Gott lebt in der Stadt
Bild: © Köß/DBK

Gott lebt in der Stadt

Kongress Großstadtpastoral ‐ Auf dem Weg zur Universidad Iberoamericana, in der gestern Nachmittag der Kongress zur Großstadtpastoral eröffnet wurde, sprach ich mit dem Taxifahrer über Kirche und Religion in Mexiko. Er sei auch katholisch, aber nur auf dem Papier, eigentlich sei er „Guadalupeño“, habe also größtes Vertrauen zur Jungfrau von Guadalupe, mehr als zu Jesus Christus. Das war für mich eine schöne, persönliche Einführung in das Thema „religiöse Vielfalt einer Großstadt“, das beim Kongress noch eine Rolle spielen wird.

Erstellt: 27.02.2013
Aktualisiert: 11.07.2015
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Auf dem Weg zur Universidad Iberoamericana, in der gestern Nachmittag der Kongress zur Großstadtpastoral eröffnet wurde, sprach ich mit dem Taxifahrer über Kirche und Religion in Mexiko. Er sei auch katholisch, aber nur auf dem Papier, eigentlich sei er „Guadalupeño“, habe also größtes Vertrauen zur Jungfrau von Guadalupe, mehr als zu Jesus Christus. Das war für mich eine schöne, persönliche Einführung in das Thema „religiöse Vielfalt einer Großstadt“, das beim Kongress noch eine Rolle spielen wird.

Dort ging es um 14.30 Uhr offiziell los. Es trafen sich viele Bekannte aus ganz Lateinamerika, Theologen, Geistes- und Sozialwissenschaftler, einige Bischöfe und ehemalige Stipendiaten des Stipendienwerkes Lateinamerika-Deutschland (ICALA), das diesen Kongress mit ausrichtet. Auch mehrere Deutsche sind dabei, sodass sich die Sprachen mischen.

Babel oder Pfingsten?

Im Tagungsraum wurden mehrere Interpretationen dazu angeboten, was eine Großstadt ausmacht. Nach der Einführung von Prof. Dr. Margit Eckholt (Vorsitzende des ICALA-Kuratoriums, Osnabrück) benannten eine Soziologin, ein Städteplaner, ein Theologe und der Vorsitzende des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM, Erzbischof Dr. Carlos Aguiar Retes, aus ihren Perspektiven die Herausforderungen einer Großstadt. Da fand sich dann mein Taxifahrer als Vertreter einer kulturellen und religiösen Vielfalt wieder, die von den Vortragenden ganz unterschiedlich gedeutet wurde.

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Offenbar kommt es bei der Darstellung der Chancen und Probleme einer Großstadt entscheidend auf die Herangehensweise an, und damit auf die persönlichen Vorerfahrungen. Sehe ich z. B. in Mexiko-Stadt, die zu den fünftgrößten der Welt gehört und größer ist als manches europäische Land, ein modernes Babel, das an den Rändern immer weiter wächst und unregierbar wird, in dem außer dem Marktwert alles relativ wird und in der die katholische Kirche ihre Deutungshoheit schon lange verloren hat – oder sehe ich in Großstädten das kulturelle Leben pulsieren, die Lokalpolitiker und Stadtplaner zu Genies heranwachsen und sich die pfingstliche Vielfalt des christlichen Glaubens entfalten?

Zeugen und Missionare Christi

In Aparecida, der großen lateinamerikanischen Bischofsversammlung im Jahr 2007, wurde angesichts der komplexen Wirklichkeit in den modernen Großstädten die persönliche Sendung aller Christen hervorgehoben: „Wir sind Zeugen und Missionare in den Großstädten und auf dem Lande, auf den Bergen und in den Wäldern unseres Amerika, in allen gesellschaftlichen Milieus, auf den unterschiedlichsten ‚Areopagen‘ des öffentlichen Lebens der Nationen, in den äußersten Notlagen des Daseins, und wir übernehmen Verantwortung für die weltweite Sendung der Kirche ad gentes“ (Nr. 548, vgl. dort auch Nr. 509 ff.). Das klingt positiv, aber überfordert es nicht die einzelnen Christen? Wie hilft ihnen die Kirche, ihre Sendung anzunehmen? Mit Lamentieren über einen vermeintlichen Werteverfall ist es jedenfalls nicht getan. Das sieht mein Taxifahrer auch so. Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

Von Hartmut Köß