Weihnachten in der Ferne feiern
Ob die Kirchen und Häuser der Christen im Norden Malis noch stehen, kann niemand genau beantworten. Spätestens als die Befreiungsbewegung von Azawad (MNLA) am 6. April den Staat Azawad ausrief, flüchteten vermutlich die wenigen Christen, die noch nördlich des Nigers lebten, in den Süden. Damit entgingen sie auch den radikalen Islamisten, die seit Mitte April den Norden unter ihre Kontrolle brachten. Fern der Heimat bereiten sich Malis Christen nun auf Weihnachten vor – als Flüchtlinge im eigenen Land.
Aktualisiert: 23.03.2023
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Ob die Kirchen und Häuser der Christen im Norden Malis noch stehen, kann niemand genau beantworten. Spätestens als die Befreiungsbewegung von Azawad (MNLA) am 6. April den Staat Azawad ausrief, flüchteten vermutlich die wenigen Christen, die noch nördlich des Nigers lebten, in den Süden. Damit entgingen sie auch den radikalen Islamisten, die seit Mitte April den Norden unter ihre Kontrolle brachten. Fern der Heimat bereiten sich Malis Christen nun auf Weihnachten vor – als Flüchtlinge im eigenen Land.
„Weihnachten? Was soll ich Großartiges machen? Ich werde beten, den ganzen Tag“, sagt Elise Garibou Quologueus. Sie sitzt im Pfarrbüro der katholischen Missionsstation von Bandiagara. Die Stadt in Zentralmali war einst ein beliebter Ausgangspunkt für Reisen ins Land der Dogon. Aber Touristen kommen heute nicht mehr.
Zwar steht die Region anders als der Norden noch unter Kontrolle der Regierung. Polizei- und Militärpräsenz wurden schon vor Monaten verstärkt. Doch als Reiseziel ist sie viel zu gefährlich. Denn die Grenze nach Azawad, wo sich neben Separatisten und Islamisten auch Anhänger der Gruppen Mujao (Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika) und AQMI, dem Al-Kaida-Zweig in Westafrika, aufhalten, verläuft nur etwa 100 Kilometer von hier.
Dankbar, am Leben zu sein
Doch für Elise Garibou Quologueus und ihre vier Kinder bedeutet Bandiagara immerhin ein wenig Frieden und Ruhe. „Wir können dankbar sein, dass wir noch am Leben sind“, sagt sie und streicht über ihren blauen Rock. Für dieses Weihnachtsfest muss das reichen. Geschenke kann sich die Witwe ohnehin nicht leisten. Sie ist froh, eine Unterkunft gefunden zu haben. Sie kann Lebensmittel kaufen; der Alltag funktioniert einigermaßen. Aber sie quält die Frage, ob sie je wieder nach Gao zurückkehren kann.
Dort hat Elise 20 Jahre lang gewohnt. Die Stadt im Norden ist ihre Heimat geworden. Zehn Jahre lang arbeitete sie dort in der Kirchengemeinde und somit für eine kleine Minderheit. Etwa 90 Prozent der Malier sind Muslime. Nördlich des Nigerflusses gelten die Christen als Zugezogene aus dem Süden. Trotzdem kann sich Elise nicht an echte Schwierigkeiten oder Zwischenfälle erinnern.
Flucht gen Süden
Anfang April änderte sich das. Als die Gruppe Ansar Dine (Verfechter des Glaubens) immer weiter vorstieß und die Region Schritt für Schritt von der MNLA eroberte, bekam Elise Angst. „Eines Nachts rief jemand: Jetzt holen sie die Christen.“ Eine Angst, wie sie sie vorher noch nie erlebt hatte. In aller Eile packte Elise die Koffer für sich und ihre Kinder; sie bekam eine Mitfahrgelegenheit auf einem LKW und kam am 4. April in Bandiagara an.
Dass der Islam in Mali als besonders tolerant gilt, bestätigt Jean-Jacques Mukanga. Der katholische Priester stammt aus der Demokratischen Republik Kongo und lebt seit acht Jahren in dem westafrikanischen Land. Auch er arbeitete mehrere Jahre in Gao, wo die Kirche etwa eine Schule betrieb. Nun ist alles geschlossen; eine Rückkehr ist in der momentanen Situation sehr unwahrscheinlich. Dabei ist Mukanga sicher: „In Mali gibt es weiterhin nur eine sehr kleine Gruppe, die einen strengen Islam und die Einführung der Scharia begrüßt.“ Die meisten der Befürworter seien nicht mal Malier, sondern angeheuerte ausländische Kämpfer.
Beten für eine friedliche Lösung
Nach dem Wunsch vieler Malier sollten diese ausländischen Kämpfer am besten mit einer Militärintervention vertrieben werden. In dem westafrikanischen Staat mit seinen rund 13 Millionen Einwohnern ist es das Diskussionsthema schlechthin. Vor allem die zögerliche Haltung der internationalen Gemeinschaft findet kein Verständnis mehr. Ein Krieg ist für den Priester Mukanga jedoch der letzte Ausweg. „Natürlich gäbe es die Chance, diesen zu gewinnen. Aber wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, was wir anrichten und welche Folgen er haben wird. Könnten die Menschen anschließend wieder friedlich zusammenleben?“ Er hofft deshalb immer noch: Es muss sich eine friedliche Lösung finden lassen. Und genau dafür will er zu Weihnachten beten.
Von Katrin Gänsler