Missbrauchsvorwürfe gegen Friedensnobelpreisträger Bischof Belo
Amsterdam ‐ Carlos Filipe Ximenes Belo, früherer Bischof von Osttimor und Friedensnobelpreisträger von 1996, sieht sich Missbrauchsvorwürfen gegenüber. Der 74-Jährige soll jahrelang Jungen sexuell missbraucht haben, wie die niederländische Wochenzeitung „De Groene“ berichtet.
Aktualisiert: 10.11.2022
Lesedauer:
Dies hätten Berichte von Betroffenen ergeben sowie Recherchen in deren Umfeld. Zugleich habe der Vatikan Reisebeschränkungen für Belo verhängt, so das Magazin.
Anfragen an Belo, den Salesianerorden oder den Vatikan zu den Vorwürfen seien indes unbeantwortet geblieben. Belo war 2002 als Bischof (Apostolischer Administrator) der Hauptstadt Dili zurückgetreten. Nach einer Station als Hilfspriester in Maputo (Mosambik) lebt er demnach heute in Portugal.
„De Groene“ zitiert „Paulo“ (42) und „Roberto“ (45), die beide anonym bleiben wollen. Sie seien in den 90er Jahren als 14- bis 16-jährige Teenager jeweils von Belo in dessen Residenz in Dili bzw. in ein Kloster eingeladen worden, wo es zu sexuellen Handlungen gegen ihren Willen gekommen sei; „Roberto“ sprach demnach von Vergewaltigung. Anschließend habe der Bischof den Jungen Geld gegeben. Es gebe zahlreiche Berichte von ähnlichen Fällen, so die Zeitung. Die Vorwürfe reichten bereits bis in Belos Zeit als Leiter des Bildungszentrums der Salesianer Don Boscos zurück, bevor er 1983 Bischof wurde.
Belo sei damals nicht nur das mächtige Oberhaupt der katholischen Kirche von Osttimor gewesen, sondern auch ein Nationalheld und ein Hoffnungsträger für die Menschen, sagte „Paulo“. Der Bischof habe seine Machtposition gegenüber Jungen missbraucht, die in extremer Armut lebten. Aus Angst und Scham hätten sie nicht über die Vorfälle gesprochen.
„De Groene“ sprach nach eigenen Angaben mit weiteren Betroffenen sowie mit 20 Personen, die Kenntnis von den Vorgängen gehabt hätten: Kirchenvertreter, Politiker, Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen und Fachleute. Die Recherchen hätten 2002 begonnen, als ein Mann aus Osttimor sagte, ein Freund sei von Bischof Belo sexuell missbraucht worden. Im November 2002 sei Belo dann überraschend zurückgetreten; wegen „körperlicher und geistiger Erschöpfung“, wie er damals sagte. Von da an seien Gerüchte über den angeblichen Missbrauch zu einem öffentlichen Geheimnis angewachsen, so das Magazin.
Carlos Filipe Ximenes Belo
Der katholische Bischof Carlos Filipe Ximenes Belo zählte zu den größten Helden des Freiheitskampfes in Osttimor. 1996 erhielt er den Friedensnobelpreis, gemeinsam mit dem Rebellenführer und späteren Staatspräsidenten Jose Ramos-Horta. Nach der Unabhängigkeit 2002 trat der Ordensmann der Salesianer Don Boscos als Bischof zurück und ging als Missionar nach Mosambik. In der Heimat genoss der heute 74-Jährige weiter höchstes Vertrauen.
Das südostasiatische Osttimor gehört zu den jüngsten Staaten der Welt. Seit die Nation 2002 ihre Unabhängigkeit von Indonesien erstritt, kämpft das bitterarme Land um wirtschaftlichen Aufschwung.
Belo wurde am 3. Februar 1948 als Sohn eines Lehrers geboren. Ab 1968 studierte Belo in Lissabon Philosophie; er trat dem Salesianerorden bei und kehrte zunächst als Lehrer zurück in die Heimat. Nach der indonesischen Annexion wählte er noch einen Umweg, studierte in Lissabon und Rom Theologie. 1981, inzwischen zum Priester geweiht, kehrte er erneut ins besetzte Osttimor zurück, wo der gegen den Völkermord engagierte Apostolische Administrator von Dili, Bischof Martinho da Costa Lopes (1977-1983), von der indonesischen Generalität mit massiven Drohungen aus dem Amt gedrängt wurde.
Als sein Nachfolger wurde schon damals der noch junge Priester Belo auserkoren, aber angesichts der lebensgefährlichen Zeiten erst 1988 zum Bischof geweiht und ins Amt gebracht. Belo führte den Kampf seines Vorgängers um internationale Aufmerksamkeit für die Gräuel in Osttimor fort. Im Februar 1989 verfasste er einen Brief an den damaligen UNO-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar, in dem er bereits eine Volksabstimmung über die Zukunft des Landes anregte.
Vatikan verhängte Disziplinarmaßnahmen gegen Bischof Belo
Der Vatikan hat 2020 und 2021 Disziplinarmaßnahmen gegen den katholischen Bischof und Friedensnobelpreisträger Carlos Filipe Ximenes Belo (74) verhängt. Das bestätigte der Vatikan am Freitag. Belo, früherer Bischof von Osttimor, wird jahrelanger Missbrauch von Jungen vorgeworfen. Laut Vatikansprecher Matteo Bruni hat sich „die Glaubenskongregation erstmals 2019 für den Fall interessiert“.
„In Anbetracht der Vorwürfe über das Verhalten des Bischofs“ habe sie im September 2020 Disziplinarmaßnahmen gegen den Friedensnobelpreisträger von 1996 verhängt. Dazu hätten „Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit und der Ausübung seines Amtes, sowie ein Verbot des Kontakts mit Minderjährigen“ gehört. Weiter sei ihm der Kontakt mit Osttimor verboten worden. 2021 seien diese Maßnahmen noch einmal angepasst und verschärft worden, so Bruni. In beiden Fällen habe Belo die Maßnahmen „förmlich angenommen“.
KNA
Timor-Leste