
Begeisterung für Papst bringt Sicherheitskräfte ins Schwitzen
Die erste Auslandsreise des neuen Papstes Franziskus in Rio de Janeiro begann mit einer Szene, die der Alptraum jedes Sicherheitsbeamten ist: Während der Fahrt durch die Innenstadt mit einem Kleinwagen umringt eine Menschenmenge das kleine Auto des Papstes. Der silberne Fiat Idea steckt fest. Absperrungen gibt es nicht, und Polizisten sind am Straßenrand auch nicht in Sicht. Die Situation droht außer Kontrolle zu geraten. Angeblich soll sich der Konvoi des Papstes verfahren haben. Eskortiert wurde Franziskus nur von wenigen Leibwächtern sowie drei brasilianischen Polizeiwagen.
Aktualisiert: 11.07.2015
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Die erste Auslandsreise des neuen Papstes Franziskus in Rio de Janeiro begann mit einer Szene, die der Alptraum jedes Sicherheitsbeamten ist: Während der Fahrt durch die Innenstadt mit einem Kleinwagen umringt eine Menschenmenge das kleine Auto des Papstes. Der silberne Fiat Idea steckt fest. Absperrungen gibt es nicht, und Polizisten sind am Straßenrand auch nicht in Sicht. Die Situation droht außer Kontrolle zu geraten. Angeblich soll sich der Konvoi des Papstes verfahren haben. Eskortiert wurde Franziskus nur von wenigen Leibwächtern sowie drei brasilianischen Polizeiwagen.
Der Sekretär des Papstes habe es mit der Angst zu tun bekommen, doch Franziskus sei gelassen geblieben und habe den Menschen zugewinkt, berichtete Vatikansprecher Federico Lombardi später. Er sprach von einer „einzigartigen Erfahrung“ und einem „großen Enthusiasmus“ der Menschen. Nur für das letzte Stück zum Gouverneurspalast gab der Papst den Sicherheitsbedenken der Behörden nach und bestieg – anders als vorgesehen – einen Hubschrauber.
Im Palast angekommen, der vor wenigen Tagen noch Schauplatz von Protesten gegen den Papstbesuch war, zeigte sich Franziskus entspannt und gut aufgelegt. In seiner Rede bei der offiziellen Begrüßungszeremonie durch Staatspräsidentin Dilma Rousseff rückte er den eigentlichen Anlass seiner Reise in den Vordergrund: den katholischen Weltjugendtag. Er sei gekommen, um junge Leute aus allen Teilen der Welt zu treffen. Der Papst forderte dazu auf, die materiellen und geistigen Voraussetzungen zu schaffen, damit sich Jugendliche voll entfalten könnten. Ihnen müssten Sicherheit, Bildung, bleibende Werte und eine „transzendentaler Horizont“ vermittelt werden.
Unruhen nicht thematisiert
Auf die jüngsten Unruhen in Brasilien ging Franziskus in der ersten Rede seines Besuches nicht unmittelbar ein. Er bitte einfach darum, diese Woche mit ihnen verbringen zu dürfen: „Ich habe weder Gold noch Silber, aber ich bringe das Wertvollste, das mir gegeben wurde: Jesus Christus.“ Auffallend war, dass Franziskus auch im Ausland von sich selbst als Bischof von Rom sprach. Die zuletzt unter Druck geratene Staatspräsidentin Rousseff nutzte ihrerseits die Gelegenheit, um für ihren „Pakt für Brasilien“ zu werben und die Vision einer sozialeren und gerechteren Gesellschaft zu entwerfen.
Die Sicherheitskräfte, die vor dem Gouverneurspalast in größerer Zahl Dienst taten, hatten offenbar den Wunsch des Papstes beherzigt: Die meisten trugen keine automatischen Waffen. Die Stimmung ist hier friedlich und entspannt. Vor dem Palast jubeln dem Papst mehrere hundert Menschen zu; von Protesten keine Spur.
Jugendliche müssen besser integriert werden
Begonnen hatte die Reise am Montagmorgen mit einer Überraschung: Auf dem Weg zum Weltjugendtag prangerte der Papst nicht etwa nur die hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern an. Er beklagte auch die gesellschaftliche Ausgrenzung alter Menschen. Was für viele alte Menschen schon längst Realität sei – dass sie nämlich als vermeintlich nutzlose Gruppe an den Rand gedrängt würden – drohe auch den arbeitslosen Jugendlichen, so Franziskus. Jugendliche, die keine Arbeit hätten, verlören ihre Würde. Seine Botschaft für den Weltjugendtag lautete: Die Jugendlichen müssten besser in ihr soziales Umfeld integriert werden. Familie, Gesellschaft, Vaterland und Glauben müssten ihnen mehr Rückhalt geben, forderte der Papst.
Im Gegensatz zu Benedikt XVI. und Johannes Paul II. hatte Franziskus auf eine Pressekonferenz während des Fluges von Rom nach Rio verzichtet. Er wisse selbst nicht so genau, warum er keine Interviews gebe, gestand er den Journalisten. Er fühle sich unter ihnen ein bisschen wie der Prophet Daniel in der Löwengrube. Möglicherweise sei ihm das zu anstrengend, so der Papst – der sich freilich um eine gute Presse bislang nicht sorgen musste.
Programm des Papstes
Franziskus bleibt eine Woche in Brasilien. Auf dem Programm stehen neben dem Besuch des Weltjugendtags in Rio de Janeiro auch ein Abstecher in den Marienwallfahrtsort Aparecida. Höhepunkte werden ein Abendgebet am Samstag und eine Messe am Sonntagmorgen auf einem 3,5 Quadratkilometer großen Freigelände. Es ist die erste Rückkehr des Argentiniers Franziskus auf seinen Heimatkontinent seit seiner Papstwahl Mitte März.
In Brasilien will Franziskus besonders auf Arme und Benachteiligte zugehen. Am Donnerstag besucht er eine Favela, ein Elendsquartier im Norden Rios. Zuvor will er am Mittwoch in einem Krankenhaus eine neue Abteilung zur Behandlung Drogenabhängiger einweihen.
An diesem Dienstag kann sich Franziskus zunächst von den Strapazen des rund zwölfstündigen Flugs erholen; öffentliche Termine sind nicht vorgesehen. Der Eröffnungsgottesdienst des Weltjugendtages am Nachmittag (Ortszeit) findet traditionell ohne den Papst statt.
Von Thomas Jansen