
„Franziskus lebt und predigt missionarische Leidenschaft“
Der neue Papst ist ein missionarischer Mensch – davon ist Pfarrer Pedro Brassesco überzeugt. Er ist Nationalsekretär der Pontificia Unión Misional (PUM) der Päpstlichen Missionswerke Argentiniens. Im Interview mit Missio Aachen erklärt Brassesco, wie wichtig es für Franziskus ist, die Kirche zu den Menschen auf der Straße zu bringen.
Aktualisiert: 11.07.2015
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Der neue Papst ist ein missionarischer Mensch – davon ist Pfarrer Pedro Brassesco überzeugt. Er ist Nationalsekretär der Pontificia Unión Misional (PUM) der Päpstlichen Missionswerke Argentiniens. Im Interview mit Missio Aachen erklärt Brassesco, wie wichtig es für Franziskus ist, die Kirche zu den Menschen auf der Straße zu bringen.
Frage: Welche Beziehung haben die päpstlichen Missionswerke in Argentinien zum neuen Papst Franziskus, der vor seiner Wahl am 13. März Erzbischof von Buenos Aires gewesen war? Und wie hat der heutige Papst ihre Arbeit unterstützt?
Brassesco: Die Beziehungen zwischen den Päpstlichen Missionswerken in Argentinien und Kardinal Jorge Mario Bergoglio waren immer sehr gut. Soweit es ihm möglich war, nahm er immer unsere Einladungen an. Er hielt beispielsweise regelmäßig den Eröffnungs- und Schlussgottesdienst bei den internationalen Kursen für Missionswissenschaften des nach Papst Johannes Paul II. benannten Missionszentrums Cono Sur für Priester, Ordensleute, Seminaristen, Laien und Studierende aus Argentinien, Chile, Paraguay und Uruguay. Auch am jüngsten nationalen Missionskongress hatte er als damaliger Erzbischof von Buenos Aires teilgenommen. Kardinal Bergoglio hat verschiedene Projekte und Anträge von uns an kirchliche Organisationen empfohlen und befürwortet. Wir haben ihn als einen Erzbischof empfunden, der für unsere Anliegen immer ein offenes Ohr hatte.
Frage: Welche Bedeutung hat denn der Begriff der Mission für Papst Franziskus?
Brassesco: Der neue Papst hat immer von einer Kirche mit offenen Türen gesprochen, aus denen die Gläubigen heraustreten müssen, um den Menschen außerhalb der Kirche zu begegnen. Der Stadtpastoral in Buenos Aires hat er einen großen Impuls gegeben. Er wollte eine Form der Mission und Neu-Evangelisierung, die die Kirche zu den Menschen auf der Straße bringt. Auf einem Kongress zu diesem Thema sagte er etwa, es sei wichtig, dass eine missionarische Leidenschaft in uns brenne, um in das Herz der Kultur unserer Zeit – und die Kultur lebt und entwickelt sich aus meiner Sicht besonders in den Städten – jenen einzigartigen Sinn zu bringen, den weder Wissenschaft noch Politik, weder Wirtschaft noch die Medien ihr geben könnten. In Christus, menschgewordenes Wort und Weisheit Gottes, so sagte er damals, könne die Kultur und jede Stadt ihr innerstes Zentrum und ihre Tiefe finden. Im Einklang mit dem Schlussdokument der Generalversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe von Apericida 2007 hat er eine Einstellung der „Jünger und Missionare“ vertreten, so formulierte es der neue Papst, die es allen ermögliche, den Glauben und die Nachfolge Christi zu vertiefen, ohne diesen zu verkürzen, weil, so sagte er, wir das Evangelium bekommen hätten, um es ganz zu verkünden.
Ich erinnere mich auch noch, wie er in einer Homilie beim nationalen Missionskongress warnte: Wenn dem Christen die Zunge träge oder bitter werde, höre er auf Christ zu sein, denn ein Christ könne nicht schweigen über das, was er gehört oder gesehen habe. Die Begegnung mit Jesus schließe immer auch Ablehnung und Verfolgung mit ein. Papst Franziskus schärfte uns weiter ein, dass, wenn uns die Botschaft Christi nicht mehr aufrüttelte, wir irgendetwas verkündigten, aber nicht das Evangelium. Deshalb bedeutet Mission für Papst Franziskus die Verkündigung des Evangeliums für alle, überall, mit Blick auf alle Lebensrealitäten, mit Mut und Tapferkeit, als Salz und Licht. Jüngst ermutigte er bei uns junge Menschen, die neu in die Missionsgruppen kamen, mit den Worten, ich zitiere wörtlich: „Habt keine Angst zu träumen, große Ideale zu haben, Zeugen des gestorbenen und durch Liebe wieder auferstandenen Jesus und Bauleute der Hoffnung zu sein. Habt die Gewissheit, dass Jesus nicht enttäuschen wird, sondern er sagt: Hier bin ich, ich bin das Leben in Fülle.“
Frage: Welche Rolle spielt eigentlich Franz Xaver, der große Jesuitenmissionar und Patron seiner Heimatpfarrei in Argentinien, für den neuen Papst Franziskus?
Brassesco: Ich glaube, er spielt eine große Rolle. Wir sehen den missionarischen Eifer Franz Xavers in den Gesten und Handlungen des neuen Papstes widergespiegelt, der der Kirche einen neuen Impuls geben will, damit sie in Berührung mit denjenigen kommt, die Christus nicht kennen oder sich von ihm entfernt haben. Papst Franziskus kommt aus Lateinamerika, wo in den vergangenen Jahren die Mission mit in den Mittelpunkt gerückt ist, um die pastoralen Strukturen für die Verkündigung des Evangeliums zu erneuern. Dies hat Papst Franziskus weniger in der Theorie als in der Praxis getan. Er hat hervorgehoben, dass man das Evangelium verkündet, indem man es selbst vorlebt anstatt nur mit Worten zu erklären.
Frage: Wie haben Sie die Wahl von Papst Franziskus persönlich erlebt?
Brassesco: Es war ein Moment der großen Freude, aber auch der großen Überraschung. Die Freude der Menschen war so groß, dass sie nicht wussten, wie sie sie ausdrücken sollten. Sie riefen spontan bei den Pfarreien an, um einem Priester zu gratulieren und viele gingen an diesem Tag zur Messe, um Gott für den neuen Papst Franziskus zu danken.
Frage: Kennen Sie den Papst persönlich? Welche Eindrücke haben Sie von ihm?
Brassesco: Ich kenne den neuen Papst von Veranstaltungen und Gottesdiensten in Buenos Aires. Er ist ein Priester, der sein Volk führt, mit ihm geht und seine Begleitung und Nähe spüren lässt. Seine Anwesenheit empfand ich als sehr diskret. Wenn man nicht gewusst hätte, dass es sich um den Kardinal handelte, konnte man ihn mit einem bloßen Priester verwechseln. Vor einigen Monaten traf ich den Papst bei einer Veranstaltung einer bedeutenden katholischen Zeitung, der zahlreiche Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Journalismus beiwohnten. Kardinal Bergoglio stand zwar immer in der Öffentlichkeit, aber er drängte sich niemals in den Vordergrund, sondern mischte sich auch hier sofort unter die Besucher. Der neue Papst hat seinen eigenen Stil. Er arbeitet mit Gesten und Symbolen. Seine Predigten und Reden sind aufrichtig, klar und konkret.
Das Interview führte Susanne Kruza.