Amtsinhaber Hugo Chávez gewinnt Präsidentschaftswahl

Amtsinhaber Hugo Chávez gewinnt Präsidentschaftswahl

Der Sieger dankte Christus, der Verlierer vertröstete seine Anhänger damit, dass nur Gott die perfekte Zeit kenne. Venezuela hat gewählt und fast alles bleibt beim Alten. Amtsinhaber Hugo Chávez wurde mit rund 54 Prozent der Stimmen für sechs Jahre wiedergewählt, Herausforderer Henrique Capriles unterstrich mit rund 44 Prozent die wachsende Bedeutung der Opposition. Mit rund 80 Prozent Wahlbeteiligung würdigten die Venezolaner einen spannenden und harten Wahlkampf.

Erstellt: 08.10.2012
Aktualisiert: 11.07.2015
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Der Sieger dankte Christus, der Verlierer vertröstete seine Anhänger damit, dass nur Gott die perfekte Zeit kenne. Venezuela hat gewählt und fast alles bleibt beim Alten. Amtsinhaber Hugo Chávez wurde mit rund 54 Prozent der Stimmen für sechs Jahre wiedergewählt, Herausforderer Henrique Capriles unterstrich mit rund 44 Prozent die wachsende Bedeutung der Opposition. Mit rund 80 Prozent Wahlbeteiligung würdigten die Venezolaner einen spannenden und harten Wahlkampf.

Selten waren in den vergangenen Jahrzehnten so viele Menschen an die Urnen gegangen wie an diesem Sonntag. Der deutliche Vorsprung des Siegers, aber auch die prompte Erklärung des unterlegenden Kandidaten, das Ergebnis anzuerkennen, dürfte dafür sorgen, dass die im Vorfeld befürchteten Ausschreitungen im Land ausbleiben werden.

Bislang bleibt die Gewalt aus

„Ich bin froh, dass es nach der Verkündigung des Wahlergebnisses ruhig geblieben ist“, sagt Adveniat- Länderreferent Reiner Wilhelm am Montag im Interview mit dem Domradio. Bei einem Sieg der Opposition wäre ein Bürgerkrieg nicht auszuschließen gewesen. „Das Land ist nach wie vor sehr polarisiert“, warnt Wilhelm.

Kardinal Jorge Urosa hatte am Wochenende noch nach Verlassen des Wahllokals die Venezolaner dazu aufgerufen, das Wahlergebnis anzuerkennen, ganz gleich wer am Ende gewinnen werde. Die Gewalt dürfe nicht die Demokratie besiegen, warnte der Erzbischof der Hauptstadtdiözese Caracas. Erzbischof Ubaldo Santana aus der zweitgrößten venezolanischen Stadt Maracaibo rief die beiden Kontrahenten dazu auf, eine Gesellschaft des Friedens und der Demokratie zu errichten.

Nur wenig später waren die Fronten geklärt. Nach einer nervenaufreibenden Wartezeit trat die Führungsriege der staatlichen Wahlkommission CNE am späten Abend vor die internationale Presse und verkündete den Wahlsieg des Amtsinhabers. Nur Sekunden später begann von den Dächern der Universitäten der Hauptstadt ein ohrenbetäubendes Feuerwerk.

Dass sich Amtsinhaber Chávez gegen Henrique Capriles durchsetzen konnte, sei wenig überraschend: „Der Herausforderer hatte kaum die Möglichkeit, sich in den Medien zu präsentieren. Chávez hatte die gesamte Presse- und Medienlandschaft hinter sich“, erklärt Reiner Wilhelm gegenüber dem Domradio.

Zwar büßte Chávez im Vergleich zur letzten Präsidentschaftswahl vor sechs Jahren dramatisch an Prozentpunkten ein und verpasste auch das selbstgesetzte Wahlziel von zehn Millionen Stimmen mit 7,4 Millionen Stimmen deutlich. Doch der satte Vorsprung reicht als Legitimation allemal aus, um das „Projekt des Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ zumindest für sechs weitere Jahre fortzusetzen.

„Es lebe Christus, es lebe die Revolution und es lebe Venezuela“

—  Zitat: Hugo Chávez

Chávez vor großen Herausforderungen

Chávez selbst hat die Messlatte für seine neue Amtszeit hoch gelegt. Die Armut und die Arbeitslosigkeit wolle er bis 2019 komplett ausradieren, hatte er versprochen. „Es lebe Christus, es lebe die Revolution und es lebe Venezuela“, jubelte Chávez vom Balkon des Präsidentenpalasts, nachdem er minutenlang siegestrunken mit seinen Anhängern patriotische Lieder gesungen hatte.

Der Erfolg verschafft Chávez die dringend benötigte Zeit, lange aufgeschobene Reformen einzuleiten und einen Nachfolger aufzubauen. Der 58-Jährige, gerade von einer Krebserkrankung genesen, wirkte im Wahlkampf längst nicht mehr so energiegeladen wie in den Jahren zuvor. Seine Gesundheit wird auch in den kommenden sechs Jahren ein intensiv diskutiertes Thema sein.

Die Aufgaben, die auf ihn warten, sind immens: Chávez muss die marode Ölindustrie modernisieren. Venezuela verfügt über riesige Erdöl- und Erdgasvorkommen, die aber nur mit großem Aufwand und internationalem Know-How zu fördern sind. Fachkräfte aus anderen Ländern scheuen aber wegen der hohen Kriminalitätsrate ein Engagement in dem südamerikanischen Land. Länderreferent Wilhelm weiß: „Morde und Entführungen sind an der Tagesordnung“. Man gebe in Venezuela inzwischen mehr für die Sicherheit aus als für Lebensmittel und Kultur.

Das Wahlergebnis unterstreicht einmal mehr die tiefe Spaltung der venezolanischen Gesellschaft: „Nur 54 Prozent der Menschen haben Chávez gewählt“, betont Reiner Wilhelm. Der restliche Teil der Wählerschaft sei gegen Chávez . Die Polarisierung innerhalb der Gesellschaft sei eine große Herausforderung für den Präsidenten, erklärt der Venezuela-Experte.

Immerhin gingen beide Seiten nach dem Wahlabend aufeinander zu. Capriles erkannte den Wahlsieg des Amtsinhabers an, Chávez würdigte dies als wichtigen Schritt „zu Frieden im Land.“ Ob es allerdings tatsächlich zu einem Dialog kommt, wie Chávez verlangt, steht auf einem anderen Blatt. Im Wahlkampf war der Präsident einer direkten Debatte mit Capriles noch aus dem Weg gegangen.

Venezuelas Opposition ist durch den Wahlkampf gestärkt, doch welche Belastung das Mehrparteienbündnis aushält, muss sich erst in der Realität zeigen. Capriles hat eine gewaltige Propaganda-Maschine der Regierung gegen sich. Dies über sechs Jahre hinweg durchzustehen, erfordert Ausdauer und Durchsetzungsvermögen. (KNA/Domradio/Kretschmann)

 

Das vollständige Interview mit Reiner Wilhelm (Adveniat Länderreferent Venezuela) finden Sie bei Domradio .