Jahrestagung Weltkirche und Mission 2017
Die Jahrestagung Weltkirche und Mission 2017 fand vom 21. bis 23. Juni 2017 in Würzburg statt. Thema: „Religion und Entwicklung“.
Aktualisiert: 02.05.2024
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Religion galt bei den Vereinten Nationen und internationalen Organisationen lange als Hindernis für Entwicklungsprozesse. In der aktuellen weltpolitischen Großwetterlage wird sie als Faktor internationaler Entwicklungs- und Friedensarbeit neu entdeckt. Aber wie ist das Verhältnis religiöser Akteure zu staatlichen und internationalen Organisationen? Und welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich daraus? Damit beschäftigtes sich die Jahrestagung Weltkirche und Mission 2017 fand vom 21. bis 23. Juni 2017 in Würzburg.
Tagungsdokumentation
Vorträge der Referenten:
Die Sorge um das gemeinsame Haus
Planet First – die Sorge um das gemeinsame Haus, unsere Erde, stand als starkes Bild für eine gute Entwicklungspolitik im Zentrum der diesjährigen Jahrestagung Weltkirche und Mission vom 21. bis 23. Juni 2017 in Würzburg, an der rund 140 Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz und aller in der weltkirchlichen Arbeit in Deutschland tätigen Ordensgemeinschaften, (Erz-)Bistümer und Werke teilnahmen. Die Enzyklika Laudato si’ von Papst Franziskus bildete den Mittelpunkt vieler Beiträge zu Fragen von Religion und Entwicklung.
Erzbischof Dr. Ludwig Schick (Bamberg), Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, verwies auf die Rahmenbedingungen einer solchen gesellschaftlichen Umkehr. In seinem Eröffnungsstatement benannte er Frieden und gute Regierungsführung als unabdingbare Voraussetzungen dafür, dass sich Menschen entwickeln und entfalten können. „Daher besteht Entwicklungshilfe nicht darin, Almosen zu geben, sondern für eine friedliche und gerechte Weltordnung einzutreten.“
Erzbischof Schick dankte allen, die sich in Deutschland und weltweit in den Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften für die Entwicklung der Völker einsetzten, wobei er das päpstliche Schreiben Populorum progressio von Papst Paul VI. zitierte, das vor 50 Jahren veröffentlicht wurde. Die Teilnehmer der Tagung appellierten an die Weltgemeinschaft, das Engagement für eine gerechte und friedliche Welt noch mehr zu verstärken und verpflichteten sich, sich aus dem Geist des Evangeliums zusammen mit allen Religionen weiterhin für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.
Christoph Bals von Germanwatch zeigte sich im einführenden Vortrag von der jüngsten Enzyklika begeistert. Laudato si’ werde auch im säkularen Bereich als Aufruf zur Kehrtwende verstanden. Hier sei auch die Kirche in Deutschland gefordert, Impulse aufzunehmen und sich verstärkt für eine umwelt- und sozialverträgliche Entwicklung auf der Nord- und Südhalbkugel einzusetzen. Er betonte, dass heute jede soziale Frage auch eine ökologische sei. Dabei müsse die Perspektive der Opfer des Klimawandels im Süden und im Norden, beispielsweise der Menschen, denen durch den Kohleausstieg Arbeitslosigkeit drohe, maßgeblich werden. Als wichtigen Meilenstein auf dem Weg der Umkehr forderte er in Anlehnung an Laudato si’: „Die Atmosphäre und die Ozeane müssen Gemeineigentum werden.“
Referenten aus allen Kontinenten beleuchteten verschiedene Dimensionen, wie Religionen zur menschlichen Entwicklung beitragen können. Pater Shay Cullen von den Philippinen hob die Bedeutung von Vergemeinschaftung für die individuelle Entwicklung hervor: „In Gemeinschaft können benachteiligte Menschen ihre eigene Würde erfahren.“ Schwester Alison Munro aus Südafrika berichtete von der Vorreiterrolle, die kirchliche Einrichtungen in ihrem Land im Kampf gegen AIDS eingenommen hätten. Dieses Engagement habe nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Kirche geprägt. „Der Einsatz für die AIDS-Kranken und Ausgegrenzten hat die Kirche in meiner Heimat Südafrika verändert.“
Die Vertreterin des UN-Bevölkerungsfonds, Dr. Azza Karam aus New York, erinnerte in ihrem Beitrag daran, dass leider erst durch religiös verbrämten Terrorismus Religionen in den Blick auch bei Mitarbeitern in den Hauptquartieren von UN-Institutionen geraten seien. Hingegen arbeiteten seit Jahrzehnten viele lokale Büros der Vereinten Nationen mit religiösen Organisationen für Armutsbekämpfung, Bildung, Gesundheit, Frieden und Umweltschutz eng zusammen. Ausgehend von diesen positiven Erfahrungen würden zunehmend die Potentiale von Religionsgemeinschaften geschätzt und systematischer einbezogen: „80 Prozent der Menschheit ist religiös; 30 Prozent der weltweiten Gesundheitsvorsorge wird von Religionsgemeinschaften erbracht“, so Karam.
Erzbischof Pedro Ricardo Barreto Jimeno aus Peru, der vor wenigen Tagen gemeinsam mit Adveniat und Misereor die Bundesregierung zu mehr Engagement gegen die Ausbeutung des Amazonas auch durch deutsche Unternehmen aufforderte, berichtete von den Ausbeutungsstrukturen im Amazonasgebiet. Für ihn verbindet sich – im Engagement für die Menschen dieser Region – der Auftrag für die Bewahrung der Schöpfung mit dem Einsatz für arme und entrechtete Menschen. Das finde gerade auch im politischen Engagement auf nationaler und internationaler Ebene seinen Ausdruck.
Die Initiative des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, den Religionen stärkere Aufmerksamkeit zu widmen und sie in ihrem Engagement für die menschliche Entwicklung systematisch wahrzunehmen, stoße auf breite Zustimmung, betonte Monsignore Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor. „Die Kooperation von staatlichen und kirchlichen Akteuren ist auf vielen Gebieten sinnvoll und hilfreich“, trotzdem sei auf die unterschiedlichen Rollen in der Entwicklungsarbeit zu achten.
Weltkirchlichen Kernthemen auf den Grund gehen
Würzburg ‐ Aus Losheim am See im kleinen Saarland kommend, war ich von 2015 bis 2016 als Freiwilliger von SoFiA e.V im Bistum Trier im Colegio Martin Sappl in Bolivien. Dort arbeitete ich als Englischlehrer in einer Grund- und Sekundarschule der aufstrebenden Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt Santa Cruz de la Sierra, im Tropischen Tiefland des Südamerikanischen Binnenlandes. Auf Einladung der Diözesanstelle Weltkirche bin ich mit dem Team der Weltkirche Trier nach Würzburg gekommen.
Bereits auf der Fahrt dorthin freute mich der Austausch über die weltkirchlichen Themen, vor allem derer, die Bolivien betrafen. Im Tagungshaus in Würzburg angekommen wurde ich bereits von den anderen Rückkehrern erwartet. Als ehemalige Freiwillige planten wir am Folgetag den morgendlichen Impuls und Referate für einen Workshop.
Nach einer Begrüßung des Erzbischofs von Bamberg, Ludwig Schick, einer Vorstellung der Ergebnisse der Tagung des Vorjahres, sowie eines Ausblicks auf die bevorstehende dreitägige Konferenz begann auch schon das eigentliche Programm: Christoph Bals von Germanwatch analysierte eine Enzyklika von Papst Franziskus, in welcher dieser seine Ansichten zur Globalisierung und der zunehmend nationalen Bestrebungen in Europa und weltweit kundtut. Dabei wurde vor allem die gegensätzliche Meinung des aktuellen amerikanischen Präsidenten und des Oberhauptes der katholischen Kirche deutlich.
Nach dem leckeren Abendessen, bei welchem wir wiederum die Gelegenheit hatten, einige unterschiedliche Akteure der weltkirchlichen Arbeit in Deutschland kennenzulernen, gab es außerdem eine Einheit, in der Experten aus aller Welt ihre verschiedenen Ansichten zum Thema präsentierten und auf die vielzähligen Fragen der Tagungsteilnehmer eingehen konnten.
Dabei begeisterte mich vor allem die lockere Atmosphäre und Offenheit der Gäste. Bevor der offizielle Teil des ersten Tages gegen 22 Uhr abends zu Ende ging, versammelten wir uns in der Kapelle des Hauses, um einem Impuls des Evangelischen Missionswerkes zu folgen, welcher den Tag noch einmal spirituell zusammenfasste.
Nach diesen ereignisreichen und vor allem klimatisch herausfordernden Stunden freue ich mich bereits auf die kommenden Tage und Begegnungen, die mich hier erwarten.
Entwicklung beginnt in Deutschland
Würzburg ‐ Rapha Breyer ist Referent für Entwicklungsfragen an der BDKJ-Bundesstelle in Düsseldorf. Als Teilnehmer der Jahrestagung Weltkirche und Mission hat er vor allem eines mitgenommen: Entwicklung muss auch gerade hier bei uns in Deutschland stattfinden.
Am Mittwoch war es Zeit, konkret zu werden. Wo findet integrale Entwicklung in der Praxis statt und was macht sie aus? Die theoretisch aufgeworfenen Fragen zu Religion und Entwicklung des Vortages sollten an der Praxis weiter geprüft werden. Dazu gab es vier Impulse mit anschließendem Gruppenaustausch.
Erzbischof Pedro Barreto skizzierte den Zusammenschluss Repam (Kirchliches Netzwerk für Indigene im Amazonasgebiet), welcher versucht, als ganzheitliche Methode für Entwicklung alle an selbiger teilhaben zu lassen. Dabei geht es darum, die fortschreitende Zerstörung der Natur im Amazonasgebiet aufzuhalten und die Menschen seelsorgerisch zu begleiten. Barreto beschrieb, wie dieses Konzept der Gedankenwelt von Papst Franziskus in der Enzyklika Laudato si‘ entspricht.
Father Shay Cullen definiert in seinem Vortrag Entwicklung damit, dass es darum gehe, gängige Strukturen in Frage zu stellen. Für sein Projekt „Preda“ ist dies der Kampf gegen Prostitution und die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Frauen in Olongapo auf den Philippinen. Seit vielen Jahrzehnten versucht er dabei zu helfen, die Menschen zu ermächtigen, selbst für ihre Rechte einzustehen und alternative Lebensgrundlagen zu schaffen. Für die anschließende Diskussionsgruppe war es wichtig, zu betonen, dass eine integrale Entwicklung von der gesamten Kirche getragen werden muss, vor allem dann, wenn es um die Einhaltung von Menschenrechten geht.
Gerade die interreligiöse Ebene integraler Entwicklung beschrieb Schwester Kordula Weber, die seit 2005 in Mauretanien ein Frauenzentrum leitet. Sie beschrieb, dass in einem Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung nur gemeinsam das Ziel der Stärkung von Frauen und Mädchen erreicht werden kann.
Die Entwicklungspotenziale von Freiwilligendiensten auf allen Seiten stellte Jennifer Mumbure, Koordinatorin der Rückkehrendenarbeit bei Missio, in den Mittelpunkt. Die unvergleichliche Chance von MissionarInnen auf Zeit sei es, unbefangen und ohne Leistungsdruck mit Menschen im globalen Süden in Kontakt zu kommen. Davon können Einsatzstellen ebenso profitieren wie die Freiwilligen selbst.
Christoph Bals, der am Nachmittag über gesellschaftliche Transformation referierte, beschrieb dort vor allem auch die Mitgestaltungsmöglichkeiten kirchlicher AkteurInnen bei Veränderungen in Deutschland. Als Beispiele nannte er den Kohleausstieg und auch das Divestment, also das Abziehen von Finanzmitteln aus fossilen Energieträgern. In der anschließenden Diskussion waren sich Bals und Pirmin Spiegel einig, dass unser Agieren in den nächsten 10 bis 20 Jahren darüber entscheidet, ob ein gutes Leben auf der Erde weiter möglich ist. Dabei sei es wichtig, dass es keine institutionelle Borniertheit bei der Umsetzung gebe.
Gerade der letzte Programmpunkt war für mich wichtig, um zu verdeutlichen, dass Entwicklung auch gerade hier bei uns in Deutschland stattfinden muss. Es darf nicht in erster Linie um einen überheblichen Entwicklungsbegriff gehen, welcher ein reines Aufholen eines „Entwicklungsdefizits“ in Ländern und Gesellschaften des globalen Südens beschreibt.