
Vatikanzeitung interviewt Befreiungstheologen
Der peruanische Theologe Gustavo Gutierrez hat in der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ (Mittwoch) für die von ihm mitbegründete Befreiungstheologie geworben. Es ist das erste Mal, dass die Zeitung des Papstes ein Interview mit einem führenden Vertreter dieser theologischen Richtung abdruckt, die lange im Visier der Glaubenskongregation stand. Rom warf Teilen der Befreiungstheologie eine Übernahme marxistischer Überzeugungen vor. Zahlreiche Theologen und Priester wurden deswegen vom Vatikan gemaßregelt, so etwa der Brasilianer Leonardo Boff.
Aktualisiert: 11.07.2015
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Der peruanische Theologe Gustavo Gutierrez hat in der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ (Mittwoch) für die von ihm mitbegründete Befreiungstheologie geworben. Es ist das erste Mal, dass die Zeitung des Papstes ein Interview mit einem führenden Vertreter dieser theologischen Richtung abdruckt, die lange im Visier der Glaubenskongregation stand. Rom warf Teilen der Befreiungstheologie eine Übernahme marxistischer Überzeugungen vor. Zahlreiche Theologen und Priester wurden deswegen vom Vatikan gemaßregelt, so etwa der Brasilianer Leonardo Boff.
Gutierrez, der als einer der Väter der Befreiungstheologie gilt, nannte diese Richtung noch immer „voll an Ressourcen“ und „Schärfe“. Franziskus würdigte er als „prophetischen“ Papst, der die Armen nie vergesse. Die Stellungnahmen der Glaubenskongregation zur Befreiungstheologie von 1984 und 1986 seien keineswegs so ablehnend, wie es oft dargestellt werde, so Gutierrez. Präfekt der Kongregation war damals Kardinal Joseph Ratzinger.
Die beiden Instruktionen der Glaubenskongregation würden oft nicht richtig gelesen, sagte Gutierrez. Das erste Dokument von 1984, in dem es nur um die Irrtümer der Befreiungstheologie gehe, müsse stets im Zusammenhang mit dem zweiten Dokument gesehen werden, das versuche, die Befreiungstheologie besser zu verstehen. Allerdings werde sie in der ersten Instruktion zu pauschal dargestellt. Die Befreiungstheologie bestehe nicht aus abstrakten Ideen, sondern aus „Namen und Personen“, so Gutierrez.
Gutierrez trifft Papst Franziskus
Der 85-jährige Dominikanerpater Gutierrez trifft diese Woche im Vatikan mit Papst Franziskus zusammen. Franziskus betont das Eintreten für die Armen als ein Grundanliegen der Kirche; deshalb wird über eine Öffnung des Vatikans gegenüber der Befreiungstheologie spekuliert.
Am Sonntag hatte Gutierrez mit dem Präfekten der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, in Mantua die italienische Fassung eines gemeinsamen Buchs über die Befreiungstheologie vorgestellt. Beide verbindet eine langjährige Freundschaft.
Gutierrez'' 1971 veröffentlichtes Buch „Theologie der Befreiung“ gab der Befreiungstheologie ihren Namen. Der Peruaner selbst geriet nie ernsthaft in Konflikt mit der Glaubenskongregation, obwohl seine Schriften eingehend geprüft wurden.