"Kirche der Armen" - eine bleibende Herausforderung
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Kirche der Armen

"Kirche der Armen" - eine bleibende Herausforderung

Kurz vor Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils sprach Papst Johannes XXIII. erstmals von der „Kirche der Armen“

Erstellt: 11.07.2013
Aktualisiert: 27.07.2022
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Kurz vor Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–65) sprach Papst Johannes XXIII. erstmals von der „Kirche der Armen“. In der Rundfunkbotschaft vom 11. September 1962 bat Papa Roncalli damals alle Katholiken der Welt um ihr Gebet für das Gelingen des bevorstehenden Konzils, und dabei sagte er wörtlich: „Den unterentwickelten Ländern zeigt sich die Kirche so, wie sie ist und sein will, als die Kirche aller, besonders aber als die Kirche der Armen.“ Dieser Satz ist nicht allein deswegen so wichtig, weil er einen inneren Zusammenhang zwischen der realen Armut und der Kirche zum Ausdruck bringt. Genauso bedeutsam ist die darin enthaltene grundsätzliche Ausrichtung der Kirche auf alle Menschen, wobei gesagt wird, wen und was sie als erste(s) im Blick zu behalten hat.

In diesen Worten des Papstes fand ein weitverbreitetes Anliegen der damaligen Zeit Niederschlag. Zu erinnern ist an jene kirchlichen Bewegungen, die ihr Christsein bewusst in der tätigen Solidarität mit der armen Bevölkerung und mit den Arbeitern realisieren wollten (Katholische Aktion, Arbeiterpriester u. a.). Es gab auch verstärkt theologische Überlegungen und Veröffentlichungen, die sich dem Thema Armut und Arme widmeten, wobei die frankophone Welt auf diesem Gebiet führend war.

Einfluss auf das Konzil blieb gering

Der unmittelbare Einfluss der päpstlichen Rede von der „Kirche der Armen“ auf das Konzil selbst blieb allerdings gering. So findet sich beispielsweise der Ausdruck in keinem konziliaren Dokument. Zwar hatte der damalige Erzbischof von Bologna, Giacomo Lercaro, am Ende der ersten Sitzungsperiode sich zu Wort gemeldet, um dem Konzil im Sinne von Johannes XXIII. eine bestimmte Richtung zu geben und es an eben diesem Anliegen der „Kirche der Armen“ zu orientieren. In der Konzilsaula sagte der Kardinal: „Wir antworten nicht auf die wirklichen und wesentlichen Forderungen unserer Zeit (einschließlich unserer großen Hoffnung, die Einheit der Christen zu fördern), vielmehr fliehen wir vor ihnen, wenn wir das Thema der Evangelisierung der Armen lediglich als ein Konzilsthema unter vielen anderen behandeln ... Das Thema des Konzils ist die Kirche, insofern sie vor allem die Kirche der Armen ist.“ Und der „rote Kardinal“ forderte die Berücksichtigung dieses Themas aufgrund einer grundlegenden Einsicht: „Das Geheimnis Christi in der Kirche ist immer, vor allem aber heute, das Mysterium Christi in den Armen, da die Kirche, wie ... Johannes XXIII. sagt, wirklich Kirche aller, besonders aber die Kirche der Armen ist.“ Das „Mysterium Christi in den Armen“ bildet demzufolge den zentralen Schlüssel, um das Problem Kirche überhaupt richtig zu verstehen und anzugehen. Die Armen sind für den christlichen Glauben nicht etwa deshalb von besonderem Interesse, weil sie ein potentielles Reservoir für die Kirche darstellen oder weil sie aus ethischen Überlegungen ein besonderes Nachdenken verdienten, sondern aus Gründen des Evangeliums heraus.

Belgisches Kolleg und Katakombenpakt

Nach der Eröffnung des Konzils im Oktober 1962 begann eine Gruppe von Bischöfen und Theologen, sich im Belgischen Kolleg zu treffen. Zu ihr gehörte von Beginn an auch Dom Helder Camara mit acht weiteren brasilianischen Bischöfen. Die Gruppe besaß keinen offiziellen Status; sie war jedoch von der Sorge über das Massenelend getrieben und suchte nach Auswegen aus Armut und Not. Auch wenn diese Gruppe immer am Rande des Konzilsgeschehens blieb, so war sie von großer spiritueller und prophetischer Kraft. Diese äußerte sich im so genannten Katakombenpakt, der von vierzig Bischöfen unterzeichnet wurde, darunter auch von Weihbischof Julius Angerhausen (Essen) und Bischof Hugo Aufderbeck (Erfurt). Der in der Domitilla-Katakombe bei der letzten Sitzungsperiode des Konzils unterzeichnete „Katakombenpakt der dienenden und armen Kirche“ war eine Selbstverpflichtung, die wenige Jahre später gerade in Lateinamerika von nachhaltiger Wirkung werden sollte. Der aus Argentinien stammende Papst Franziskus hat seit seinem ersten öffentlichen Auftreten gezeigt, wie bedeutsam auch ihm eine „Kirche der Armen“ ist.

Von Von Prof. Dr. Giancarlo Collet

Stand: Juli 2013

Mit Dank für die freundliche Abdruckgenehmigung durch die Diözese Rottenburg-Stuttgart.