offenbar wegen eines Friedensgebets seine Priesterwürde ab. Ein Moskauer Kirchengericht sprach sich laut örtlichen Medienberichten vom Freitag dafür aus, den Priester Ioann Kowal in den Laienstand zurückzuversetzen, weil er in einem Gottesdienst statt für den Sieg für den Frieden gebetet habe. Der orthodoxe Moskauer Patriarch und Ortsbischof Kyrill I. müssen der Strafe demnach noch zustimmen, damit sie in Kraft tritt.
Aus Anlass des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte der Patriarch im Herbst ein Gebet für die sogenannte „Heilige Rus“ geschrieben. Das mittelalterliche Großreich Rus gilt als gemeinsamer Vorläuferstaat von Russland, der Ukraine und Belarus. In Kyrills Gebet heißt es: „Erhebe Dich, o Gott, zur Hilfe Deines Volkes und schenke uns mit Deiner Macht den Sieg.“ Kowal ersetzte bei einer Messe im Moskauer Stadtteil Ljublino das Wort „Sieg“ durch das Wort „Frieden“. Nachdem sich Gläubige beschwerten, suspendierte ihn das Kirchenoberhaupt Anfang Februar bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens vom Dienst.
Der stellvertretende Vorsitzende des Kirchengerichts, Erzpriester Wladislaw Zypin, sagte dem Portal „pravmir.ru“, Kowal habe das Gebet geändert und sich bei einer Anhörung geweigert, die Anweisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Das Gericht habe sich daher einstimmig für diese Strafe entschieden.
Das orthodoxe Moskauer Patriarchat unterstützt den Krieg gegen die Ukraine. Kyrill I. ist ein wichtiger Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Großbritannien, Tschechien, Litauen, Kanada und die Ukraine verhängten Sanktionen gegen das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt. EU-weite Strafmaßnahmen gegen Kyrill I. scheiterten im Juni 2022 am Widerstand Ungarns.
KNA