Staatsschuldenkrisen: Nicht nur in der Eurozone
Es gibt einfachere Themen der globalen Solidarität als die Schulden von Staaten bei ihren ausländischen Gläubigern – aber nur wenige, die so umfassenden Einfluss haben auf das Leben der Armen.
Aktualisiert: 30.03.2023
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Es gibt einfachere Themen der globalen Solidarität als die Schulden von Staaten bei ihren ausländischen Gläubigern – aber nur wenige, die so umfassenden Einfluss haben auf das Leben der Armen. Seit dem Ausbruch der „Dritte-Welt"-Schuldenkrise sind diese Finanzbeziehungen deshalb ein wichtiges Thema für Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und Aktionsgruppen geworden.
Eine wichtige Erfahrung dabei war und ist, dass einfache Leute, Ortsgemeinden und Initiativen gemeinsam etwas bewegen können. Sie können auf das Geschehen an Finanzmärkten und in den verantwortlichen Ministerien und Organisationen wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds Einfluss nehmen – und das mit Erfolg:
Auf die internationale Politik Einfluss nehmen
1999 erzwang die weltweite Mobilisierung von den bis dahin erlass-unwilligen G8-Regierungen eine weitreichende Streichung der Schulden der ärmsten Länder. Rund 120 Milliarden US-Dollar wurden (und werden noch immer) aus den Büchern von Regierungen, Banken und Finanzinstitutionen gestrichen – bei Gesamtschulden aller Entwicklungs- und Schwellenländer von inzwischen gut 4000 Milliarden US-Dollar nur eine begrenzte Entlastung, aber sie zeigt, dass Unterschriftensammlungen, Briefe Schreiben, Mahnwachen und Bankenblockaden nicht vergeblich sein müssen.
2007 brachte eine Kampagne von Nichtregierungsorganisationen aus Ländern, die sich vor noch nicht allzu langer Zeit von Diktaturen befreit hatten, das Thema "Illegitime Schulden" auf die Tagesordnung. Die Folge: Es wurden unter anderem vom deutschen Bundestag und der Weltbank Anhörungen darüber organisiert, ob die Bevölkerung eines Landes eigentlich die Kugeln, mit denen auf sie geschossen wurde, auch noch bezahlen soll. Ein Ergebnis: Die UNO entwirft heute Regeln für eine verantwortliche Kreditvergabe, die solche fragwürdigen Kredite in Zukunft ausschließen sollen. Nichtregierungsorganisationen arbeiten derweil an dem Konzept von Schulden-Audits, mit denen die Berechtigung von Gläubigerforderungen kritisch und transparent untersucht werden soll.
Wirksame Entschuldung setzt veränderte Spielregeln voraus
Dass Initiativen, Kirchen und Aktionsgruppen durch ihr Engagement und ihren unermüdlichen Einsatz gegen die ungerechten Forderungen von Gläubigern vorgehen können, war eine wesentliche Erkenntnis. Vor allem aber wurde gelernt, dass wirksame Entschuldung eine Veränderung der Spielregeln zwischen Gläubigern und Schuldnern voraussetzt und nicht nur einzelne Erlasse. Wie andere Schuldner auch müssen Staaten Zugang zu rechtsstaatlichen Verfahren haben, wenn sie in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Solange aber die Gläubiger selbst darüber befinden, ob und wann sie Schulden streichen, werden Insolvenzen ebenso weiterverschleppt, private Investoren gerettet und die ärmsten Bürger eines überschuldeten Staates zu Kasse gebeten.
Für erlassjahr.de, das Nachfolgebündnis der Erlaßjahr2000-Kampagne, dem zur Zeit rund 700 Kirchen, Gemeinden, Diözesen, Entwicklungsorganisationen und Aktionsgruppen angehören, ist daher die Forderung nach einem fairen und transparenten Entschuldungsverfahren der Schlüssel für eine nachhaltige Lösung des Schuldenproblems. Und auch an diesem Punkt gibt es Fortschritte: Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet, auf ein solches rechtsstaatliches Verfahren hinzuarbeiten – ebenso wie die Regierungen Norwegens und der Schweiz. Weltweit arbeiten Nichtregierungsorganisationen daran, eine solche Verpflichtung für alle Mitglieder der G20 bei ihrem nächsten Gipfel in Russland verbindlich zu machen.
Stand: 01/2015
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