Mali: „Es ist eine große Verunsicherung zu spüren“

Mali: „Es ist eine große Verunsicherung zu spüren“

Monatelang hatten Islamisten den Norden Malis besetzt gehalten. Durch die Unterstützung des französischen Militärs konnten inzwischen viele von den besetzten Städten zurückerobert werden. Doch die Lage im Land ist weiterhin höchst instabil. Dies bekommen auch die Salesianer Don Boscos zu spüren. Sie sind seit über 30 Jahren vor allem im ländlichen Raum Malis aktiv. Ulla Fricke, Pressesprecherin der Don Bosco Mission, berichtet von der derzeitigen Situation im Land.

Erstellt: 14.02.2013
Aktualisiert: 23.03.2023
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Monatelang hatten Islamisten den Norden Malis besetzt gehalten. Durch die Unterstützung des französischen Militärs konnten inzwischen viele von den besetzten Städten zurückerobert werden. Doch die Lage im Land ist weiterhin höchst instabil. Dies bekommen auch die Salesianer Don Boscos zu spüren. Sie sind seit über 30 Jahren vor allem im ländlichen Raum Malis aktiv. Ulla Fricke, Pressesprecherin der Don Bosco Mission, berichtet von der derzeitigen Situation im Land.

Frage: Frau Fricke, Sie hatten vor wenigen Tagen einen Ordensmann aus Mali zu Besuch. Was hat er Ihnen erzählt?

Fricke: Bruder Hernán Cordero, der bei der Don Bosco Mission für Westafrika zuständig ist, hat die malischen Mitbrüder vor kurzem besucht. Wir haben in dem Land insgesamt drei Don Bosco Zentren, zwei davon im Süden, in Bamako und Sikasso. Dort ist die Lage vor allem für die ausländischen Mitbrüder, vier spanische Salesianer, unsicher. Denn jetzt, wo die ausländischen Truppen kommen, wissen sie nicht, ob sie speziell als weiße Ausländer Racheakten oder ähnlichem durch die Bevölkerung ausgeliefert sind. Sie verhalten sich daher erst einmal still und bleiben im Zentrum.

In unserer dritten Einrichtung in der Stadt Touba, die im Osten relativ nah an der Front liegt, kommen zum Teil sehr viele Flüchtlinge an. Diese können zumeist familiär untergebracht werden. Die Salesianer helfen dort vor allem, indem sie Lebensmittel zur Hälfte des Preises abgeben. Denn viele dieser Familien geraten durch die Neuaufnahme von 10 bis 15 Familienangehörigen natürlich in wirtschaftliche Not. Generell ist eine große Verunsicherung bei den Leuten zu spüren.

Bild: © Don Bosco Mission

Frage: Waren die Flüchtlinge auch von den Kampfhandlungen betroffen?

Fricke: Die Flüchtlinge, mit denen Hernán gesprochen hat, haben nicht direkt etwas von Kampfhandlungen erwähnt. Viele sind präventiv geflohen, die Angst vor Islamisten ist sehr groß. Hernán Cordero berichtet jedoch auch, dass die Menschen vor allem wütend darüber sind, dass ihr Land zum Spielball wirtschaftlicher Interessen geworden ist. Denn diese Auseinandersetzung ist primär wirtschaftlich motiviert; durch den Krieg kann man eben sehr viel Geld verdienen. Mali ist eine Hauptroute des Menschenhandels und von Drogen, die nach Europa gelangen – das sind natürlich lukrative Geschäfte.

„Die Menschen sind vor allem wütend darüber, dass ihr Land zum Spielball wirtschaftlicher Interessen geworden ist.“

Frage: Haben die Menschen auch Angst vor den Islamisten?

Fricke: Wir sind ja nun als Christen in einem mehrheitlich muslimischen Land präsent. Hernán erzählte, dass die meisten Menschen – und insbesondere die jungen Leute, mit denen wir in unseren Berufsbildungszentren arbeiten – die radikale Islamisierung stark ablehnen. Sie wollen lieber lernen, wie man eine elektrische Schaltung verlegt, als sich in theologisch-religiöse Diskussionen zu verstricken. Das sind auch einfach junge Menschen, die mal einen ausländischen Film sehen oder Freizeitangebote wahrnehmen wollen. Durch die Scharia vermuten sie eine weitere Beschneidung ihrer Freiheiten.

Frage: Wie bewerten die Menschen den französischen Kampfeinsatz vor diesem Hintergrund?

Fricke: Meist positiv, zumindest im ersten Schritt. Hernán hat allerdings auch betont, dass er nicht weiß, was danach passiert. Zunächst einmal wird die Präsenz der französischen Truppen begrüßt, insbesondere wenn man berücksichtigt, wie das malische Militär von den islamistischen Gruppen überrannt worden ist. Hernán warnt jedoch auch vor einem zweiten Afghanistan. Mali ist unkontrollierbar. Es ist ein großes Land mit enormen Rückzugsmöglichkeiten. Es besteht die Gefahr, dass der Fokus jetzt am Anfang sehr stark auf Mali liegt, sich die Kameras jedoch bald wegdrehen und sich langfristig doch nichts ändert.

Das Interview führte Agathe Lukassek

Zwei Organisationen – ein Ziel

Gleich zwei Organisationen, die den weltweiten Zentren der Salesianer Don Boscos zur Seite stehen, haben ihren Sitz in Bonn: Don Bosco Mondo und Don Bosco Mission. Als Einrichtung der Salesianer Don Boscos vertritt Don Bosco Mission die internationalen Anliegen des Ordens in Deutschland. In der Entwicklungsarbeit fokussiert sich Don Bosco Mission ganz besonders auf gefährdete Jugendliche und Straßenkinder und kooperiert intensiv mit katholischen Hilfswerken. Don Bosco Mondo ist eine rechtlich selbstständige Nichtregierungsorganisation. Sie konzentriert sich auf Bildung, berufliche Ausbildung, Nothilfe und die Vertretung der Rechte von Kindern und Jugendlichen weltweit.