Bamakos Erzbischof setzt auf Versöhnungsprojekte
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Bamakos Erzbischof setzt auf Versöhnungsprojekte

Nach der Militärintervention unter der Federführung Frankreichs herrscht in Mali Erleichterung. Die Terroristen und Islamisten sind aus den Städten Gao, Timbuktu und Kidal vertrieben worden. Im Norden muss niemand mehr Angst vor der Einführung der Scharia haben. Der Erzbischof von Bamako, Jean Zerbo, warnt jedoch vor zu großem Optimismus. Die Krise in Mali sei noch lange nicht beendet, sagte er. Zunächst müsse man sich nun die Frage stellen, warum sich Terroristen und Islamisten ausgerechnet im Norden Malis ausgebreitet hätten.

Erstellt: 04.02.2013
Aktualisiert: 23.03.2023
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Nach der Militärintervention unter der Federführung Frankreichs herrscht in Mali Erleichterung. Die Terroristen und Islamisten sind aus den Städten Gao, Timbuktu und Kidal vertrieben worden. Im Norden muss niemand mehr Angst vor der Einführung der Scharia haben. Der Erzbischof von Bamako, Jean Zerbo, warnt jedoch vor zu großem Optimismus. Die Krise in Mali sei noch lange nicht beendet, sagte er. Zunächst müsse man sich nun die Frage stellen, warum sich Terroristen und Islamisten ausgerechnet im Norden Malis ausgebreitet hätten.

Als Besorgnis erregend wertet er, dass nicht nur für die Befreiungsbewegung von Azawad (MNLA), sondern auch für die radikal-islamistischen Gruppierungen Ansar Dine (Verfechter des Glaubens) und die Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO) sowohl Malier als auch Afrikaner aus den Nachbarländern gekämpft hätten. „Dabei ist Mali stets für seine Toleranz bekannt gewesen. Diese Menschen haben nun gegen die eigene Toleranz und Kultur gekämpft“, so der Erzbischof.

Mitverantwortlich dafür sei auch die Entwicklung im Nachbarland Libyen gewesen. Dort lebten bereits vor dem politischen Umsturz viele Malier, die dann auf der Seite von Muammar Al-Gaddafi kämpften. Anschließend brachten sie Waffen und Ausrüstung mit zurück in ihre Heimat.

Kritik an materialistischer Gesellschaft

Darüber hinaus habe sich die Gesellschaft in Afrika generell verändert, so der Erzbischof. Früher habe diese auf Gemeinschaft und einer gewissen Form von Hierarchie basiert. „Heute ist unsere Gesellschaft zu materialistisch geworden“, kritisiert Jean Zerbo. Deshalb sei es einfach, junge Kämpfer für wenig Geld zu rekrutieren.

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Sorge um Nachbarstaaten

Sorgen bereitet dem Erzbischof auch, dass völlig unklar ist, wohin Islamisten und Terroristen abgezogen sind und in welchem Land sie sich womöglich nun ausbreiten. „Selbstverständlich gibt es sie weiterhin. Das Problem existiert. Daher könnte sich nun in den Nachbarstaaten dieser Konflikt wiederholen“, befürchtet er. Der Erzbischof appellierte an die Verantwortlichen, Schlüsse aus den Erfahrungen in Mali zu ziehen, etwa, dass man frühzeitig gegen Islamisten vorgehen müsse. „In unserem Fall war beispielsweise klar, dass die Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQMI) im Norden operiert. Aber zuerst galt das Problem als klein, weshalb man lange abgewartet hat.“

In Mali bekennen sich mehr als 90 Prozent der Einwohner zum Islam, der jedoch als sehr tolerant gilt. Die katholische Kirche ist eine kleine Minderheit, der nur ein bis zwei Prozent der 14 Millionen Einwohner angehören.

Rückkehr zur Normalität

Mali selbst muss sich aus Sicht des Erzbischofs nun zunächst von dem Krieg erholen. „Die Lage in Mali ist nach wie vor ernst.“ Die Zurückeroberung des Nordens sei nur der erste Schritt gewesen. Nun sei die Rückkehr zu einer rechtsstaatlichen Ordnung und die Stärkung der politischen Institutionen entscheidend.

„Nur mit einer echten Versöhnung lassen sich die Erfahrungen des Krieges überwinden.“

—  Zitat: Joseph Tandem Diarra, Priester und Präsident der katholischen Universität Westafrikas

Seit dem Militärputsch vom 22. März 2012 wird das westafrikanische Land von einer Übergangsregierung regiert. Diese ist nicht demokratisch legitimiert und galt in der Vergangenheit häufig als schwach und zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Gerade auf internationaler Ebene wurden in den vergangenen Monaten Forderungen nach Wahlen laut. Nach Bekunden von Interimspräsident Dioncounda Traore soll nun bis Ende Juli gewählt werden. Allerdings sind viele Fragen noch nicht geklärt; der Zeitplan gilt als extrem eng.

Für mindestens ebenso wichtig wie Wahlen hält Zerbo jedoch etwas anderes: „Es muss eine Versöhnung geben“, sagt er. Das empfiehlt auch Joseph Tandem Diarra, Priester und Präsident der katholischen Universität Westafrikas mit Sitz in Bamako. „Nur mit einer echten Versöhnung lassen sich die Erfahrungen des Krieges überwinden“, sagt der Priester unter Verweis auf Berichte von Menschenrechtsorganisationen, die wiederholt Vergewaltigungen, Plünderungen und die Rekrutierung von Kindern angeprangert hatten. „Uns ist in Mali klar geworden: Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Deshalb fängt unsere Arbeit jetzt erst an“, sagt Joseph Tandem Diarra.

Von Katrin Gänsler