Weltrisikobericht 2013 zum Thema Gesundheit
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Weltrisikobericht 2013 zum Thema Gesundheit

Irgendwann lief die Lage in der Hafenstadt vollends aus dem Ruder. Jahrelang hatten die Behörden verharmlost, vertuscht und verschwiegen, während immer mehr Neuankömmlinge in die Armenviertel strömten. Um Filteranlagen oder eine Kanalisation mochten sich die Stadtväter trotzdem nicht kümmern. Stattdessen landeten die Abwässer der Zuwanderer ungeklärt in den gleichen Fluss, aus dem auch das Trinkwasser kam. Eine trübe Brühe tropfte aus den Hähnen – gelegentlich garniert mit Würmern oder junge Aalen. Schließlich kam die Cholera. Über 16.000 Erkrankte und 8.600 Tote waren die Folge – sowie ein wirtschaftlicher Schaden in Millionenhöhe.

Erstellt: 05.09.2013
Aktualisiert: 11.07.2015
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Irgendwann lief die Lage in der Hafenstadt vollends aus dem Ruder. Jahrelang hatten die Behörden verharmlost, vertuscht und verschwiegen, während immer mehr Neuankömmlinge in die Armenviertel strömten. Um Filteranlagen oder eine Kanalisation mochten sich die Stadtväter trotzdem nicht kümmern. Stattdessen landeten die Abwässer der Zuwanderer ungeklärt in den gleichen Fluss, aus dem auch das Trinkwasser kam. Eine trübe Brühe tropfte aus den Hähnen – gelegentlich garniert mit Würmern oder junge Aalen. Schließlich kam die Cholera. Über 16.000 Erkrankte und 8.600 Tote waren die Folge – sowie ein wirtschaftlicher Schaden in Millionenhöhe.

Das Ereignis trug sich nicht etwa in einem Dritte-Welt-Land zu, sondern mitten in Europa und liegt nur ein paar Generationen zurück. Im dritten „WeltRisikoBericht“, der am Mittwoch in Bonn vorgestellt wurde, erinnern die Autoren an diese Episode. Denn: Was sich 1892 in Hamburg abspielte, wiederholt sich rund um den Globus immer wieder. Anstatt vorzubeugen, greifen die Verantwortlichen oft erst dann ein, wenn es schon zu spät ist, beklagt Peter Mucke, Geschäftsführer vom „Bündnis Entwicklung Hilft“. Der Zusammenschluss von sieben Hilfsorganisationen, darunter Misereor , ist Auftraggeber der Studie, die zeigen will, welche Staaten besonders von extremen Naturereignissen wie Erdbeben oder Überschwemmungen bedroht sind, und wie groß das Risiko der Bevölkerung ist, Opfer einer Katastrophe zu werden.

Medizinische Versorgung durch Krisen und Kriege gefährdet

Die vom Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen (UNU-EHS) sowie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn ausgewerteten Daten zeigen: „Naturereignisse“ werden vor allem dann zur Katastrophe, wenn die Staaten ungenügend darauf vorbereitet sind. Ein zentraler Aspekt: das Thema „Gesundheit und medizinische Versorgung“, das den Schwerpunkt des neuen „WeltRisikoBerichts“ bildet. Die Mitautoren Jörn Birkmann und Thomas Kistemann machen dabei vor allem die aktuellen Krisen und Kriege in vielen Teilen der Welt Sorgen. In Syrien steht das Gesundheitssystem wegen des Bürgerkriegs vor dem Kollaps. In Griechenland befürchten die Experten durch die Eurokrise weitere Einschnitte in der medizinischen Versorgung.

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Was sich daraus im Falle etwa von extremen Wetterereignissen ableiten lässt, veranschaulicht Birkmann an einem Vergleich zwischen Deutschland und Pakistan. In beiden Ländern können Naturgefahren statistisch gesehen etwas mehr als 10 Prozent der Bevölkerung treffen. Bei der jüngsten Flutkatastrophe in Deutschland kamen im Frühsommer 8 Menschen ums Leben – bei der Überschwemmung in Pakistan 2010 waren es über 1.700. „Schaut man sich die Gesundheitsindikatoren an, wird deutlich, dass die Bewältigungskapazität in Pakistan ein unheimliches Problem darstellt.“

Oft reichen einfachste Maßnahmen

Oft lassen sich Menschenleben schon mit einfachsten Maßnahmen retten, ergänzt Peter Mucke vom „Bündnis Entwicklung Hilft“. Eine Schultoilette in Kenia etwa kostet höchstens 950 Euro, ein Brunnen für 80 Familien in Äthiopien 1.900 Euro. „Für nur 24 Euro im Jahr können sie einer Familie mit vier Kindern in Äthiopien den Zugang zu sauberem Brunnenwasser sichern“, rechnet Mucke vor. 2011 starben weltweit fast 650.000 Jungen und Mädchen unter fünf Jahren an Durchfall – mehr als an Malaria und Aids zusammen. Das ließe sich durch bessere Hygiene verhindern, so Mucke. Hinzu kommt: Eine gesündere Bevölkerung ist auch widerstandsfähiger gegen Naturgefahren, wie ein Blick auf den Kern des „WeltRisikoBerichts“, den WeltRisikoIndex, belegt.

Die Rangliste der am meisten gefährdeten Staaten führt Vanuatu an. Der kleine Pazifikstaat ist besonders stark von Erdbeben, Stürmen, Dürre und dem Meeresspiegelanstieg betroffen – und schneidet auch in Sachen Gesundheit und medizinische Versorgung extrem schlecht ab: So haben ungefähr 43 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu ausreichender Sanitärversorgung. „Viele Fakten“, sagt Peter Mucke, „sind bekannt. Was fehlt, ist oftmals der politische Wille, daraus Konsequenzen zu ziehen“ – wie vor über 100 Jahren bei der Cholera-Epidemie in Hamburg.

Von Joachim Heinz

Der WeltRisikoBericht

Wie hoch ist das Katastrophenrisiko in verschiedenen Ländern? Wo sind Menschen von extremen Naturereignissen besonders bedroht? Der „WeltRisikoBericht“ des Bündnis Entwicklung Hilft gibt darauf eine Antwort. Er setzt sich zusammen aus einem Index, einem Schwerpunktthema und Fallbeispielen.