Eingang zu den Domitilla-Katakomben in Rom, dem größten System der rund sechzig antiken Katakomben der Stadt.
Blog zum 50. Jahrestag

Den Katakombenpakt erinnern und erneuern!

Rom ‐ Vom 11. bis 17. November 2015 wurde mit einer internationalen Versammlung in Rom an die Unterzeichnung des Katakombenpaktes vor 50 Jahren erinnert. An den Feierlichkeiten nahm auch Franz-Thomas Sonka aus dem Bistum Münster teil. In einem Blog berichtete er von der Veranstaltung.

Erstellt: 17.12.2015
Aktualisiert: 05.09.2022
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Vom 11. bis 17. November 2015 wurde mit einer internationalen Versammlung in Rom an die Unterzeichnung des Katakombenpaktes vor 50 Jahren erinnert. An den Feierlichkeiten nahm auch Franz-Thomas Sonka aus dem Bistum Münster teil. In einem Blog berichtete er von der Veranstaltung.

Von Franz-Thomas Sonka, Bistum Münster als Blog für weltkirche.de

Die Zeichen der Zeit erkennen

Rom. - Mittwochabend (11.11.2015) in der Casa La Salle an der Via Aurelia in Rom. Fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer und die Referenten der 50-Jahrfeier „Hoffnung und Widerstand – Katakombenpakt erinnern und erneuern!“ sind eingetroffen. Sie kommen aus Ländern in Lateinamerika, Afrika und Asien, die größte Gruppe aus dem deutschsprachigen Raum in Europa. So konnte Michael Ramminger, Theologe am Institut für Theologie und Politik in Münster, pünktlich das Programm eröffnen.

Unter großem Beifall der etwa 250 Beteiligten wurden die schon anwesenden Bischöfe begrüßt,  Luigi Bettazzi (91), letzter noch lebender Erstunterzeichner des Katakombenpaktes, früherer Weihbischof von Bologna (1963–66) und Bischof von Ivrea (1966–99), und Erwin Kräutler (76), seit 1980 Bischof von Xingu/Brasilien, der sich vor allem für die Menschrechte der indigenen Bevölkerung einsetzt.

Bild: © Sonka/Bistum Münster

Einführungsvortrag 50-Jahr-Feier des Katakombenpakts

„Zurück in die Katakomben? Ein not-wendiger Schritt“

Michael Rammingers Einführungsvortrag stand unter dem Thema „Zurück in die Katakomben? Ein not-wendiger Schritt“. Er schlug den Bogen von den Ereignissen des Konzils bis in die Gegenwart. Erinnerung sei nie nostalgisch, sondern immer eine Herausforderung für Gegenwart und Zukunft. Das Anliegen der zukunftsweisenden Konstitutionen „Gaudium et spes“ und „Lumen gentium“,  als Kirche immer die Armen, Notleidenden und Bedrängten in den Mittelpunkt zu stellen, sei in der Geschichte häufig in Vergessenheit geraten. Der Traum von einer Kirche, die nicht mit Machthabern und Herrschenden ein Bündnis eingehe, sei während des Konzils durch die Selbstverpflichtungen der Unterzeichner des Katakombenpakts zum Ausdruck gebracht worden und nie ganz in Vergessenheit geraten. Die Öffentlichkeit warte bis heute und mehr denn je darauf, dass sich die vatikanische Kirche zu einer demokratischeren wandelt. Hoffnung, Utopien und Glaube scheinen in unserer Zeit aus den Religionen ausgewandert zu sein, aber mit Papst Franziskus, der die Zeichen der Zeit erkennt, bekämen Solidarität und Gerechtigkeit eine neue Bedeutung innerhalb der Kirche. Der Katakombenpakt habe vor 50 Jahren die Perspektive und Hoffnung entwickelt, das Christentum als ein Wagnis zu betrachten, Gerechtigkeit und Solidarität wirksam werden zu lassen.

Die beiden Hauptvorträge des Abends standen unter dem Motto „Vom Katakombenpakt zum ‚Franziskus-Projekt‘“ und wurden  von Pfarrer Norbert Arntz, Initiator der Veranstaltung aus Kleve im Bistum Münster, und Marco Politi, deutsch-italienischer Journalist und international bekannter Vatikanexperte aus Rom, gehalten.

Pfarrer Norbert Arntz, Initiator der 50-Jahr-Tagung zum Katakombenpakt
Bild: © Privat

Norbert Arntz hat noch einmal den Gedanken aufgegriffen, dass Erinnerung keine Nostalgie sei. Sie befreie aus dem Gefängnis der Gegenwart und lehre uns, dass es in der Geschichte immer auf uns ankomme, dabei aber nie ganz von uns abhänge. Die Erinnerung an den Katakombenpakt und dessen Entstehungsprozess bedeute nicht, die Vergangenheit zu romantisieren, sondern stehe immer in der Spannung zwischen einer dienenden und einer herrschenden und mächtigen Kirche. Arntz betonte, dass es nie leicht sei, sich von den Bürden der Geschichte zu befreien. Das sei vor 50 Jahren so gewesen und sei noch heute so. Er zitierte in diesem Zusammenhang aus den Briefen des brasilianischen Erzbischofs Hélder Câmara, in denen er schrieb, wie er schmerzhaft die Abschlussfeier der Zweiten Konzilsperiode am 4. Dezember 1963 im Petersdom erlebt hatte: „Ganz genau auf der Höhe des kolossalen Reiterdenkmals von Konstantin traten wir in St. Peter ein. […] Wer hat behauptet, die konstantinische Ära sei vorbei? Während der ganzen Zeremonie – es war für mich ein Alptraum – sah und hörte ich das steinerne Pferd durch die Basilika galoppieren. Es trug den bedauernswerten König, der wie ein trauriges Symbol für eine Epoche wirkte, die wir längst hinter uns gelassen haben wollten. Aber da ist sie noch – höchst lebendig…“

Das Ende der konstantinischen Ära

Die Gruppe, die sich während des Konzils unter dem Namen „Kirche der Armen“ traf und schließlich den Katakombenpakt beschloss, wollte mit dieser Epoche endgültig aufräumen und ihr ein Ende setzen. Das wäre sozusagen die Geburtsstunde der Option für die Armen gewesen, auch wenn dieser Begriff erst später in der Versammlung der Lateinamerikanischen Bischofskonferenzen in Medellín 1968 kirchlich formuliert wurde. Die Selbstverpflichtungen des Katakombenpaktes seien dafür die Grundlage gewesen – nicht paternalistisch, sondern als eine Option, die aus dem Evangelium hergeleitet und in die Strukturen und Institutionen der Kirche eingebracht worden sei. Ziel einer armen Kirche sei die österliche Kirche der Befreiung aller Menschen. Und diesen radikalen Wandel wolle Papst Franziskus heute vollziehen, wie in vielen seiner Aussagen zum Teil radikal deutlich würde.

Die Vision von Franziskus

Marco Politi griff diesen Gedanken des Wunsches nach Veränderungen von Papst Franziskus auf. Zunächst aber erläuterte er, dass die Katakomben für ihn kein düsterer und negativer Ort seien, sondern ein Ort, an dem das frühe Christentum die Anfänge der christlichen Kunst entwickelt habe. So müsse man auch den Katakombenpakt sehen: Hier hat etwas seine Anfänge gefunden, das später erblühen und Früchte tragen werde. In diesem Kontext konnte Papst Franziskus, wie er es wenige Tage nach seiner Wahl getan hat, sagen „Ich wünsche mir eine arme Kirche für die Armen.“ Der Papst höre nicht auf zu betonen, dass der Bischof und das Volk zusammen gehören. Etwas ganz Neues entwickle sich mit diesem Papst, das an den Katakombenpakt denken ließe: Die Menschen auf dem Petersplatz würden kaum noch wie früher „Viva il Papa“ rufen, sondern einfach nur „Grazie! – Danke!“. Die Vision von Franziskus sei eine synodale Kirche, die eine monarchische und hierarchische ablöse. Ob sich Franziskus aber mit seinen Visionen in der vatikanischen Kirche durchsetzen könne, sei für Politi sehr fraglich. Die Gruppe der stillen und abwartenden Gegner sei groß, die Zahl der Befürworter sehr gering. Das zeige sich in vielen Ereignissen der jüngsten Zeit, unter anderem bei der Synode. Franziskus brauche im Moment den Rückhalt aus dem Kirchenvolk. Das sei auch ein Grund für ihn gewesen, das Jahr der Barmherzigkeit auszurufen. Und er betone zurzeit wie noch beim Angelus am vergangenen Sonntag vehementer denn je, dass er es mit den Reformen und deren Umsetzung sehr ernst meine.

Auf die Frage, ob Franziskus die Anliegen des Katakombenpaktes aufgreife, antwortete Norbert Arntz, es gäbe darüber kein Protokoll, dass er ihn zu seinem Programm gemacht habe. Aber in Äußerungen und bei Entscheidungen fänden sich Hinweise, dass er ihn für eine veränderte Situation und Zeit von heute wieder aufgreife. Der Katakombenpakt fordere auf, zu den Wurzeln zurück zu gehen, und das wolle auch der Papst. Er ziele auf eine pastorale Umkehr sowohl kirchenamtlich als auch strukturell und in kirchlichen Handlungsweisen. Marco Politi weist in diesem Zusammenhang abschließend darauf hin, dass der Papst wisse, wovon er spräche. Er käme aus einer Millionenstadt und sei regelmäßig wöchentlich in die Niederungen dieser Stadt hinabgestiegen. Er kenne die Armen und deren Lebenssituation.

Katakombenpakt

Konzil, Reich Gottes und Kirche der Armen

Rom ‐  Mit einer Bibelarbeit des Theologen Kuno Füssel zur Prophetie der Armen am Beispiel des Propheten Amos begann am Donnerstag (12.11.2015) der zweite Tag der Veranstaltungen zum Katakombenpakt in Rom. Anschließend führte Julia Lis, Theologin am Institut für Theologie und Politik in Münster, in das Thema des Vormittags mit den Worten ein: „Wie können wir heute und anders Christ sein in einer anderen Kirche für eine andere Welt?“

Urs Eigenmann, Schweizer Theologe und engagiert in der Theologischen Bewegung für Solidarität und Befreiung in der Schweiz, hielt das Referat am Vormittag zum Thema „Das Konzil, das Reich Gottes und die Kirche der Armen“. Mit der Wahl von Papst Johannes XXIII. ende die sogenannte Pianische Epoche, die nach den Päpsten Pius IX. bis Pius XII. benannt sei. Johannes XXIII. sei der überraschende und prophetische Initiator des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) gewesen.

Von einer Kultur der Abschottung hin zum „Aggiornamento“

Nach dem Ersten Vatikanum (1869–1870) hätte die Kirche eine Entwicklung genommen, in der sie selbst und der Papst über allem gestanden hätte. Sie hätte auf eine Politik der Abgrenzung gesetzt, ein in sich geschlossenes System gebildet und sich nach außen von der Gesellschaft abgeschottet. Mit Johannes XXIII., der aus einfachen, ländlichen Verhältnissen stammte, sei ein neuer Stil in den Vatikan gekommen. Der imperiale Staub der Vergangenheit der Konstantinischen Ära müsse weggewischt werden, soll er zu Beginn seines Pontifikates gesagt haben. Es sei ihm darum gegangen, die Irrtümer der Kirche aufzudecken und zu überwinden zugunsten des „Aggiornamentos“, des „Heute-Werdens“, der Kirche.

Die Einberufung des Konzils, die Pastoralkonstitution des Konzils „Gaudium et spes“ und die begleitenden Diskussionen, vor allem die Versammlungen der Initiative „Kirche der Armen“, die schließlich in den Katakombenpakt mündeten, hätten ein neues Bild von Kirche hervorgebracht. Erstmalig wurden in kirchlichen Dokumenten die Armen und Begrenzten in den Blick genommen: die Option für die Armen entstand. Urs Eigenmann zitierte den Befreiungstheologen Jon Sobrino SJ, Freund und Berater des ermordeten salvadorianischen Erzbischofs Oscar Romero, der feststelle, dass es ohne das Konzil keine Kirche der Armen und keine Option für die Armen gegeben hätte.

Bruch mit der imperialen Kirche

Eigenmann analysiert in seinem Vortrag, dass sich mit der Konstantischen Wende im Jahre 313 aus einer prophetisch-messianischen Christenheit ein imperial-kolonisierendes Christentum entwickelt hätte, das bis in die Gegenwart die Kirche geprägt hätte. Mit dem Konzil sei allerdings eine Rückbesinnung auf die Bibel, auf das Wort Gottes eingeleitet worden. Das Lehramt stehe nicht mehr über dem Wort Gottes, sondern es stehe in seinem Dienst. Mit dem Konzil solle in der Kirche eine neue Ära eingeleitet werden in der Rückbesinnung auf das Reich Gottes zur Gestaltung der irdischen Wirklichkeit. Der Katakombenpakt sei schon während des Konzils dessen Rezension gewesen. Mit der Option für die Armen und der sich entwickelnden Theologie der Befreiung sei der Bruch mit der imperialen Kirche vollzogen worden. Das betone auch Papst Franziskus, wenn er heute diese Anliegen des Konzils aufnehme und die Reich-Gottes-Theologie weiter schreibe, indem er in seinem Lehrschreiben „Evangelii gaudium“ sagt: „Evangelisierung der Welt bedeutet, das Reich Gottes sichtbar zu machen.“

Nach dem Vortrag von Urs Eigenmann und der anschließenden Aussprache im Plenum stand der Nachmittag des Donnerstages den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für verschiedene Workshops und Exkursionen zur Verfügung, bei denen es neben Projekten einer Kirche der Armen unter anderem auch um die Fragen nach Menschenrechten, der Situation der Flüchtlinge in Europa und um eine muslimische Befreiungstheologie ging.

Bischof Erwin Kräutler zu Gast in Traunstein am 18. Oktober 2008.
Bild: © KNA
Katakombenpakt

Sumak Kawsay – Das gute Leben

Rom ‐  Seinen abendlichen Vortrag „Laudato Si: Die Kirche der Armen und die ‚Sorge für das gemeinsame Haus‘“ eröffnete Bischof Erwin Kräutler am Donnerstag (12.11.2015) mit den Worten: „Pfingsten ist ein griechisches Wort und es bedeutet 50 Tage – 50 Tage nach Ostern. Die Zahl 50 ist eine heilige Zahl – 50 Jahre Katakombenpakt!“.

Der aus Österreich stammende brasilianische Bischof wurde vor 50 Jahren zum Priester geweiht und hat genau am Tag der Unterzeichnung des Katakombenpaktes vor 50 Jahren zum ersten Mal brasilianischen Boden betreten. Am heutigen 12. November vor genau 35 Jahren wurde bekannt gegeben, dass er Bischof von Xingu am Amazonas werden sollte. Vom Katakombenpakt hat er erst sehr viel später erfahren. Das Versprechen für eine dienende und arme Kirche verkörperte für Dom Erwin alles, was er immer von der Kirche erwartet hatte.

Nun hat ihn Papst Franziskus zu Rate gezogen bei der Abfassung seiner Umwelt-Enzyklika „Laudato Si“. Dom Erwin betonte, es sei falsch, dass er mitgeschrieben habe, wie häufig in der Presse gemeldet würde. Er war beratend für den Papst tätig und das sei für ihn, den Bischof vom Amazonas, Ehre genug. Er habe dem Papst den Rat gegeben, die Probleme am Amazonas und die Situation der indigenen Bevölkerung mit aufzunehmen. Es gehe um Schwestern und Brüder, es gehe um Leben und Tod! Der Papst habe seine Anmerkungen in „Laudato Si“ einfließen lassen wie auch den wissenschaftlichen Rat anderer Fachleute.

Ökologie und soziale Gerechtigkeit

Franziskus stelle in seiner Enzyklika die Ökologie in Beziehung zum Menschen. Ökologie, die intakte Mitwelt, stehe immer im Zusammenhang mit der sozialen Gerechtigkeit. Fortschritt bringe nur, was die Verbesserung der Lebensbedingungen aller bringt. Wenn Menschen vertrieben würden, wenn die Umwelt aus dem Gleichgewicht falle, könne das kein Fortschritt sein. Eine Wegwerfkultur sei Umweltzerstörung und eine Verzerrung des Kulturbegriffs. Die Umwelt sei immer Mitwelt und zu schützen, weil auch der Mensch aus den Elementen der Welt bestehe. Der Mensch sei Erde. Wenn die Erde verwüstet sei, sei auch der Mensch zerstört. Durch die ökologische Krise werde die ethische und spirituelle Krise des Menschen sichtbar.

Auf die Situation der indigenen Bevölkerung und die Probleme Amazoniens eingehend appelliere „Laudato Si“ an die Verantwortung des Menschen, Sorge zu tragen für das ihm anvertraute Gut. Er erinnere an die Harmonie aller Menschen untereinander und mit der Schöpfung. Mit dem guten Geist in Verbindung zu sein, das gehe nur, wenn der Mensch in Harmonie mit der gesamten Schöpfung lebe. Das Gute in den Naturschönheiten zu sehen, zu staunen über die Blumen und den Sternenhimmel, das brächte uns selbst und einander wieder näher, so Dom Erwin. Es gäbe in der Sprache des Quechua-Volkes ein Wort, das diese Harmonie mit der gesamten Schöpfung zum Ausdruck bringe: Sumak Kawsay – das gute Leben.

Das Recht der indigenen Urbevölkerung auf einen intakten Lebensraum und die Komplexität der Urwälder mit ihrer Artenvielfalt als Lebensgrundlage für die ganze Welt seien Grundanliegen in der Enzyklika. In diesem Zusammenhang betone Franziskus den Einsatz von Organisationen zum Schutze der Umwelt und deren Einsatz legitimer Druckmittel ohne jegliche Form der Gewaltanwendung. Wer sich in diesem Sinne zu Wort melde, habe immer die Rückendeckung des Papstes. Es gehe darum, alle menschenverachtenden Maßnahmen abzuschaffen, damit Natur und Mensch wieder in Einklang kämen.

Nachkonziliare Aufbrüche in Asien, Lateinamerika und Europa

Nach einem offenen Singen am Morgen mit Kees Kok, einem Mitarbeiter von Huub Osterhuis aus Amsterdam, wurde die Arbeit am Freitag (13.11.2015) zunächst mit einer Gruppenarbeit in der Aula Magna der Casa La Salle fortgesetzt. Mit einer ersten Zwischenreflexion zum bisherigen Verlauf der Veranstaltungen haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Weiterarbeit in den folgenden Tagen verständigt. Hauptprogramm des Freitagmorgens war eine Podiumsveranstaltung, bei der zwei Vertreter und eine Vertreterin aus drei Kontinenten über ihre Erfahrungen in der Kirche nach dem Konzil berichteten.

Das Konzil und die katholische Kirche in Asien

S. J. Emmanuel, Priester und Präsident des Global Tamil Forums, ist in Sri Lanka geboren und lebt seit vielen Jahren in Deutschland. Er berichtete über die Erfahrungen nach dem Konzil in Asien. Das „Aggiornamento“, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil propagierte Öffnung der Kirche zur Welt, und der Katakombenpakt seien ein Update für die Kirche gewesen. „Gehen wir zurück zu den Quellen“ habe Papst Johannes XXIII. zu Beginn des Konzils gesagt und damit die Armen gemeint. Viele Dokumente und Bewegungen vor allem der Laien im Vorfeld hätten schließlich zur Einberufung des Konzils geführt. Als junger Theologe hat Emmanuel das Konzil erlebt und den Aufbruch von einer europäischen zur Weltkirche erfahren. Vor dem Konzil wären die Kirchen Asiens die Töchter der Mutterkirche in Europa und Rom gewesen, die sie im europäischen Stil ernährt und gesteuert hätte. Nach 500 Jahren der Kolonisierung hätte die Kirche eine neue Identität mit den Kirchen der anderen Kontinente finden müssen. Die Dogmatisierung der Kirche sei nicht das erste Ziel des Konzils gewesen, sondern ein pastorales und ökumenisches Aggiornamento.

Nach dem Konzil hätten die asiatischen Kirchen vieles verändern wollen, wurden jedoch vom römischen Zentralismus, von der Glaubenskongregation und durch ihre Abhängigkeit von der Mutterkirche in Rom häufig noch gebremst. Mit prophetischem und politischem Mut hätten sich schließlich asiatische Theologen von den Abhängigkeiten befreit, indem sie einen dreifachen Dialog durchgesetzt haben: den interkulturellen Dialog, den interreligiösen Dialog und den Dialog mit den Armen, um eine Kirche der Armen zu werden. Heute hätten sie in Asien mehr Mut zum Handeln, um – wie im Katakombenpakt beschrieben – eine Kirche der Armen zu sein. Die Kirche in Europa würden sie zurzeit wie eine Großmutter erleben, die langsam stirbt. Aber es folge eine neue Generation mit Mut zum Handeln in humanitären und sozialen Fragen.

Lateinamerika und die Theologie der Befreiung

Fernando Torres Millan, Theologe und Engagierter in den Basisgemeinden Kolumbiens, beschrieb die Entwicklungen in Lateinamerika und bedankte sich zunächst für die langjährige Solidarität vieler Gruppen in Europa. Das Konzil und der Katakombenpakt hätten in einer Zeit stattgefunden, als sich in Lateinamerika die große Revolution in Kuba anbahnte. Mitten hinein in die Revolutionsbewegungen seien die Erneuerungsbestrebungen der Kirche gefallen und hätten in diesem Umfeld zur Entwicklung der Theologie der Befreiung geführt. Diese sei eine Antwort gewesen auf die strukturelle Gewalt, Widerstand gegen Unterdrückung jeder Art: Folter, Verschleppung und Ermordung von Katecheten, Laien, Priestern und Ordensfrauen, die ihre Stimme erhoben hätten zur Befreiung des Volkes und für eine Kirche der Armen. Lange habe die Kirche zum Unrecht geschwiegen, ermutigt durch das Konzil hätten viele das Schweigen gebrochen. Zu Unrecht seien sie später mit Verurteilungen durch die Glaubenskongregation konfrontiert worden als einer neuen Form der Inquisition.

Die Kirche der Armen sei zurückgekehrt an die Orte der Anfänge, in die Katakomben. Von hier aus sei vor 50 Jahren ein Impuls zur Erneuerung ausgegangen: das Leid der Unterdrückten, Gefolterten und Armen sei endlich wahrgenommen worden. Die konsequente Umsetzung des Katakombenpakts führe in einem emanzipatorischen Prozess durch die dialogische und partizipatorische Methode des Sehen-Urteilen-Handelns zu einem neuen Frühling in der Kirche, der auch durch Papst Franziskus verkörpert werde. Mehrere Forderungen stellt Fernando Torres Millan für eine Erneuerung der Kirche: das Priesteramt für Frauen gestützt auf die Analyse der feministischen Theologie, ein optionales Zölibat, Veränderung der vatikanischen Strukturen, mehr Demokratie in der Kirche und eine Veränderung der Vatikanbank zu einer sozial geführten Bank der Armen für die Armen. Mit dem Schlusswort des Katakombenpaktes beendete er sein Statement: „Gott helfe uns, unseren Vorsätzen treu zu bleiben!“ 

Der lange Weg zu einer Kirche der Armen

Die Theologin Maria Klemm gehört der Theologischen Bewegung für Solidarität und Befreiung in der Schweiz an. Sie wurde im Emsland geboren. Das Konzil hat die damals Zwölf- bis Vierzehnjährige nicht bewusst wahrgenommen. Mit Theologie und Politik wurde sie erst im Studium am Ende der 60er Jahre in Tübingen konfrontiert und entwickelte sich zu einer kritischen Theologin. Früh hatte Klemm Kontakte in die Schweiz, wo im Bistum Basel damals schon kritische Themen diskutiert wurden und sie als Frau in den pastoralen Dienst eintreten konnte. Sie wurde auf nationaler und internationaler Ebene in der Asylpolitik tätig und hatte enge Kontakte zur Theologie der Befreiung. Klemm hätte immer den Spagat aushalten müssen, als linke Theologin in der Kirche zu arbeiten. Das Konzil und der Katakombenpakt seien für sie immer ein Ansporn gewesen. Ihrer Meinung nach seien die ersten Worte der Konstitution „Gaudium et spes“ nie verwirklicht worden und ins Bewusstsein getreten. Es sei bis heute nicht eindeutig, dass die Theologie und die Praxis in den Pfarreien eine Kirche der Armen anstrebten. Die Befreiungstheologie sei in Europa abstrakt und akademisch geblieben und nicht adaptiert worden. Es werde viel Kraft auf innerkirchliche Strukturen verwendet, Veränderungen für mehr Menschlichkeit in der Kirche aber nicht wirklich vollzogen. Auf die Frage, wie sie diesen Spagat über all die Jahre ausgehalten habe, antwortete die Theologin, dass es für sie immer eine Hilfe gewesen sei, mit Gleichgesinnten auf dem Weg zu sein und ihnen zu begegnen bei Anlässen wie diesem Treffen zum Katakombenpakt in Rom.

Abschließend waren sich die Teilnehmenden des Podiums einig, dass Unterdrückung und Armut nicht der Wille Gottes sei. Keine Religion tötet, jede Götzendienerei müsse bekämpft werden. Wir seien noch immer eine herrschaftliche und imperiale Kirche und weit von einer Kirche der Armen entfernt.

Texte von Dom Hélder Câmara in deutscher Sprache

Der ehemalige Weihbischof von Rio de Janeiro (1952–1964) und spätere bekannte Erzbischof von Olinda-Recife im Nordosten Brasiliens (1964–1985), Dom Hélder Câmara, hat während der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils nächtliche Brief an seine Familie in Brasilien geschrieben. „Seine Familie“ nannte er einen Kreis von Freunden und Vertrauten, mit denen er sich wöchentlich traf, um gemeinsam Bücher zu lesen, Musik zu hören und auszutauschen.

Seit seiner Zeit als Seminarist bis zu seiner Emeritierung hatte er die Gewohnheit, nachts um 1 Uhr für drei Stunden aufzustehen und zu schreiben: Briefe, Meditationen, Gedichte, Predigten und vieles mehr.

So verfasste Dom Hélder auch während des Konzils nachts in Rom handschriftlich 290 Briefe auf Luftpostpapier, um über den Verlauf des Konzils, seine Eindrücke und Gedanken zu berichten und verschickte diese nach Brasilien. Dort wurden sie mit der Schreibmaschine abgeschrieben, vervielfältigt und weiterverteilt. Fast alle Briefe sind erhalten und werden jetzt erstmalig in einer deutschen Übersetzung veröffentlicht.

Anlässlich des 50-jährigen Gedenkens an den Katakombenpakt stellte der Herausgeber, Urs Eigenmann, am Freitagabend (13.11.2015) in Rom die neue Veröffentlichung vor, die unter dem Titel „Dom Hélder Camara: Briefe aus dem Konzil. Nachtwachen im Kampf um das Zweite Vatikanum“ in der Edition Exodus in Luzern in zwei Bänden auf insgesamt 1.200 Seiten erscheint.

Schreib weiter!

Radio Vatikan meldete am 13.11.2015, dass Papst Franziskus sich mit dem Befreiungstheologen Jon Sobrino nach der Morgenmesse im Gästehaus des Vatikan Santa Marta zu einem Gespräch getroffen habe. Das Institut für Theologie und Politik hat dazu unmittelbar eine Stellungnahme herausgegeben, die wir im Wortlaut dokumentieren:

Die Rehabilitierung der Befreiungstheologie durch Papst Franziskus?!

Am heutigen Freitag, den 13. November 2015, empfing Papst Franziskus den Jesuiten Jon Sobrino in der Casa Santa Marta mit den Worten: „Schreib weiter!“. Jon Sobrino nimmt zurzeit auf Einladung des Instituts für Theologie und Politik an der Versammlung „Katakombenpakt erinnern und erneuern“ in Rom teil.

Nach Leonardo Boff und Gustavo Gutiérrez ist dies das dritte Treffen von Papst Franziskus mit einem lateinamerikanischen Befreiungstheologen. Damit ist wohl deutlich, dass der Vatikan die Befreiungstheologie nach langen Jahren der Verunglimpfung und Ausgrenzung rehabilitiert hat.

Die theologische Linie von Franziskus: seine Kritik der mörderischen Weltwirtschaft und seine Reformbemühungen um eine Kirche, die „das menschliche Leben an[nimmt], indem sie im Volk mit dem leidenden Leib Christi in Berührung kommt“ (EG 24), liegt ganz auf der Linie der Befreiungstheologie.

Angesichts der Probleme der Welt, wie den Millionen Flüchtlingen, dem Auseinanderklaffen von Arm und Reich, der Umweltverwüstung hat die Kirche tatsächlich nur eine Zukunftsberechtigung, wenn sie im Sinne der Befreiungstheologie eine praktische Hoffnung für die Welt ist. Die TeilnehmerInnen der Tagung „Katakombenpakt erinnern und erneuern“ begrüßen deshalb das Treffen zwischen dem Papst und Jon Sobrino.

Jon Sobrino gehört zu den profiliertesten Kritikern des Vatikans unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Anlässlich der lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Aparecida 2007 kritisierte er die redaktionellen Eingriffe der Kurie, die die Bedeutung der Basisgemeinden herunterspielten. Außerdem schrieb er in einem fiktiven Brief an seinen ermordeten Mitbruder Ignacio Ellacuria: „Der objektive Konflikt mit den Mächtigen, keine abstrakte allgemeine Verfügbarkeit, hat Jesus ans Kreuz gebracht. Das zu ignorieren, führt zu schlimmen Konsequenzen; denn es verführt dazu zu denken, dass wir auch heute die Sendung ohne schwerwiegende Konflikte realisieren könnten.“

Im gleichen Jahr versuchte ihn der Vatikan mit einer Notification zum Schweigen zu bringen, in der einzelne Thesen seiner Bücher verurteilt wurden. Jon Sobrino unterschrieb diese Notification nicht. Dass Papst Franziskus ihn nun ermutigt hat, sich nicht von lehramtlicher Zensur einschüchtern zu lassen, ist zu verstehen als eine respektvolle Anerkennung der theologischen Arbeit Sobrinos auf der einen Seite und eine direkte Unterstützung der Befreiungstheologie durch den Papst auf der anderen Seite. Diese Positionierung ist ein Bruch mit dem verurteilenden Umgang mit der Befreiungstheologie in den beiden vorangegangenen Pontifikaten.

(Institut für Theologie und Politik)

Im Schatten von Michelangelos Kuppel

Hinter dem Vatikan, im Schatten von Michelangelos Kuppel, außerhalb der Mauern, aber nicht hinter verschlossenen Mauern findet zurzeit die Veranstaltung „Katakombenpakt erinnern und erneuern!“ statt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind inzwischen seit drei Tagen zusammen und verständigen sich über ein Kirchenmodell der Anfänge für die Kirche von heute, die auch Papst Franziskus meint, wenn er sagt „Ich wünsche mir eine Kirche der Armen für die Armen“.

Am heutigen Samstag (14.11.2015) konnten die Teilnehmenden dieses Thema mit zwei Angeboten vertiefen. Ein Teil der Gruppe hat sich auf den Weg zu einer kirchenhistorischen Führung mit der Historikerin Dorothee Linnemann vom Historischen Museum in Frankfurt gemacht. Unter dem Motto „Auf den Spuren des Vor- und Frühchristentums“ führte die Exkursion zunächst zur Katakombe der Heiligen Marcellinus und Petrus und anschließend zum spätantiken Bischofsbezirk des Lateran, wo am Beispiel frühchristlicher Kirchen archäologische Spuren dazu einluden, über Aspekte von Laien- und Amtskirche, die Spaltung der Kirche in Reiche und Arme, über Gewalt und Verfolgung von oder durch die Kirche zu diskutieren.  

Führung zur Katakombe der Heiligen Marcellinus und Petrus

Christel Bußmann, Pastoralreferentin im Ruhestand aus dem Bistum Münster, hat an der Führung teilgenommen. Sie fasste ihre Eindrücke beim Besuch der Katakomben zusammen: „Eindrucksvoll in der Katakombe waren für mich die vielen frühchristlichen Darstellungen aus der Zeit um 280 bis 300 nach Christus. Auffällig waren die zahlreichen Darstellungen von Händen.“ Besonders gefallen hätte ihr eine der ältesten Mariendarstellungen – Maria sehr einfach mit normalem, nicht verklärtem Gesichtsausdruck, das Kind auf dem Arm und umgeben von zwei Königen, ein dritter sei wohl verlorengegangen. Was sie sehr bewegt habe, sei ein Bild, auf dem eine Mahlgemeinschaft dargestellt wurde.  Eine Frau mit verschiedenen Gefäßen in der Hand spiele hier eine tragende Rolle. „Hier wird eindeutig die Vorsteherin einer frühchristlichen Eucharistiefeier gezeigt. Interessant ist, dass im Jahre 2013 ähnliche Bilder bei der Restaurierung der benachbarten Priscilla-Katakombe auftauchten. Der Vatikan beeilte sich damals sehr zu betonen, dass es sich hier auf gar keinen Fall um eine Priesterin handeln würde“, erklärte Bußmann.  Was sie darüber hinaus in der Katakombe noch beeindruckt habe, sei, dass man bei den Gräbern keinerlei Standesunterschiede feststellen könne. Das sei bei anderen, späteren Katakomben wohl anders.

Internationaler Studientag zum Katakombenpakt

Eine zweite Gruppe hat an diesem Samstag an einem ganztägigen Internationalen Studientag zum Katakombenpakt in der Päpstlichen Universität Urbaniana mit der Ordenskommission „Justitia et pax“ teilgenommen. Mitbeteiligt am Studientag waren unter anderem Jon Sobrino SJ (Freund und Berater des ermordeten salvadorianischen Erzbischofs Oscar Romero), João Kardinal Braz (Präfekt der Kongregation für das Geweihte Leben), Bischof em. Luigi Bettazzi (Erstunterzeichner des Katakombenpaktes), P. Alberto Trevisiol IMC (Rektor der Universität), Sr. Sally Hodgson CSJ (Vizepräsidentin der Internationalen Ordensoberinnenkonferenz), Luca Pandolfi (Professor an der Universität, Moderator der Veranstaltung) und Alberto Melloni (Kirchenhistoriker und Konzilsexperte, Bologna).

„Wir können, müssen und dürfen ab heute wieder von einer eindeutigen Option für die Armen sprechen!“

—  Zitat: Michael Ramminger, Institut für Theologie und Politik

Michael Ramminger vom Institut für Theologie und Politik in Münster äußerte sich im Anschluss sehr zufrieden mit dem Verlauf. „Die Veranstaltung hat kirchenpolitisch eine sehr große Bedeutung für mich. Das Thema des Katakombenpaktes und damit einer Kirche der Armen und der Befreiungstheologie ist nach langer Zeit endlich wieder auf die Agenda gesetzt worden. Ein weiterer Schritt zur Rehabilitation der Befreiungstheologie ist damit getan. Wir haben Jon Sobrino eingeladen.  Er hat hier und heute gesprochen und ist gestern vom Papst mit den Worten ‚Schreib weiter!‘ zum Gespräch eingeladen worden“, fasste Ramminger zusammen. Weitere wichtige Punkte seien für ihn, dass Bischof Luigi Bettazzi gesagt habe, wir hätten auf der Konziliaren Versammlung 2012 in Frankfurt den Katakombenpakt aus der Vergessenheit geholt und heute sei er Thema einer Studientagung an der Päpstlichen Universität in Rom. Auch die Ordensleute, die zur Veranstaltung eingeladen hatten, hätten bekräftigt, dass ein solches Treffen vor drei Jahren nicht möglich gewesen wäre. „Wir können, müssen und dürfen ab heute wieder von einer eindeutigen Option für die Armen sprechen!“, beendet Michael Ramminger sein kurzes Fazit.

Die Erinnerung und Erneuerung des Katakombenpakts findet zwar außerhalb der vatikanischen Mauern statt. Dass er aber auch hinter den Mauern wohlwollend wahrgenommen wird, macht eine weitere Meldung von Radio Vatikan deutlich, in der die Veranstalter des internationalen Treffens zu Wort kommen.

Bei der gemeinsamen Eucharistiefeier am Abend gedenken die Anwesenden besonders der Opfer des Terroranschlages in Paris und deren Angehörigen.

Zeichen setzen im Zentrum

Am Sonntagmittag (15.11.2015) haben die über 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung sich zum Angelus mit Papst Franziskus auf dem Petersplatz versammelt. Mit Transparenten und Plakaten haben sie Zeichen gesetzt im Zentrum der Weltkirche und auf den morgigen 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Katakombenpaktes in der Domitilla-Katakombe hingewiesen. 15.11.2015

Im Zentrum der Botschaft von Papst Franziskus stand nach dem Angelusgebet und dem Segen das Gedenken an die Opfer des Terroranschlages in Frankreich. Mit scharfen Worten verurteilte er die Terrorakte und bezeichnete sie  als „blasphemisch“ und „nicht tolerabel“. Gewalt und Hass lösten nicht die Probleme der Menschheit. Er betete für die Familienangehörigen der Opfer und für die Verletzten und sprach dem ganzen Land seine Anteilnahme aus. Anschließend lud er alle Anwesenden zu einer Minute des schweigenden Gebetes ein.

Vom sonntäglichen Treffen verabschiedete er sich dann wie gewohnt mit den Worten „Einen guten Sonntag und ein gutes Mittagessen!“

Wenn viele gemeinsam träumen …

Der letzte Tag der Versammlung zum Jubiläum des Katakombenpaktes in Rom begann noch einmal mit einer Bibelarbeit von Kuno Füssel. Anschließend haben Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung mit Statements ein Fazit der Veranstaltung gezogen.

Kuno Füssel hat bei seiner Bibelarbeit den Jakobusbrief aufgegriffen und ihn im Kontext seiner Entstehung im römischen Reich gedeutet, das von Macht und Herrschaft auf der einen, Unterdrückung und Ungerechtigkeit auf der anderen Seite gekennzeichnet war. Er verdeutlichte dabei viele Parallelen zur heutigen Zeit, die ins Auge sprängen.

Vor dem Abschlusspodium stellte eine Gruppe von Studentinnen und Studenten eine neue Erklärung zur Aktualisierung des Katakombenpaktes vor, die in Zusammenkünften der letzten Nächte entstanden ist und von den Anwesenden unterschrieben werden konnte. Die Erklärung nimmt zu aktuellen Fragen Stellung: Flucht und Aufnahme von Flüchtlinge; Absage an jegliche Art des Terrorismus und der Gewalt vor allem vor dem Hintergrund der letzten Anschläge in Beirut und Paris; Erneuerung der Option für die Armen; die ökologische Bedrohung und der Einsatz für die Rechte aller Menschen in den herrschenden Strukturen.

Die Teilnehmer ziehen Bilanz

Das Abschlusspodium zu einer ersten Auswertung der Tagung wurde von Katja Strobel, Institut für Theologie und Politik, und Norbert Mette, Pastoraltheologe an der Universität Dortmund, geleitet. Vier Teilnehmende aus unterschiedlichen Kontexten stellten kurz ihre Erfahrungen mit und während der Veranstaltung vor und ihre Perspektiven, die sie von den Tagen in Rom mitnahmen:

Kacem Gharbi, muslimischer Philosoph und Experte für den Dialog zwischen christlicher und muslimischer Befreiungstheologie aus Tunis, betonte, dass er mit vielen Fragen nach Rom gekommen sei, aber auch mit vielen Fragen wieder gehe. Die Veranstaltung habe ihm Mut und Hoffnung gemacht für neue gemeinsame Wege.

Franziska Wintermantel, Theologiestudentin aus Freiburg, konnte als Teilnehmerin der jungen Generation viel von den Älteren lernen. Sie habe erkannt, dass nicht nur zwischen Sprachen zu übersetzen sei, sondern auch zwischen den Generationen. Auf die Frage, wie man das machen könne, habe sie die Antwort gefunden, jede und jeder könne es und müsse einfach nur damit anfangen. Sie habe einen neuen Zugang zur Befreiungstheologie erhalten, die für sie bedeute, sich als Christin aktiv und konsequent politisch zu gesellschaftlichen Fragen zu verhalten. Hier in Rom habe sie dafür viel Mut und Hoffnung erhalten: „Viele Menschen stehen dabei neben und hinter mir! Das habe ich hier gespürt.“

Den Geist der Erneuerung vorantreiben

Philipp Geizhaus, Theologe am Institut für Theologie und Politik und engagiert in sozialen Bewegungen, war erfreut, dass sich so viele unterschiedliche Menschen in Rom versammelt haben: Ältere, die sich seit Jahrzehnten engagieren, Studenten von verschiedenen Universitäten und mit unterschiedlichem Hintergrund und sogar eine Firmgruppe aus Wil in der Schweiz. Sie alle hätte er auf der Tagung als Companeros, als Gefährten, erleben dürfen. Die Versammlung zum Katakombenpakt hätte neu ermutigt, konsequent nach Alternativen zur kapitalistischen Weltordnung zu suchen und danach zu handeln. Wir müssten uns bewegen und erneuern gegenüber der „Globalisierung der Gleichgültigkeit“, wie Papst Franziskus es nennt. Es bedürfe mehr als einer Neuauflage der Selbstverpflichtungen des Katakompenpakts. Man müsse sich auf die aktuellen Ereignisse je neu einlassen und diese verändern. Die Erneuerung stehe noch aus – das sei für ihn der Impuls, der von der Tagung ausgehe. Der Geist der Erneuerung bringe eine mühevolle Arbeit, aber er sei nicht nur Verheißung, sondern schon Realität geworden.

„Wenn einer allein träumt, ist das nur ein Traum. Wenn viele gemeinsam träumen, so ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit.“

—  Zitat: Dom Hélder Câmara, ehem. Erzbischof von Olinda-Recife

Pilar Puertas, Historikerin, Aktivistin der mexikanischen Basiskirchenbewegung und Mitarbeiterin am Institut für Theologie und Politik, hat bewegt, dass die wirklichen Zeichen der Zeit, unserer Zeit, während der Tagung so eindeutig in den Blick genommen worden sind. Dazu gehörten vor allem die Flucht weltweit und ihre Auswirkungen, die zunehmende Klimakatastrophe, die ungleiche und ungerechte Verteilung der Güter. Sie rief alle auf, die Versammlung gestärkt für eine andere Kirche zu verlassen und erinnerte zum Schluss an das bekannte Zitat von Dom Hélder Câmara, ehemaliger Erzbischof von Olinda-Recife: „Wenn einer allein träumt, ist das nur ein Traum. Wenn viele gemeinsam träumen, so ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit.“

Kommentar

Hiermit endet die Berichterstattung über das Jubiläum des Katakombenpaktes und einer „Kirche der Armen für die Armen“ (Papst Franziskus). Vieles des Erlebten, Gehörten und Ausgetauschten hätte noch ausführlicher geschrieben werden können und ist nur verkürzt wiedergegeben worden. Aber Raum und Zeit sind begrenzt.

Ein abschließender Hinweis: Einige der Dokumente und Texte werden in den nächsten Tagen auf dem Internetportal von Pro Konzil veröffentlicht. Anfang 2016 wird eine Dokumentation zur Veranstaltung „Hoffnung und Widerstand – Katakombenpakt erinnern und erneuern!“ mit allen Vorträgen und sonstigen Beiträgen vom Institut für Theologie und Politik in Münster herausgegeben.

Ihr Franz-Thomas Sonka

Hinweis

Alle Abschlussdokumente der Veranstaltung finden Sie unter der Adresse https://www.pro-konzil.de