Als Missionar auf Zeit am Amazonas

Als Missionar auf Zeit am Amazonas

Nach einem Jahr als Missionar auf Zeit am Amazonas freut sich Lukas Buschbacher aus Limburgerhof auf den krönenden Abschluss seines Einsatzes: Den Weltjugendtag in Rio.

Erstellt: 04.07.2013
Aktualisiert: 11.07.2015
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Nach einem Jahr als Missionar auf Zeit am Amazonas freut sich Lukas Buschbacher aus Limburgerhof auf den krönenden Abschluss seines Einsatzes: Den Weltjugendtag in Rio.

Zunächst schleicht sich ein fernes Hupkonzert in die drückende Hitze vor der Pfarrkirche. Dann kündigen Staubwolken die ersten Fahrzeuge der Wagenkolonne an. Schließlich kommt ein Meer weißer Fahnen Sicht, und am Ende der Prozession jener weiße LKW, auf dessen Ladefläche der Grund für den Menschenauflauf zur Mittagszeit knapp vier Meter hoch in den Himmel ragt: Das „Cruz da Juventude“. Das Kreuz der Jugend.

Für Lukas Buschbacher ist es ein ganz besonderes Wiedersehen. 2005 ist ihm das schlichte Holzkreuz in seiner Heimatgemeinde Limburgerhof schon einmal begegnet. Gemeinsam mit anderen Jugendlichen trug der damals 18-Jährige das Kreuz ein Stück seines Weges durch Europa und alle Bistümer Deutschlands – im Vorfeld zum Weltjugendtag in Köln.

Bei den Steylern in der Amazonasregion

Acht Jahre später ist das Kreuz wieder unterwegs, diesmal in Brasilien, um den Weltjugendtag 2013 in Rio einzuläuten. Auch Lukas, inzwischen 25 und Theologiestudent, hat es nach Brasilien verschlagen: Als „Missionar auf Zeit“ (MaZ) verbringt er ein Jahr bei den Steyler Missionaren in der Amazonasregion. In Rurópolis, einer Kleinstadt im Regenwald, an der das ewig unvollendete Straßenbauprojekt „Transamazônica“ vorbeiführt, feiert er mit der ganzen Stadt die Ankunft des Weltjugendtagskreuzes, das nun vorsichtig vom Laster geladen und gemeinsam mit der Marienikone Salus Populi Romani ins Innere der Kirche getragen wird.

Bild: © Steyler Missionare

Sein Auslandsjahr als „missionário leigo“, als Laienmissionar, betrachtet Lukas als ein Jahr der Selbstfindung. „Ich will mich und meinen Glauben neu kennenlernen“, sagt der junge Freiwillige aus Deutschland. „Aber ich will mich auch davon inspirieren lassen, wie Christen in einem anderen Teil der Welt leben. Hier am Amazonas beeindruckt mich vor allem, dass für viele der Glaube nicht bloß Theorie ist, sondern dass die Menschen sich öffentlich dazu bekennen, Christen zu sein.“

Der Weltjugendtag in Köln – ein Berufungserlebnis

Das Weltjugendtagskreuz hat inzwischen vorm Altar einen neuen Standort gefunden. Viele Gemeindemitglieder drängen nach vorn, berühren das schlichte Holz des Kreuzes, betrachten seine Inschrift, machen ein Erinnerungsfoto. „Der Weltjugendtag in Köln war praktisch mein Berufungserlebnis“, erinnert sich Lukas.

„Aber ich will mich auch davon inspirieren lassen, wie Christen in einem anderen Teil der Welt leben.“

—  Zitat: Lukas Buschbacher

„Ich habe damals mit einer Gruppe aus Troisdorf als Volonteer gearbeitet, als freiwilliger Helfer. Das war eine Zeit, die mich im Innersten berührt hat. Wie wir als Gruppe in kürzester Zeit zusammengewachsen sind und – vereint im Glauben – auf ein gemeinsames Ziel hingearbeitet haben: Das hat mich beflügelt.“

Ähnlich intensiv hat Lukas die Vorbereitung für seinen Einsatz als Missionar auf Zeit erlebt. „Obwohl wir alle aus ganz verschiedenen Teilen Deutschlands kamen, ist auf den gemeinsamen Seminaren zwischen uns schnell eine eingeschworene Gemeinschaft entstanden“, sagt Lukas. „Ich denke gern an die Zeit in Steyl zurück, wenn es mir hier in Brasilien mal schlecht geht.“ Am Amazonas absolviert Lukas seit Sommer 2012 einen durchaus ungewöhnlichen MaZ-Einsatz. Denn im Gegensatz zu den 13 anderen jungen Frauen und Männern in seinem Jahrgang ist er keinem konkreten Projekt zugeteilt. Was Vor- wie Nachteile mit sich bringt.

Mit dem Boot von Gemeinde zu Gemeinde

Der Vorteil: Lukas kommt ganz schön rum. Mit seiner Hängematte im Gepäck reist er in Amazonien von Ort zur Ort, von der Steyler Kommunität zu Steyler Kommunität. Mehrere Wochen hat er in der Millionenstadt Belém verbracht, wo der Steyler Missionar Karl-Heinz Arenz an der staatlichen Universität als Geschichtsprofessor lehrt. Mit den Patres Stephen Rex aus Papgua Neuguinea und Łukasz Prugar aus Polen hat er tagelang auf dem Wasserweg entlegene Kirchengemeinden am Amazonas besucht. Auf dem Landgut eines lokalen Kleinbauern hat er einige Tage lang mitgeholfen, Anbauflächen zu roden, Bananen zu ernten und das Vordach des Hauses zu reparieren. In Santarém, wo das Zentralhaus der Steyler am Amazonas steht, hat Lukas gemeinsam mit den Steyler Missionaren gegen ein gigantisches Wohnbauprojekt der Stadt demonstriert, dem mehrere Quadratkilometer Regenwald geopfert worden sind.

Bild: © Steyler Missionare

Lukas führt ein abwechslungsreiches MaZ-Leben, irgendwo zwischen volkstümlich begangenen Patronatsfesten und üppigen Kakaoplantagen, zwischen lautstarkem Kampagnenzirkus zur Kommunalwahl und gefährlichen Stachelrochen, zwischen stark gesüßtem „cafezinho“ und dem erhobenen Daumen als Standardantwort auf die Frage „tudo bem?“ ( „Alles gut?“). Das alles bei Temperaturen um die 40 Grad, mit Flip-Flops an den Füßen und brasilianischer Muße im Herzen. „Man lernt hier schnell, in allen Dingen des täglichen Lebens entspannt und gelassen zu bleiben“, sagt er. „Ich hoffe, davon kann ich mir ein Stück mit nach Deutschland nehmen. “

Dialog auf Augenhöhe

Die vielen Arbeitsfelder und Mentalitäten der Steyler am Amazonas vermitteln Lukas außerdem einen guten Eindruck davon, was Mission heute ausmacht. „Es bedeutet nicht, mit Schwert und Fackel durch den Busch zu laufen, um den unzivilisierten Buschmenschen das Evangelium zu bringen“, sagt Lukas. „Die Missionare hier führen mit den Menschen einen Dialog auf Augenhöhe. Elemente der Naturreligionen, der sich viele hier noch verbunden fühlen, werden nicht einfach abgetan, sondern in diesen Dialog aufgenommen. Die Kultur der Amazonas-Bewohner wird von den Missionaren mit großem Respekt behandelt.“

„Man lernt hier schnell, in allen Dingen des täglichen Lebens entspannt und gelassen zu bleiben.“

—  Zitat: Lukas Buschbacher

Die Kehrseite von Lukas‘ Dasein als „Wandermissionar“: Kaum ist er irgendwo angekommen, muss er auch schon wieder weiter. „Ich fange überall wieder bei null an“, sagt er. „Manchmal bin ich es leid, immer wieder neue Hände schütteln und mich vorstellen zu müssen. Ich würde mich gerne mal irgendwo für längere Zeit angekommen und angenommen fühlen.“ In Rurópolis, seiner aktuellen Station, ist er zumindest schon wieder so lange, dass er auf den staubigen Straßen als „alemão“, als Deutscher erkannt und angesprochen wird. Und zwar als jener Deutscher, der mit dem indonesischen Pater Yosef Mapang Pukan und dem togolesische Pater Jean-Paul Skipe zusammen unter einem Dach wohnt. Tagsüber binden ihn seine Gastgeber in die Pastoralarbeit vor Ort ein, fahren mit ihm etwa in die Außenstationen der Pfarrei, die bis zu 100 Kilometer von Rurópolis entfernt liegen. Nach getaner Arbeit schaut Lukas bei den Schildkröten im Pfarrgarten vorbei. Oder auf dem Volleyballfeld nahe des Marktplatzes.

Die Kirche hat sich inzwischen geleert. Jetzt tritt Lukas ans Weltjugendtagskreuz, nimmt sich einige Minuten Zeit zum Gebet. Dass das Ende seiner Zeit in Brasilien mit dem Treffen der Weltjugend zusammenfällt, freut den Missionar auf Zeit. „Einen schöneren Abschluss kann man sich doch nicht wünschen“, sagt er. Seine Erwartungen an Rio? „Ich glaube, dass es eine große Feier werden wird“, meint Lukas. „Wenn schon in abgelegenen Gemeinden am Amazonas im Gottesdienst getanzt, geklatscht und gesungen wird – wie wird das erst in Rio sein?“ Die Stadt am Zuckerhut vereine mit ihren Prachtstraßen und armen Favelas viele Gegensätze in sich. „Das könnte zu Spannungen, aber auch zu vielen Möglichkeiten führen.“

Lukas wird es hautnah miterleben. Mit der Hängematte im Gepäck.

Von Markus Frädrich