
Kein Vertrauen in den Staat
Die Zahl der Flüchtlinge weltweit hat den höchsten Stand seit 18 Jahren erreicht. Ende 2012 waren 45,2 Millionen Menschen Flüchtlinge im Ausland oder Vertriebene im eigenen Land, teilten die Vereinten Nationen in Genf zum Weltflüchtlingstag am Donnerstag mit. Das Hilfswerk „Kirche in Not“ spricht von einer großen Dunkelziffer, die man dazurechnen müsste. Die Menschen fliehen vor allem vor dem Bürgerkrieg in Syrien – und lassen sich nicht bei der UN-Organisation registrieren, teilt das Hilfswerk mit.
Aktualisiert: 11.07.2015
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Die Zahl der Flüchtlinge weltweit hat den höchsten Stand seit 18 Jahren erreicht. Ende 2012 waren 45,2 Millionen Menschen Flüchtlinge im Ausland oder Vertriebene im eigenen Land, teilten die Vereinten Nationen in Genf zum Weltflüchtlingstag am Donnerstag mit. Das Hilfswerk „Kirche in Not“ spricht von einer großen Dunkelziffer, die man dazurechnen müsste. Die Menschen fliehen vor allem vor dem Bürgerkrieg in Syrien – und lassen sich nicht bei der UN-Organisation registrieren, teilt das Hilfswerk mit.
Der „Welttag der Migranten und Flüchtlinge“ geht auf eine Initiative von Papst Benedikt XV. (1914-1922) zum Beginn des Ersten Weltkriegs zurück. Er wurde später von den Vereinten Nationen übernommen und wird seit 2001 international am 20. Juni begangen.
Zuvor hatten viele Länder ihre eigenen nationalen Flüchtlingstage begangen. In diesem Jahr ist der Weltflüchtlingstag besonders der Situation von Familien auf der Flucht gewidmet – und liefert erschreckende Informationen über die Anzahl von Betroffenen und deren Schicksal.
Von den mehr als 45 Millionen Menschen, die das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) nennt, waren Ende letzten Jahres 28,8 Millionen Binnenvertriebene, 15,4 Millionen Flüchtlinge jenseits der Grenzen ihres Heimatlandes und 937.000 Asyl suchende.
Hauptgrund für Flucht und Vertreibung sei der Krieg, hieß es. Die meisten Flüchtlinge weltweit kommen aus Afghanistan, gefolgt von Somalia, Irak, Syrien und dem Sudan. Hauptsächlich nehmen Pakistan, Iran und Deutschland Flüchtlinge auf. In der Bundesrepublik leben nach der Statistik rund 590.000 Flüchtlinge. Die meisten jedoch leben in Entwicklungsländern (81 Prozent).
Kirche leistet Hilfen für Flüchtlinge
Den Flüchtlingen in aller Welt helfen insbesondere christliche Organisationen. „Die Kirchen springen dort ein, wo der Staat versagt, und ersetzen staatliche Hilfe in vielen Ländern sogar komplett“, sagte Kirche in Not -Geschäftsführerin Karin Maria Fenbert der Katholischen Nachrichten-Agentur. „Der UNHCR wäre mancherorts ganz einfach aufgeschmissen ohne die christlichen Hilfswerke.“ Hinzu komme, dass Menschen auf der Flucht vor Krieg und Terror kein Vertrauen in staatliche Hilfssysteme mehr hätten. „Gerade Flüchtlinge aus Syrien - Muslime wie Christen - haben uns erzählt, dass sie nur noch der Kirche vertrauen.“ Überdies biete die Kirche auch Seelsorge.
Fenbert weist darauf hin, dass sich derzeit syrische Flüchtlinge im Libanon aus Angst vor Abschiebung und Repression nicht bei der UN-Organisation registrieren ließen. „Man kann daher auf die Statistiken des UNHCR getrost nochmals eine Dunkelziffer von mindestens 20 Prozent hinzurechnen“, sagte sie.
Die Geschäftsführerin wertete die aktuellen Zahlen als „traurige Bilanz des internationalen islamistischen Terrorismus auf der einen und des Kriegs gegen den Terror auf der anderen Seite“. In scharfer Form kritisierte sie die „internationale Frontenbildung im Syrienkonflikt“, der sich längst zu einem Stellvertreterkrieg entwickelt habe. Statt die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu zwingen, werde über Waffenlieferungen verhandelt .
Fast die Hälfte der Flüchtlinge ist unter 18 Jahre
Von den Flüchtlingen weltweit sind rund die Hälfte (46 Prozent) Kinder unter 18 Jahren. Die Zusammenführung mit ihren Familien funktioniert laut dem Deutschen Kinderhilfswerk noch unzureichend. Kinder sollten nicht nur zu den Eltern, sondern auch zu Geschwistern oder Bekannten ziehen dürfen, so dessen Forderung.
„Flüchtlingskinder haben meist Schlimmes erleben müssen, sie sind fern ihrer Heimat besonders gefährdet und verletzlich,“ sagt wiederum der Präsident des Kindermissionswerks „Die Sternsinger“ , Klaus Krämer. Das Hilfsangebot des Kinderhilfswerks der katholischen Kirche ist vielfältig: In Südafrika, Zentralafrika und im Kongo sorgen Projektpartner dafür, dass Flüchtlingskinder an ihrem Zufluchtsort zur Schule gehen können.
Traumatherapie und Friedenserziehung sind in derzeitigen oder ehemaligen Bürgerkriegsländern wie Sierra Leone oder Sri Lanka gefragt. In Syrien und den umliegenden Staaten steht weiterhin die Erstversorgung von Flüchtlingen mit Medikamenten, Lebensmitteln und Unterkünften an.
In seiner kommenden „Aktion Dreikönigssingen“ will sich das Kindermissionswerk mit dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) dem Thema „Kinder auf der Flucht“ widmen. Unter dem Motto „Segen bringen, Segen sein! Hoffnung für Flüchtlingskinder in Malawi und weltweit“ werden Hunderttausende Kinder in den Tagen nach Weihnachten deutsche Haushalte besuchen und Geld für Flüchtlingskinder sammeln.
Von Agathe Lukassek