
Großstädte stellen Kirche weltweit vor neue Herausforderungen
Leipzig ‐ So verschieden die Situationen in Leipzig, in Nairobi oder in den Großstädten von Papua-Neuguinea auch sind – manche Parallelen ergeben sich für die Kirche im urbanen Raum heute dennoch, wie eine Tagung zeigte.
Aktualisiert: 05.10.2022
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Mit der von Papst Franziskus auf den Weg gebrachten Weltsynode hat ein globaler Prozess intensiver Selbstreflexion der katholischen Kirche begonnen. Dabei geht es um Teilhabe, Selbstverständnis und Herausforderungen der Kirche im 21. Jahrhundert. Sie gestalten sich in den verschiedenen Regionen unterschiedlich. Von Leipzig aus richtete am Donnerstag eine Hybrid-Tagung des internationalen Hilfswerks Missio Aachen und der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen den Fokus auf die kirchlichen Anforderungen in urbanen Regionen auf verschiedenen Kontinenten. Gemäß dem Wort des biblischen Propheten Jeremias: „Suchet der Stadt Bestes“, dem Motto des diesjährigen „Monats der Weltmission“.
Der Bochumer Theologe Thomas Söding wies zu Beginn darauf hin, dass die großen Städte für die Ausbreitung des Christentums von Anfang an wichtig waren: „Sie fordern in krassen sozialen Gegensätzen die Option für die Armen, sie sind ein Schmelztiegel diverser Kulturen, in denen das Evangelium Jesu Christi nicht selbstverständlich ist.“ Die soziologischen Entwicklungen zeigten: „Die Metropolen müssen sich vom Moloch der Großstadt zu Ökosystemen solidarischer Gemeinschaft wandeln, die allen Menschen guten Willens offenstehen.“
Die katholische Kirche trage dabei eine große Verantwortung – aber sie werde ihr nur gerecht, „wenn sie gut aufgestellt ist“, betonte Söding. Ihre Berufung, „der Einigung der Menschen mit Gott und untereinander zu dienen“, sei dabei Chance und Verpflichtung zugleich.
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Dialog und Aussöhnung zwischen Religionen und Kulturen
Der emeritierte katholische Erzbischof Antonio Ledesma von Cagayan de Oro (Philippinen) berichtete von der stark multireligiösen Prägung asiatischer Städte. Zwar gebe es damit einen Sinn für das Religiöse, aber auch Diskriminierung, Verurteilung und Gewalt: „In diesem Kontext lebt die katholische Kirche, als sehr kleine Minderheit.“ Die Geschichte des Kolonialismus stelle eine zusätzliche Herausforderung dar, ebenso die aktuelle Gesundheits-, Wirtschafts- und Klimakrise.
Die Kirche versuche ganz konkret darauf zu reagieren, so Ledesma: „Wir haben Gemeinschaftsküchen gegründet, setzen uns für das Abfall-Management ein, bieten soziale Dienste und Beratungen an.“ Die kulturelle Transformation und religiöser Extremismus seien jedoch dauerhafte Krisenherde. „Deshalb engagieren wir uns für Dialog und ein Aussöhnen zwischen Religionen und Kulturen. Etwa durch Jugend-Camps.“
Dialog und Bündnisse
Ähnliches berichtete Isabelle Faucon, Mitglied des Synodenteams in Marseille. Man dürfe sich nicht von den Postkartenbildern der französischen Hafenstadt täuschen lassen: Nirgendwo sonst in Frankreich sei das Gefälle zwischen arm und reich so stark. Auch hier sei der vermittelnde Dialog zwischen den Religionen ein wichtiges Projekt, angestoßen vom Bürgermeister. Auch er habe ein Bündnis von zivilen und kirchlichen Verantwortlichen gegründet, um Umweltprobleme anzugehen. Zudem hätten Katholiken und Protestanten eine Initiative für Flüchtlinge ins Leben gerufen, die über das Mittelmeer in die Stadt kommen. Wichtig sei Offenheit nach außen und für die gesellschaftlichen Realitäten, hob Faucon hervor.
„Die Metropolen müssen sich vom Moloch der Großstadt zu Ökosystemen solidarischer Gemeinschaft wandeln, die allen Menschen guten Willens offenstehen“
Ringen um konkrete Lösungen
Ein Aspekt, den auch Leipzigs leitender katholischer Pfarrer, Propst Gregor Giele, hervorhob. Er schilderte Erfahrungen der vor kurzem beendeten einjährigen Stadtsynode, in der es um die Leitfrage ging: „Was nehmen wir Christen als unseren Auftrag in und für Leipzig wahr?“ Dabei sei auch um konkrete Lösungen gerungen worden.
Giele nahm es als ein „Aufatmen“ unter den Teilnehmenden wahr, sich mit etwas anderem als binnenkirchlichen Problemen zu beschäftigen. Einige hätten es als Rückbesinnung auf den „eigentlichen Auftrag“ empfunden: sich mit den Fragen der Menschen in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Krisensituation, ihren Existenzängsten auseinanderzusetzen.
Besonders krass sind solche Existenzängste in Nairobis größtem Slum Kibera. Der Ordensmann Firmin Koffi berichtete über das Ausbildungszentrum für Missionare, das er dort mit Mitbrüdern leitet. Ziel sei es, den Menschen im Slum „ein Leben in Würde“ zu ermöglichen. Dabei komme es vor allem auf Empathie an. „Am besten gelingt das alles, wenn man Alltag miteinander teilt und lebt.“