Mann bei Videokonferenz
Kolping-Projektarbeit unter Pandemiebedingungen

„Der Zusammenhalt ist gewachsen“

Köln ‐ Das zweite Pandemiejahr hat in der weltweiten Arbeit von Kolping International weiterhin viel Flexibilität gefordert. Doch die Krise hat auch zusammengeschweißt, wie die Vorstände Dr. Markus Demele und Karin Wollgarten berichten.

Erstellt: 09.10.2022
Aktualisiert: 04.10.2022
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Frage: 2021 war das zweite Pandemiejahr mit erschwerten Bedingungen. Wie viel Projektarbeit war möglich? Gab es schon ein gewisses „zurück zu normal“?

Dr. Markus Demele: Mehrheitlich war die Projektarbeit noch sehr von der Corona-Pandemie geprägt. Allerdings entwickelte sich eine enorme Ungleichzeitigkeit: In einigen Ländern waren die Regierungen sehr rigide und haben persönliche Treffen von mehreren Menschen verboten. Das führte dazu, dass sich dort viele Projektaktivitäten in die digitale Welt verlagerten, vor allem im Bildungsbereich. Das ist nicht immer ideal, aber besser, als wichtige Inhalte überhaupt nicht zu vermitteln. In anderen Regionen, insbesondere im ländlichen Raum, war eine erstaunliche Normalität bei der Umsetzung der Maßnahmen möglich. Gerade im Bereich der landwirtschaftlichen Förderung konnten unsere Partner viele Maßnahmen trotz Pandemie durchführen.

Frage: Konnten Lerneffekte aus dem Vorjahr das Arbeiten unter Pandemiebedingungen bereits erleichtern?

Demele: Ja. Nicht nur wir im Generalsekretariat, sondern auch unsere Partner vor Ort haben 2020 bereits einen großen Sprung im Bereich der Digitalisierung gemacht. Viele Absprachen und auch Gremiensitzungen finden mittlerweile als Videokonferenzen statt. Gerade da, wo Menschen schon länger erfolgreich miteinander zusammengearbeitet haben, klappen diese neuen Kommunikationswege erstaunlich gut. Und mit Sicherheit werden sie auch künftig helfen, Kosten zu reduzieren und an der einen oder anderen Stelle effizienter zusammenzuarbeiten.

Kolping-Hilfsaktion in Indien
Bild: © Kolping international

Corona-Hilfsaktion von Kolping-Partnern

Frage: 2020 hatte Kolping international umgehend einen Corona-Fonds eingerichtet, um Menschen, die durch die Pandemie in Not geraten sind, unterstützen zu können. Wie wichtig war diese Hilfe auch 2021 noch?

Karin Wollgarten: Wie wir erwartet hatten, sind die Spenden für den Kolping-Corona-Fonds 2021 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Aber dies korrespondierte auch mit der Entwicklung der Pandemie. Dennoch war es aufgrund der anhaltenden Not in vielen Ländern sehr wichtig, dass wir dank dieser Spendenmittel weiterhin Nothilfe leisten konnten. Hier hat die internationale Kolpinggemeinschaft wirklich Großes geleistet – sowohl auf Seite der Spenderinnen und Spender, als auch auf Seite derjenigen, die vor Ort engagiert waren, die zum Beispiel Lebensmittel als Überlebenshilfe verteilt haben. Das ist auch 2021 mancherorts noch geschehen. Der Corona-Fonds hat zum Beispiel aber auch geholfen, Bildungseinrichtungen zu erhalten. Dort, wo Schul- und Ausbildungsgebühren wegbrachen, konnten etwa die Angestelltengehälter weitergezahlt werden. Das war für einige Bildungseinrichtungen überlebenswichtig. Nach Beendigung der Restriktionen konnte dann umgehend weiter ausgebildet werden.

Ein Verband lebt von der Gemeinschaft. Doch die Pandemie erschwerte es den Mitgliedern lange Zeit, sich in ihren Kolpingsfamilien zu treffen. Hat der Zusammenhalt im Verband darunter gelitten?

Wollgarten: Ja, zu Kolping gehört Begegnung und Gemeinschaft fest dazu. Bei den Treffen der Kolpingsfamilien werden ja nicht nur Projekte besprochen, sondern es wird auch miteinander gelebt und gefeiert. Vielerorts wurden zwar sehr rasch und über alle Generationen hinweg digitale Austauschmöglichkeiten genutzt. Aber das kann persönliche Begegnungen natürlich nicht ersetzen. Trotzdem war während der Pandemie eine überwältigende Solidarität innerhalb der weltweiten Kolpinggemeinschaft spürbar, die sich nicht zuletzt in der großen Spendenbereitschaft für den Kolping-Corona-Fonds gezeigt hat. Viele Partnerverbände aus dem Globalen Süden haben uns berichtet, wie sehr die europäische Unterstützung sie in der Not aufgebaut hat. Man kann sogar sagen: Der Zusammenhalt ist gewachsen, das Gemeinschaftsgefühl im Verband wurde gestärkt. Aus Myanmar etwa kam kürzlich die Rückmeldung, dass ihnen die Nothilfe Mut gemacht hat, auch in schwierigen politischen wie pandemischen Situationen die Hoffnung nicht aufzugeben. Das Bewusstsein, nicht alleine zu sein, sondern Gleichgesinnte auf allen Kontinenten zu haben, verleiht offenbar viel Kraft.

Menschen verteilen Nahrungsmittel
Bild: © Christian Nusch/Kolping International

Frage: Ein Opfer der Pandemie ist auch die große Jubiläumswallfahrt im Oktober 2021, die erst verschoben und dann abgesagt wurde. Wird es einen Ersatz für diese große internationale Begegnung geben?

Demele: Die Jubiläumswallfahrt nach Rom wäre eine großartige Gelegenheit des Erlebens der weltweiten Kolpinggemeinschaft gewesen: Nach 30 Jahren an die Seligsprechung Adolph Kolpings 1991 in Rom zu erinnern und dies gemeinsam mit zahlreichen Mitgliedern aus aller Welt zu tun, darauf hatten sich alle gefreut. Leider waren verlässliche Planungen unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Umso freudiger blicken wir auf die nächste Generalversammlung, die im September 2023 in Köln stattfindet. In diesem Rahmen werden hoffentlich wieder viele Kolpingschwestern und Kolpingbrüder aus den Partnerländern zusammenkommen können.

Frage: Ende Oktober gab es an der internationalen Verbandsspitze einen wichtigen Personalwechsel: Mit Msgr. Christoph Huber kam nach zehn Jahren ein neuer Generalpräses.
Ein Anlass für neue Weichenstellungen?

Demele: Der Abschied von Msgr. Ottmar Dillenburg nach zehn Jahren Amtszeit fällt nicht leicht, weil wir so lange und vertrauensvoll zusammengewirkt haben. Die Verantwortung für das Internationale Kolpingwerk in seiner Größe und Vielfalt zu tragen, ist etwas, das nur im Team gut gelingen kann. Darum sind wir froh und dankbar, dass mit Christoph Huber ein Generalpräses nach Köln gekommen ist, der aus seiner langjährigen Arbeit in Bayern das Leben und Wirken der Kolpingsfamilien kennt und eine große Leidenschaft für die weltweite Kolpingarbeit mitbringt. Er hat selber eine Zeitlang in Simbabwe gelebt und war durch die Partnerschaft von Kolping in der Diözese München und Freising auch eng mit Ecuador verbunden. Die ersten Monate des gemeinsamen Arbeitens zeigen schon jetzt, dass bei Kolping international weiterhin ein starkes Team zusammenarbeitet. Die Aufgaben im Generalpräsidium und damit auch im Vorstand von Kolping international Cooperation e.V. wurden dafür neu verteilt, damit wir die notwendigen Innovationen, die unsere Arbeit ständig begleiten, möglichst schnell umsetzen können.

Msgr. Christoph Huber, Generalpräses von Kolping international, bei einem Besuch in Serbien
Bild: © Kolping international

Msgr. Christoph Huber, Generalpräses von Kolping international, bei einem Besuch in Serbien.

„Nach 30 Jahren an die Seligsprechung Adolph Kolpings 1991 in Rom zu erinnern und dies gemeinsam mit zahlreichen Mitgliedern aus aller Welt zu tun, darauf hatten sich alle gefreut.“

—  Zitat: Dr. Markus Demele, Generalsekretär von Kolping international

Frage: Welche Arbeitsschwerpunkte oder besondere Ereignisse stehen bei Kolping international 2022 an?

Wollgarten: Das Jahr 2022 steht im Dienst der Bestandsaufnahme, wie die Kolpingsfamilien weltweit durch die Corona-Zeit gekommen sind. Einige Projektbesuche konnten bereits stattfinden, andere Reisen stehen kurz bevor. Dabei wird es weiterhin unsere Aufgabe sein, die internationale Kolpinggemeinschaft für möglichst viele Menschen zu einem Raum zu machen, in dem persönliche Entwicklung möglich ist. Dies gelingt am besten in lebendigen Partnerschaften zwischen verschiedenen Regionen, unterstützt durch professionelles Projektmanagement – durch die Partner vor Ort wie auch im Generalsekretariat. Die kommenden Monate stellen uns zudem vor die Herausforderung, weitere Finanzierungsquellen zu erschließen, damit die Projektideen der Partner im Globalen Süden realisiert werden können. Das verbandliche Wachstum, sowohl im Bereich der Mitgliedschaft, aber auch im Wachstum der Spenden, macht uns da großen Mut. Voller Dankbarkeit schauen wir auf das Vertrauen, das uns im Verband entgegengebracht wird.

Erst kam die Corona-Krise, nun der Ukraine-Krieg mit seinen weltweiten Folgen. Haben die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen? Und findet das in den Haushalten der Bundesrepublik Berücksichtigung?

Demele: Die Entwicklungszusammenarbeit gerät mit Sicherheit unter den Druck knapper öffentlicher Haushalte. Die sogenannte Zeitenwende wird es nicht leichter machen, Maßnahmen der Armutsreduzierung durch öffentliche Mittel zu finanzieren. Doch dieser Bereich der internationalen Partnerschaftsarbeit ist unverzichtbar. Nicht nur, um unseren eigenen Werten als Europäerinnen und Europäern gerecht zu werden, sondern auch, um ein friedliches Zusammenleben auf diesem Planeten zu ermöglichen. Eine Kernerkenntnis der vergangenen Monate, gerade mit Blick auf die verschiedenen Krisen, ist, dass KOLPING durch seine weltweite Struktur ein Netzwerk entwickelt hat, in dem schnell, effizient und nachhaltig geholfen werden kann. Damit sehen wir uns immer wieder auch in der Pflicht, in der Not dort zu
unterstützen, wo wir eben diese starke Strukturen haben.

Von Kolping international cooperation e.V.

Dieser Text stammt aus dem Jahresbericht von Kolping international cooperation e.V.

Wir danken für die Erlaubnis zur Übernahme.