Mali: Mal wieder ohne Regierung
In Mali reißt das politische Chaos nicht ab. Nach einem Staatsstreich und der Übernahme des Nordens durch radikale Islamisten und Terroristen steht das westafrikanische Land wieder einmal ohne Regierung dar. Dabei wollen viele Malier nur eins: Für die verfahrene Situation muss möglichst schnell eine Lösung gefunden werden – zur Not auch mit einem Militäreinsatz.
Aktualisiert: 22.06.2022
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In Mali reißt das politische Chaos nicht ab. Nach einem Staatsstreich und der Übernahme des Nordens durch radikale Islamisten und Terroristen steht das westafrikanische Land wieder einmal ohne Regierung dar. Dabei wollen viele Malier nur eins: Für die verfahrene Situation muss möglichst schnell eine Lösung gefunden werden – zur Not auch mit einem Militäreinsatz.
„Wir hier in Mali sind wirklich überrascht worden“, fasst Soumana Coulibaly, Leiter der Hilfsorganisation ENDA Mali, ein Partner der Caritas in Deutschland, die Ereignisse in der Nacht zum Dienstag zusammen. Im Radio läuft kein anderes Thema; auch auf den Straßen wird über das Ende der Regierung von Ministerpräsident Cheick Modibo Diarra diskutiert.
Dieser war in der Nacht in seinem Privathaus festgenommen worden – von Militärs, die im Auftrag von Hauptmann Amadou Haya Sanogo gehandelt haben sollen. Kurze Zeit später wurde Diarra zwar wieder auf freien Fuß gesetzt. Doch in einer kurzen Ansprache im staatlichen Fernsehen erklärte er nervös den Rücktritt der gesamten Übergangsregierung.
Dabei war Diarra doch auf Anraten der Putschisten zum Regierungschef gemacht worden. Sie hatten unter Hauptmann Sanogo am 22. März den vorigen Präsidenten Amadou Toumani Toure (ATT) gestürzt – wohl hauptsächlich, weil sich im Norden die MNLA, die Befreiungsbewegung von Azawad, immer stärker ausbreitete und die malische Armee völlig machtlos war.
Sanogo galt in Bamako kurze Zeit später zwar keinesfalls als Held, unsympathisch war er vielen Maliern aber nicht. Denn es gab die Hoffnung, dass neue Machtverhältnisse in der Hauptstadt den Konflikt im Norden lösen könnten. Noch immer klebt sein Konterfei auf vielen Mopeds und Autos in Bamako; in aller Eile wurden Aufkleber des Putschisten gedruckt.
Islamistische Gruppen beherrschen weiterhin den Norden des Landes
Trotz aller Hoffnung hat sich die Krise im Norden in den vergangenen Monaten massiv verschärft. Die MNLA ist kaum noch ein Machtfaktor. Stattdessen werden weite Teile der Region von islamistischen Gruppierungen wie „Ansar Dine“ (Verfechter des Glaubens), „Mujao“ (Bewegung für Einheit und Jihad in Westafrika) und dem westafrikanischen Al-Kaida-Arm AQMI beherrscht. Bekämpft werden sollten diese nun mit internationalen Streitkräften. Dafür hatte sich Ex-Premier Diarra ausgesprochen.
Doch genau das soll nun zu seinem Sturz geführt haben. Hauptmann Sanogo gilt als Gegner einer internationalen Militärintervention, weil er damit an Macht verlieren könnte. Wie wichtig ihm das ist, hat er mit der mutmaßlichen Entscheidung zur Verhaftung Diarras gezeigt. Und auch, wie stark sein Einfluss offenbar noch immer ist. Doch vermutlich hat er genau damit gegen den Willen vieler Menschen gehandelt.
Hunderte demonstrierten für internationale Militärintervention
Nach Worten Soumana Coulibalys würde ein Militäreinsatz mit ausländischer Hilfe auf breite Unterstützung stoßen. Erst am Samstag hatten dafür im Zentrum Bamakos mehrere hundert Menschen demonstriert. Die Forderung richtet sich hauptsächlich an die Vereinten Nationen und dessen Generalsekretär Ban Ki-Moon. Dieser hatte der Afrikanischen Union einen Einsatz gegen Terroristen empfohlen, aber auch vor den Risiken gewarnt.
Coulibaly, dessen Organisation unter anderem im Bildungssektor aktiv ist, wünscht sich im Moment nur eines: dass bis spätestens Ende der Woche die neue Regierung steht. „Diese Situation hat hier ganz viel Unsicherheit erzeugt. Für uns wird es schwerer werden, in einer solchen Situation überhaupt zu arbeiten“, sagt er.
Diese Unsicherheit betrifft große Teile der Bevölkerung. Auch Azima Mohammed Ag Ali. Der Tuareg aus Timbuktu liebt seine Heimat, schwärmt von der mystischen Stadt, die eine so lange Geschichte hat. Doch wann er mit seiner Frau und den drei Söhnen dorthin zurückkehren kann, weiß er nicht. „Wir haben keine Ahnung. Wir müssen abwarten“, sagt er – und will die Kinder erst mal in einer Schule in Bamako anmelden. Gut möglich, dass sich das mit der Absetzung der Regierung nun noch einmal verzögert. Sanogo hat angekündigt, innerhalb weniger Stunden einen neuen Regierungschef und eine neue Übergangsregierung zu finden. Bis zum späten Dienstagnachmittag war das allerdings noch nicht geschehen.
Von Katrin Gänsler (KNA)