
„Deutschland muss mehr Syrien-Flüchtlinge aufnehmen“
Vor der Ankunft der ersten rund 110 Syrien-Flüchtlinge am heutigen Mittwoch in Hannover haben Menschenrechtsorganisationen und Parteien die Bundesregierung aufgefordert, mehr Menschen aus dem Bürgerkriegsland aufzunehmen. Deutschland hat sich zur Aufnahme von insgesamt 5.000 UN-Kontingentflüchtlingen aus Syrien verpflichtet.
Aktualisiert: 11.07.2015
Lesedauer:
Vor der Ankunft der ersten rund 110 Syrien-Flüchtlinge am heutigen Mittwoch in Hannover haben Menschenrechtsorganisationen und Parteien die Bundesregierung aufgefordert, mehr Menschen aus dem Bürgerkriegsland aufzunehmen. Deutschland hat sich zur Aufnahme von insgesamt 5.000 UN-Kontingentflüchtlingen aus Syrien verpflichtet.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte, es sei „dringend notwendig“, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Das müsse vor allem im Rahmen der Familienzusammenführung geschehen, sagte er in einem Interview am Mittwoch in Berlin. Auch Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin verlangte von der Bundesregierung, deutlich mehr Syrien-Flüchtlinge aufzunehmen.
Am heutigen Mittwochnachmittag werden die ersten syrischen Flüchtlinge in Hannover erwartet. Sie werden mit Charterflugzeugen aus dem benachbarten Libanon geholt. Die Bundesregierung will nach Angaben des Bundesinnenministeriums vorerst bei der Aufnahme von 5.000 syrischen Flüchtlingen bleiben. Allerdings können Bundesländer im Rahmen der Familienzusammenführung mehr Flüchtlinge aufnehmen, als ihnen zugewiesen wurden.
Löning: Flüchtlinge nicht zum Wahlkampfthema machen
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), warnte davor, das Flüchtlingsthema in den Wahlkampf zu ziehen. SPD und Grüne könnten über die Bundesländer dafür sorgen, dass die Aufnahmezahl erhöht werde, sagte er dem Kölner Sender n-tv. Der Schwerpunkt der deutschen Hilfe liege aber vor Ort, wo sie die Vereinten Nationen unterstütze, die zwei Millionen Flüchtlinge in der Türkei, im Libanon, in Jordanien und im Irak zu versorgen.

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Boris Pistorius (SPD), sagte demgegenüber, in dem Bürgerkriegsland ereigne sich derzeit eine humanitäre Katastrophe. Entscheidend sei, dass jetzt schnell geholfen werde. Dabei stehe insbesondere Deutschland in der Verantwortung, sagte der niedersächsische Innenminister auf NDR Info. „Und wenn sich jetzt einige wenige auf den Weg nach Europa machen, weil sie Schutz suchen, dann ist Europa, dann ist aber auch Deutschland als größtes europäisches Land und sehr wohlhabendes und wachstumsstarkes Land, in der Pflicht, zu helfen“, so der SPD-Politiker.
„Eine dringend notwendige Geste“
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte auch die anderen europäischen Staaten auf, endlich in größerem Umfang Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. „Es kann nicht sein, dass ein kleines Land wie der Libanon mit 4,3 Millionen Einwohnern allein für 700.000 Flüchtlinge zuständig ist“, hieß es.
Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) nannte die zusätzliche Aufnahme der Syrien-Flüchtlinge eine „dringend notwendige lebensrettende Geste“. Nicht zuletzt die in Not geratenen Angehörigen der Minderheiten der Kurden, christlichen Assyrer-Aramäer, Drusen, Ismailiten, Yeziden und andere müssten Hilfe und Zuflucht finden.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl nannte die Zahl von 5.000 Syrien-Flüchtlingen völlig unzureichend. Es sei kein Vergleich mit den rund 300.000 Menschen, die etwa während des Bosnien-Krieges Aufnahme in Deutschland gefunden hätten. Weiter mahnte Pro Asyl, in dem Land drohten Konflikte um Ressourcen zu eskalieren. Es bestehe die Gefahr, dass Kinder, die die Hälfte der Flüchtlinge ausmachten, neben traumatischen Gewalterfahrungen nun auch noch Opfer von Menschenhandel, Kinderarbeit und sexueller Ausbeutung werden.