100 Millionen Dollar waren versprochen

USA: Nachfahren früherer Sklaven fordern zugesagte Entschädigung von Jesuiten

Washington D.C. ‐ Um die Georgetown University finanziell zu sanieren, verkauften Jesuiten schwarze Arbeiter als Sklaven. Den Nachfahren hat der Orden hohe Entschädigungen versprochen. Doch 180 Familien warten immer noch darauf.

Erstellt: 24.08.2022
Aktualisiert: 21.09.2022
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Joseph Stewart nimmt kein Blatt vor den Mund. Die Jesuiten hätten ihren Worten keine Taten folgen lassen, schrieb der Stiftungsvorsitzende der Wahrheits- und Versöhnungsinitiative vergangene Woche an den Generaloberen der Jesuiten, Arturo Sosa. Es geht um ein historisches 100 Millionen Dollar schweres Entschädigungsprogramm der Jesuiten für die Nachfahren der Sklaven, deren Verkauf einst das wirtschaftliche Überleben der renommierten Washingtoner Georgetown University gesichert hatte. Gemessen an den großen Versprechen ist bislang wenig passiert.

Stewart, der selbst ein Nachfahre der Sklaven von Georgetown ist, sieht Hardliner am Werk, die den Standpunkt vertreten, die Jesuiten hätten nie jemanden versklavt und seien deshalb auch niemandem etwas schuldig. „Sie werden versuchen, die Versöhnung für weitere 200 Jahre auf die lange Bank zu schieben.“ Die Stellungnahme der Jesuitenkonferenz der USA und Kanada fiel eher unkonkret aus. Sie teilten die Sorge von Stewart, schrieb Präsident Brian G. Paulson, über das schleppende Tempo. Mehr nicht.

Schon Wochen zuvor hatte sich Stewart an den Vatikan gewandt und vor einem Ende der Zusammenarbeit zwischen der Stiftung und dem Orden gewarnt. Dann sei man wieder da, wo das Verhältnis vor 180 Jahren war. Die öffentlichen Vorwürfe kamen überraschend, nachdem vor anderthalb Jahren die Zusammenarbeit zwischen den Nachkommen und dem Orden und die gemeinsame Gründung der Wahrheits- und Versöhnungsstiftung bekanntgegeben worden war.

Die Jesuiten verpflichteten sich dabei, innerhalb von fünf Jahren 100 Millionen Dollar aufzubringen. Mit dem Geld sollen Bildungsmöglichkeiten für Nachkommen finanziert werden; die Stiftung soll die Mittelbeschaffung und die Vergabe überwachen. Kirchenführer sprachen von einem der größten Versuche der katholischen Kirche, das Verbrechen der Sklaverei zu sühnen. Doch inzwischen stockt das Projekt.

Neben einer ersten Starteinlage von 15 Millionen Dollar sind bislang 180.000 Dollar an Kleinspenden eingegangen. Erlöse aus dem Verkauf von Grundstücken, die 57 Millionen Dollar einbrachten, lassen entgegen der Zusage, sie in den Fonds einzubringen, auf sich warten. Stewart fordert nun, die Gewinne aus den Geschäften der Stiftung bis Weihnachten endlich in den Fonds einfließen zu lassen.

Gut dokumentiert

Viele Universitäten machten sich während der Sklavenzeit schuldig, jedoch ist die zweifelhafte Vergangenheit der Georgetown University in Washington besonders gut dokumentiert – ein Verdienst des ehemaligen Georgetown-Studenten Richard Cellini. Der katholische Unternehmer hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das dunkle Kapitel seiner Alma Mater aufzuklären. Historiker seines privat finanzierten „Georgetown Memory Project“ hatten die Verstrickung der Jesuiten 2016 mit Fakten belegt.

272 Schwarze, die damals auf den Plantagen der Jesuiten in Maryland arbeiteten, verkaufte die Hochschule 1838 als Sklaven nach Louisiana. 3,3 Millionen Dollar flossen in die Ordenskasse. Die junge Universität war wirtschaftlich saniert. Die Idee dazu stammte von zwei Jesuiten. Dem Generaloberen der Jesuiten in Rom wurde versprochen, Familien würden nicht getrennt und auch unter den neuen Besitzern sei der katholische Glaube gesichert. Spätere Inspektionsreisen bestätigten das Gegenteil. Der frühere Präsident der Jesuitenkonferenz der USA und Kanada, Tim Kesicki, nannte den Sklavenhandel des Ordens eine schwere Sünde.

Schwierigkeiten, ihrer Verantwortung gegenüber den Nachfahren ehemaliger Sklaven nachzukommen, hat auch die Erzdiözese Virginia der Episkopalkirche der Vereinigten Staaten. Die Kirche entschied im November, zehn Millionen US-Dollar zur Verfügung stellen. Die Auszahlung scheitert bisher intern an der Frage, ob das Geld in „Rassenversöhnung“ oder in „Entschädigungen“ investiert werden soll. Letzteres stößt auf Widerstand. Virginia war ein Zentrum des Sklavenhandels. Wie die Jesuiten von Georgetown hatten Bischöfe, Priester und Gemeinden der Episkopalkirche Schwarze versklavt.

Die Nachfahren von Georgetown fordern indes mehr als nur Entschädigungszahlungen. Sie verlangen eine Entschuldigung von Papst Franziskus, wie er sie im Juli gegenüber den Indigenen in Kanada äußerte.

Von Bernd Tenhage (KNA)