
Überfluss macht Hunger
Rund sieben Milliarden Menschen leben aktuell auf der Erde – und die Bevölkerungszahl steigt weiter. Laut der Stiftung Weltbevölkerung kommen jede Sekunde rund drei Menschen hinzu. Mit der wachsenden Zahl der Weltbevölkerung steigt auch der globale Bedarf an Nahrungsmitteln – eine gute Zukunftsperspektive für Kleinbauern, könnte man denken.
Aktualisiert: 11.07.2015
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Rund sieben Milliarden Menschen leben aktuell auf der Erde – und die Bevölkerungszahl steigt weiter. Laut der Stiftung Weltbevölkerung kommen jede Sekunde rund drei Menschen hinzu. Mit der wachsenden Zahl der Weltbevölkerung steigt auch der globale Bedarf an Nahrungsmitteln – eine gute Zukunftsperspektive für Kleinbauern, könnte man denken.
Die Realität sieht leider ganz anders aus, erläuterte Kerstin Lanje, Misereor-Referentin für Welthandel und Ernährung, am Mittwoch gegenüber katholisch.de. „Die gesamte Landwirtschaft in den Entwicklungsländern wurde auf den Export orientiert. Die Regierungen haben ihre Agrarsektoren so umstrukturiert, dass Kleinbauern im Grunde gar keine Rolle mehr spielen“, so Lanje. Dadurch verlören die einheimischen Landwirte den Anschluss zum Markt, ihre Ernährungsgrundlage sei gefährdet. „Kleinbauern sind in dem Gebilde aus multinationalen Konzernen, Agrarlobby und Weltmarktorientierung nicht relevant, sie kommen einfach nicht vor.“
Angesichts dieser Herausforderungen fordert Misereor einen Wandel der Agrarpolitik weg von einer einseitigen Weltmarktorientierung und hin zu einer stärkeren Förderung einheimischer, kleinbäuerlicher Nahrungsmittelproduktion. Das Menschenrecht auf Nahrung müsse Vorrang vor dem Streben nach Gewinn haben.
Darüber hinaus ist laut Misereor die zunehmende Spekulation mit Nahrungsmitteln ein erhebliches Problem. „Seit dem Jahr 2000 suchen Finanzakteure verstärkt nach neuen Anlagemöglichkeiten“, so Lanje. Angesichts der steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln sei damals schon absehbar gewesen, dass auch die Preise hierfür in die Höhe schnellen würden. „Und genau darauf setzen Finanzspekulanten“, sagte die Referentin gegenüber katholisch.de. Die Folge seien stark schwankende und zunehmend hohe Preise. Dies träfe zuerst die Ärmsten der Armen. Für arme Familien, die - bis zu 70 Prozent ihres Einkommens für den Kauf von Grundnahrungsmitteln ausgäben, sei dies eine Katastrophe.
„Kleinbauern sind in dem Gebilde aus multinationalen Konzernen, Agrarlobby und Weltmarktorientierung nicht relevant, sie kommen einfach nicht vor.“
Tank, Trog oder Teller
Was kann nun jeder Einzelne angesichts dieser problematischen Entwicklung tun? Seinen eigenen Konsum kritisch zu hinterfragen, sei schon ein erster Schritt in die richtige Richtung, so Lanje. Misereor-Bischof Werner Thissen hatte anlässlich des Welternährungstags am vergangenen Dienstag dazu aufgerufen, weniger Fleisch zu essen. Der großflächige Anbau von Futtermitteln verursache in den Entwicklungsländern einen erheblichem Flächendruck: „Die Flächen, die wir im Süden für den Sojaanbau nutzen, führen zur Verdrängung bäuerlicher Familienbetriebe", hatte Thissen erklärt. Ernährungsexpertin Lanje ergänzte, dass dieser Flächendruck zusätzlich durch den Anbau von Agrartreibstoffen erhöht werde: „Die Stichworte lauten hier Tank, Trog oder Teller. Wir fordern nicht, auf den Anbau von Futtermittel zu verzichten. Man muss sich vielmehr alle drei Bereiche anschauen und genau überlegen, wie sich diese nachhaltig gestalten lassen.“
Mehr Informationen, Studien und Positionspapiere zum Thema finden Sie auf www.misereor.de .