
„Benedikt XVI. trat kein einfaches Erbe an“
Der 34-jährige Islamwissenschaftler Hussein Hamdan arbeitet an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Dort kümmert er sich unter anderem um ein Projekt zu jungen, in Deutschland aufgewachsenen Muslimen. In einem Gastbeitrag beschreibt Hamdan, der in Tübingen über christlich-islamischen Dialog promoviert, welchen Blick Muslime auf das an diesem Donnerstag endende Pontifikat von Papst Benedikt XVI. haben:
Aktualisiert: 11.07.2015
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Der 34-jährige Islamwissenschaftler Hussein Hamdan arbeitet an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Dort kümmert er sich unter anderem um ein Projekt zu jungen, in Deutschland aufgewachsenen Muslimen. In einem Gastbeitrag beschreibt Hamdan, der in Tübingen über christlich-islamischen Dialog promoviert, welchen Blick Muslime auf das an diesem Donnerstag endende Pontifikat von Papst Benedikt XVI. haben:
„In seinem knapp achtjährigen Pontifikat hatte Papst Benedikt XVI. einige Berührungspunkte mit dem Islam. Dabei trat er kein einfaches Erbe an: Johannes Paul II. hatte sich im Laufe seiner Amtszeit in der islamischen Welt ein gewisses Ansehen erarbeitet und den Aufbau guter Beziehungen mit Muslimen gefördert.
Diskussion um die Regensburger Rede
Diese Beziehungen stellte Benedikt XVI. im September 2006 mit seiner Regensburger Rede auf eine harte Probe. In seiner Ansprache hatte der Papst einen byzantinischen Kaiser zitiert, der dem Propheten Mohammed vorwarf, nur Schlechtes und Inhumanes hervorgebracht zu haben. Dadurch fühlten sich Muslime weltweit provoziert und es kam zum Teil zu folgenschweren Reaktionen. Nicht wenige, auch nichtmuslimische Beobachter warfen dem Papst eine gezielte Provokation vor und forderten mehr Fingerspitzengefühl. Schließlich lag der Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen noch nicht lange zurück.
In der Folgezeit nutzte der Papst einige Gelegenheiten, um die Wogen wieder zu glätten. Am Eindrücklichsten war sein Besuch in der Türkei Ende 2006, wo er in der Blauen Moschee mit dem Istanbuler Großmufti zusammenkam und das muslimische Gebet begleitete. Als erster Papst überhaupt betrat er dann 2009 in Jerusalem den Felsendom – eines der wichtigsten islamischen Heiligtümer.

„A common word between us and you”
Weitere Reisen in muslimisch-geprägte Länder führten den Papst nach Jordanien und den Libanon. 2008 entstand dann zwischen dem Vatikan und islamischen Vertretern ein katholisch-muslimisches Forum, das auf die Initiative A common word between us and you („Kommt auf ein gemeinsames Wort zwischen uns und euch“) zurückgeht, ein an die christlichen Oberhäupter adressiertes Schreiben von 138 muslimischen Persönlichkeiten. Dieses Forum tagte mittlerweile zwei Mal und könnte künftig einen bedeutenden Stellenwert im Dialog zwischen Katholiken und Muslimen haben. Besonders versöhnliche Worte fand der Papst bei seinem Deutschlandbesuch im September 2011. In seiner Begegnung mit Repräsentanten des Islam bezeichnete er die Muslime als „Merkmal dieses Landes“.
Regensburger Rede hinterlässt bleibende Spuren
Doch trotz Besuchen, Aussagen und Gesten: Bei vielen Muslimen hat die Regensburger Rede bis heute Spuren hinterlassen und viel Kredit verspielt. Die renommierte Al-Azhar-Universität in Kairo, die sich gerne als muslimisches Pendant zum Vatikan sieht, fror vor zwei Jahren den Dialog mit dem Vatikan ein. Beide Institutionen verband seit 1998 ein Dialogabkommen; 2000 hatte Johannes Paul II. der Hochschule sogar einen Höflichkeitsbesuch abgestattet. Grund für den Abbruch der Beziehungen waren Äußerungen von Benedikt XVI. nach einem Anschlag auf Kopten in der Silvesternacht 2010/2011. Der Papst erklärte, man müsse die Christen in Ägypten und im Irak besser beschützen. In Kairo wurde das als äußere Einmischung in innere Angelegenheiten verstanden. Auch diese sensible Reaktion kann nur vor dem Hintergrund der Regensburger Rede verstanden werden.
Aus muslimischer Sicht könnte es dem Ansehen der katholischen Kirche vielleicht gut tun, wenn der nächste Papst ein Nichteuropäer wäre. Für das Verhältnis mit der islamischen Welt wäre insbesondere ein asiatischer oder ein afrikanischer Vertreter aus einem multireligiösen Herkunftsland von Vorteil. Er könnte Erfahrungen aus dem Dialog der Religionen mit ins Amt bringen. Das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen kann in Zukunft ausschlaggebend für den Weltfrieden sein. Dafür benötigt es dialogbereite Vorbilder. Nicht nur, aber auch im Vatikan."
Von Hussein Hamdan