Peru rutscht  in die Krise
Mehrere Tote nach Ausschreitungen – Bischöfe in Sorge

Peru rutscht in die Krise

Lima ‐ Perus neue Präsidentin Dina Boluarte steht national wie international unter Druck. Menschenrechtsorganisationen sind angesichts der innenpolitischen Krise zunehmend besorgt, die Kirche ruft zum Gewaltverzicht auf.

Erstellt: 14.12.2022
Aktualisiert: 14.12.2022
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Mindestens ein halbes Dutzend Menschen sind mit Beginn der Ausschreitungen seit der Absetzung von Präsident Pedro Castillo durch Perus Kongress ums Leben gekommen. Und allem Anschein nach ist die Andennation nach Amtsübernahme der bisherigen Vizepräsidentin Dina Boluarte auf dem Weg in eine veritable Staatskrise. Castillo beschuldigt seine ehemalige Mitstreiterin nun, einen Umsturz angezettelt zu haben. Er werde nicht freiwillig zurücktreten oder seine Funktionen als Staatsoberhaupt aufgeben, so der entmachtete frühere Dorflehrer.

Gleich vier einflussreiche lateinamerikanische Länder stellten sich auf seine Seite. „Leider antworten die Regierungen aus Argentinien, Bolivien, Kolumbien und Mexiko auf die schwere Krise in Peru, indem sie Castillo zum Opfer erklären, obwohl er versucht hat, den Kongress inmitten von Korruptionsermittlungen aufzulösen“, kommentiert Juanita Goebertus, Amerika-Direktorin von Human Rights Watch, die Reaktion der vier Staaten.

Brasiliens künftiger Präsident Lula da Silva äußerte zwar sein Bedauern über das Aus für Castillo, bezeichnete die Amtsenthebung aber als verfassungskonform. Chile brachte derweil seine Besorgnis über die Gesamtsituation in Peru zum Ausdruck.

Bischöfe: Brücken des Dialogs bauen

Amnesty International forderte mit Blick auf Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizei einen Gewaltverzicht: Die Sicherheitskräfte müssten das Recht der Bürger auf friedlichen Protest und freie Meinungsäußerung respektieren. Eine Sprecherin der Vereinten Nationen rief nach Angriffen auf Medienvertreter dazu auf, für ihren Schutz zu sorgen.

Dutzende Menschen, darunter mindestens vier Polizisten, wurden nach UN-Angaben bei den sich ausbreitenden landesweiten Protesten verletzt. „Die Polizei muss dringend sicherstellen, dass Gewalt nur dann angewandt wird, wenn dies unbedingt erforderlich ist“, heißt es in einer aktuellen Erklärung des UN-Menschenrechtsbüros.

Inmitten der angespannten Situation meldete sich auch wieder die katholische Kirche zu Wort. In einer am Montag (Ortszeit) als Reaktion auf die ersten Toten veröffentlichten Stellungnahme forderte die Peruanische Bischofskonferenz: „Wir appellieren, Brücken des Dialogs zu bauen, und rufen all unsere Landsleute, die in verschiedenen Teilen des Landes protestieren, zur Besonnenheit auf.“ Die Forderungen der Demonstranten müssten gehört werden. Allerdings müssten sich die Protestierenden ohne Gewalt Gehör verschaffen. Die Polizei habe die Aufgabe, für den Schutz der Menschen zu sorgen.

Am Vortag hatte Perus neue Präsidentin in einer Botschaft an die Nation angekündigt, einen Gesetzentwurf in den Kongress einzubringen, der vorgezogene Neuwahlen im April 2024 möglich machen soll. Boluarte reagierte damit auf die Proteste jener Bürger, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Präsidentschaft haben. Sie erklärte, von den bei den vergangenen Wahlen rechtmäßig gewählten Volksvertretern im Amt bestätigt worden zu sein. Sie habe beschlossen, die Initiative zu ergreifen, um eine Einigung mit dem Kongress zu erreichen. Die neue Präsidentin stellte zudem in Aussicht, verfassungsrechtliche Reformen in Angriff nehmen zu wollen.

Die bisherige Vizepräsidentin Boluarte war in der vergangenen Woche vom Kongress zur neuen Staatschefin ernannt worden, nachdem Pedro Castillo eine Abstimmung über einen Misstrauensantrag verloren hatte. Sein Versuch, das Parlament kurz vor dem Votum aufzulösen, blieb erfolglos. Gegen Castillo, dessen Familienangehörige und Mitstreiter wird wegen Korruption ermittelt. Die Opposition wirft ihm einen versuchten Staatsstreich vor, zahlreiche Weggefährten distanzierten sich mittlerweile von ihm.

Die Proteste gegen Boluarte weiten sich derweil aus. Nachdem es zunächst zu Ausschreitungen in den südperuanischen Regionen Apurímac und Arequipa gekommen war, halten Anhänger von Pedro Castillo nun auch in dessen Heimatregion Cajamarca sowie in Amazonas und San Martín mehrere Abschnitte der Fernando Belaúnde Terry-Fernstraße besetzt, die den Nordosten Perus mit dem wirtschaftlichen Zentrum an der Pazifikküste im Westen verbindet.

Von Tobias Käufer (KNA)

14.12.2022: Hinweis auf Straßenbesetzung hinzugefügt