
Option Ausstieg
Die Afrikanische Union (AU) will über ihre künftige Partnerschaft mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) entscheiden. Bei einem speziellen Gipfel trifft der Staatenbund am Freitag in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba zusammen. 34 AU-Mitglieder haben das Rom-Statut ratifiziert und sind an die Zusammenarbeit mit dem Haager Weltgericht gebunden. Nun munkelt man jedoch über einen Ausstieg. Während die meisten Diplomaten das für unwahrscheinlich halten, arbeitet die Regionalmacht Südafrika bereits an einem Kompromiss. Man könne sich „keine Situation leisten, in der niemand zur Verantwortung gezogen wird, sonst hätten wir eine gesetzesfreie Zone“, zitieren lokale Medien einen leitenden Regierungsbeamten.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Die Afrikanische Union (AU) will über ihre künftige Partnerschaft mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) entscheiden. Bei einem speziellen Gipfel trifft der Staatenbund am Freitag in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba zusammen. 34 AU-Mitglieder haben das Rom-Statut ratifiziert und sind an die Zusammenarbeit mit dem Haager Weltgericht gebunden. Nun munkelt man jedoch über einen Ausstieg. Während die meisten Diplomaten das für unwahrscheinlich halten, arbeitet die Regionalmacht Südafrika bereits an einem Kompromiss. Man könne sich „keine Situation leisten, in der niemand zur Verantwortung gezogen wird, sonst hätten wir eine gesetzesfreie Zone“, zitieren lokale Medien einen leitenden Regierungsbeamten.
Der Gipfel am Freitag und Samstag folgt der Initiative Kenias. Das Parlament des ostafrikanischen Staates hatte im September entschieden, dem Haager Gericht die Mitgliedschaft zu kündigen. Es ermittelt derzeit wegen Kriegsverbrechen gegen Kenias Staatsspitze. Im Fokus stehen Präsident Uhuru Kenyatta und sein Vize William Ruto. Beide werden beschuldigt, die Gewalt nach den umstrittenen Wahlen 2007 angeheizt zu haben. Damals kamen bei ethnischen Auseinandersetzungen rund 1.100 Menschen ums Leben.
AU: IStGH soll Fälle an heimische Justiz übergeben
Die AU hatte das Weltgericht aufgerufen, die Fälle an die heimische Justiz zu übergeben – eine Option, die die Ankläger jedoch ablehnen. Damit untergrabe das Haager Tribunal Afrikas Autorität, bemängelt Südafrikas Ex-Präsident Thabo Mbeki, einer der größten Kritiker der Prozesse: „Der IStGH ist ein Gericht, das ermittelt, wenn die Staaten nicht fähig oder willens sind, Täter zu verfolgen. Aber Kenia hat sowohl die Mittel als auch die juristischen Institutionen dazu und will die Täter vor Gericht bringen.“
Vor mehr als einem Jahr bekam der IStGH eine neue Chefanklägerin – eine Afrikanerin. Für Fatou Bensouda aus Gambia gilt es nicht nur, Kriegsverbrecher zu verfolgen, sondern auch den Ruf des Gerichts wiederherzustellen. Denn die Beziehungen zur AU haben in den vergangenen Jahren gelitten. Bensoudas Vorgänger, dem Argentinier Luis Moreno-Ocampo, warf man vor, überwiegend Kriegsverbrechen in Afrika zu verfolgen. Tatsächlich haben alle sieben der offenen Fälle ihren Schauplatz dort.

Südafrikas Regierungspartei, der Afrikanische Nationalkongress (ANC), hat die Machthaber in Pretoria aufgerufen, sich hinter die afrikanischen Staaten zu stellen. Der IStGH verfolge „die Auffassung, dass die Schwachen immer falsch, die Starken immer richtig“ lägen. Die Sorge ist durchaus realistisch, dass andere Staaten dem Beispiel Kenias folgen und den IStGH verlassen könnten.
Vorbereitungen auf den Ernstfall
Die Regierung in Pretoria probt unterdessen bereits für den Ernstfall, wie die südafrikanische „Sunday Times“ unter Berufung auf diplomatische Kreise berichtete. Man arbeite an einer „Kompromissposition“, falls sich die Staaten für eine Kündigung der Partnerschaft entschieden. „Südafrika ist bekannt für seine guten Gesetze für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Es ist schwierig zu sagen, wie wir weitermachen, denn die ganze Welt wird uns dabei beobachten“, so die Quelle aus dem Justizministerium.
Andere sehen die Kritiker des Weltgerichts in der Unterzahl. Vor allem in der Zivilgesellschaft regt sich Protest gegen einen Ausstieg. In einem Offenen Brief plädierten 130 Nichtregierungsorganisationen am Montag dafür, in Afrika das Rom-Statut aufrechtzuerhalten. „Das südliche Afrika war federführend bei der Schaffung eines Weltgerichts“, zitiert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch die Juristin Angela Mudukuti. Südafrika und die anderen Mitglieder der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft SADC „sollten die AU aufrufen, die Justiz voranzutreiben – nicht, sie zu behindern“.
Auch von westafrikanischen Mitgliedern dürfte ein Votum für die weitere Zusammenarbeit mit Den Haag kommen. Erst 2013 hätten Nigeria und Ghana den IStGH als wichtige Institution anerkannt, bekräftigt Chinonye Obiagwu von nigerianischen Menschenrechtsorganisation Legal Defence and Assistance Project.
Von Markus Schönherr