Symbolbild Visum in einem Reisepass
„Auswärtiges Amt und Ministerin Baerbock müssen Praxis beenden“

Missio: Deutsche Botschaften in Nigeria und Kenia diskriminieren junge Menschen aus Afrika

Aachen ‐ Missio-Präsident Dirk Bingener hat das Auswärtige Amt und Außenministerin Baerbock für die Visavergabepolitik mehrerer Auslandsvertretungen kritisiert. Zuvor hatten die Botschaften Teilnehmenden eines kirchlichen Jugendaustauschs die Einreiseerlaubnis verweigert.

Erstellt: 19.09.2022
Aktualisiert: 27.09.2022
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Das katholische Missionswerk Missio Aachen wirft den deutschen Botschaften in Nigeria und Kenia Diskriminierung junger Afrikanerinnen und Afrikaner vor, die keine Visa für kirchliche Jugendbegegnungen in Deutschland erhalten.

„Wir haben kirchlich engagierte junge Menschen aus diesen Ländern nach Deutschland eingeladen. Während Visa für Ältere erteilt werden, trifft es immer die jungen Leute. Ihnen wird, weil sie jung sind, pauschal eine fehlende Rückkehrbereitschaft unterstellt. Die Vorgehensweise der Botschaften variiert: Mal gibt es erst gar keinen Termin bei der Botschaft, die Echtheit der Dokumente wird angezweifelt, man verlangt immer weitere Dokumente oder der Ermessensspielraum des jeweiligen Botschaftsmitarbeiters wird angeführt. Das Ergebnis aber lautet immer: Keine Visa, obwohl alle Garantien aus Deutschland vorliegen. Diese Schikanen, diese diskriminierende Praxis aufgrund des Lebensalters muss endlich aufhören. Das Auswärtige Amt und an ihrer Spitze Frau Ministerin Baerbock sind hier in der Pflicht“, fordert Pfarrer Dirk Bingener, Präsident von Missio Aachen. 

Im vergangenen Jahr waren davon Jugendliche aus einem Missio-Partnerprojekt in Nigeria betroffen. In diesem Jahr trifft es junge Menschen des kenianischen Missio-Partners YOUNIB, der katholische Jugendsozialarbeit in den Armenvierteln von Nairobi betreibt. Die ehrenamtlich in dem Projekt Engagierten sollten zum Monat der Weltmission nach Deutschland kommen. Dort wollten sie mit Mitgliedern der Missio-Jugendinitiative #strongbymissio über soziale Gerechtigkeit, Jugendsozialarbeit, demokratische Bildungsarbeit und ihren Glauben ins Gespräch kommen.

„Wir sollten Brücken bauen, und nicht Grenzen errichten“

Die 22-jährige Gloria Munyiva Wambua ist eine der Betroffenen. „Ich bin zutiefst traurig und untröstlich. Monatelang haben wir die Begegnung vorbereitet. Wir haben alle Anforderungen des Visaprozesses erfüllt. Trotzdem wurden sie abgelehnt, das ist eine große Ungerechtigkeit“, sagt Gloria Wambua. „Wir lieben Afrika und wir sind dieses Afrika. Wir haben unsere Familien, die Gesellschaft und die Kirche hier in Kenia, die uns brauchen und die wir brauchen. Wir wollen durch interkulturelle, generationenübergreifende und interreligiöse Begegnungen Brücken bauen, und nicht Grenzen errichten. Wir wollen ein starkes, modernes Kenia aufbauen. Wir wollen bei uns Zusammenarbeit, Heilung, Vergebung und Hoffnung fördern, damit sich alle für das Gemeinwohl einsetzen. Deshalb wäre die Erfahrung des Jugendaustausches mit Deutschland für unsere jungen Menschen aus den Slums in Nairobi so wichtig. Wir wollten in Deutschland voneinander lernen und unsere Erfahrungen teilen“, fährt Munyiva fort.

„Wunde der kolonialen Schrecken neu aufgebrochen“

„Wir sind junge Afrikanerinnen und Afrikaner und leiden unter den kolonialen Schrecken der Vergangenheit. In einer Zeit, in der die Begegnung mit anderen Kulturen beispielsweise in Deutschland diese Wunde heilen könnte, hat die Ablehnung der Visa diese Wunde aber bei mir verschlimmert und sie ist neu aufgebrochen“, berichtet die 22-Jährige weiter. Sie kann nicht verstehen, dass junge Menschen aus Deutschland in diesem Jahr problemlos YOUNIB in Nairobi besuchen konnten, umgekehrt aber nicht. „Diese Verweigerung der Visa tut mir im Herzen richtig weh. Vielleicht aber ändern die deutschen Behörden doch noch ihre Vorgehensweise“, hofft Gloria Munyiva.

Auch andere Organisationen betroffen

Diese von Missio jetzt mehrmals gemachte Erfahrung mit deutschen Botschaften im Globalen Süden teilten in den vergangenen Jahren auch andere zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland. Selbst nach dem Regierungswechsel änderte sich diese Praxis offenbar nicht, auch wenn in der Vergangenheit von Baerbocks ParteiBündnis 90/Die Grünen genau diese Praxis zu Recht kritisiert wurde. „Angesichts der Notwendigkeit des Austauschs in dieser unfriedvollen Zeit und aufgrund der sowieso schon gegebenen Corona-Reiseeinschränkungen der vergangenen beiden Jahre, können wir es uns schlicht nicht mehr leisten, die internationale Begegnung junger Menschen, die sich für eine bessere Welt einsetzen, staatlich zu verhindern“, so Pfarrer Bingener.

Auswärtiges Amt weist Vorwürfe zurück

Auf Anfrage unseres Partnerportals katholisch.de hat das Auswärtige Amt dem Vorwurf der Diskriminierung junger Menschen aus Afrika widersprochen. Die deutschen Auslandsvertretungen entschieden über Schengen-Visaanträge in jedem Einzellfall nach Maßgabe der geltenden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften und sorgfältiger Prüfung aller Umstände. Man könne versichern, dass keine anderen als rein rechtliche Vorgaben eine Rolle spielten bei der Entscheidung über einen Visumsantrag, hieß es in der Stellungnahme.

Missio bekräftigt Vorwürfe

In einer Stellungnahme vom Dienstag (20.09.2022) hat das katholische Hilfswerk Missio Aachen der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes auf dem Nachrichtenportal katholisch.de zum Vorwurf der Diskriminierung von jungen Afrikanerinnen und Afrikanern bei der Vergabe von Visa für den kirchlichen Jugendaustausch klar widersprochen. 

Wer als junger Mensch keinen Ehepartner und keine eigenen Kinder gegenüber der Botschaft nachweisen könne und nicht über finanzielle Rücklagen, beispielsweise einen Immobilienbesitz, verfüge, dem werde offenbar pauschal eine fehlende Rückkehrbereitschaft unterstellt. Diese Kriterien aber zum Maßstab der Rückkehrbereitschaft und damit zur Erteilung der Visa zu machen, sei „vollkommen widersinnig“, weil junge Menschen in dieser Lebensphase in der Regel weder verheiratet seien noch eigene Kinder hätten. „De facto werden so junge Menschen aufgrund ihres Lebensalters diskriminiert“, heißt es in der Stellungnahme. Diese diskriminierende Praxis müsse aufhören.

Auf Unverständnis stoße, so Missio Aachen, auch die Einlassung des Auswärtigen Amtes, „die Verpflichtungserklärung könne nicht als Nachweis der Rückkehrwilligkeit des Antragsstellenden herangezogen werden.“ Dies sei zwar richtig, aber darum gehe es gar nicht. „Bei der Verpflichtungserklärung bestätigt die einladende Organisation auch dann für Kosten aufzukommen, sollte der Eingeladene nicht in sein Heimatland zurückkehren. Ohne diese weitreichenden Garantien wäre ein Visabegehren sowieso aussichtlos“, betont Missio Aachen.

21.09.2022: Stellungnahme Missio Aachen hinzugefügt

Von Missio Aachen/weltkirche.de

Visavergabe: Auswärtiges Amt weist Vorwürfe von Missio Aachen zurück (katholisch.de)

Nach der Kritik von Missio Aachen an der Praxis der Visavergabe deutscher Botschaften in Afrika widerspricht das Auswärtige Amt dem Vorwurf der Diskriminierung junger Afrikaner. Bei der Visavergabe spielten nur rechtliche Vorgaben eine Rolle.