„Ein Fortschritt für die Religionsfreiheit“
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„Ein Fortschritt für die Religionsfreiheit“

Heute hat in Ägypten die zweitägige Abstimmung über die neue Verfassung begonnen. Der ägyptische koptisch-katholische Bischof der Diözese Gizeh, Antonios Aziz Mina, hat den neuen Verfassungsentwurf mit ausgearbeitet. Im Interview mit dem Internationalen Katholischen Missionswerk Missio in Aachen spricht er über das Referendum und darüber, wie die neue Verfassung das Leben der Ägypter verändern wird.

Erstellt: 14.01.2014
Aktualisiert: 12.07.2015
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Heute hat in Ägypten die zweitägige Abstimmung über die neue Verfassung begonnen. Der ägyptische koptisch-katholische Bischof der Diözese Gizeh, Antonios Aziz Mina, hat den neuen Verfassungsentwurf mit ausgearbeitet. Im Interview mit dem Internationalen Katholischen Missionswerk Missio in Aachen spricht er über das Referendum und darüber, wie die neue Verfassung das Leben der Ägypter verändern wird.

Frage: Herr Bischof, warum ist Ihrer Ansicht nach der jetzige Verfassungsentwurf besser als die alte Verfassung?

Mina: Die alte Verfassung war eine Verfassung einer einzigen Partei. Die neue Verfassung ist der Versuch, alle mit einzubeziehen. Selbstverständlich gibt es niemanden, der mit der neuen Verfassungsvorlage zu hundert Prozent einverstanden ist. Und es sollte ja auch nicht so sein, dass die Verfassung nur einer Partei, einer Gemeinschaft hundertprozentig gefällt. Sonst handelt es sich um eine Verfassung dieser Partei oder dieser Gemeinschaft. Was ich aber sagen kann, ist: Die neue Verfassung gefällt zu einem hohen Prozentanteil vielen. Sie ist ganz anders als die alte. Denn die alte war religiös motiviert. Sie hatte islamische Intentionen. Aber die jetzige Verfassung vertritt die Gesellschaft. Die Loyalität gilt dem Gesetz. Es gibt eine politische Vielfalt. Es geht um die Vielfalt der Meinungen, die friedliche Fortführung von Autorität, um einen demokratischen und modernen Staat. Es handelt sich um einen Text, der alle Bürger miteinschließt, alle Ägypter und die Regierung – und auch alle Parteien Ägyptens. Es ist ein Text, der die Gerechtigkeit und die Institutionen des Staates wieder herstellt. Wir haben die Aufgabenbereiche des Präsidenten auf Vorschlag des Parlaments etwas verringert. Und nun können wir sagen, dass wir keinen Diktator wie zuvor haben werden, sondern einen Präsidenten, der für all seine Taten verantwortlich sein muss und Rechenschaft darüber ablegen muss, warum er so oder anders handelt.

Frage: Die aktuelle Situation der Christen in Ägypten ist schwierig. Glauben Sie, dass die neue Verfassung dazu beitragen wird, dass sich das Leben der Christen in Ägypten verbessern wird?

Bild: © Schwarzbach/Missio Aachen

Mina: Das Wesentliche ist, dass allen Ägyptern ihr Recht zugesprochen wird. Wenn allen Ägyptern ihre Rechte zugesprochen werden, dann auch den Christen. Das ändert schon mal etwas. Es ist auch nicht die Verfassung, die Rechte garantiert – sondern die Anwendung der Verfassung. Denn nach der Wahl der Verfassung müssen die Gesetze geschrieben werden. Das Parlament wird diese Aufgabe übernehmen und den Text der Verfassung in Gesetze übersetzen. Entweder wird die Regierung diese Gesetze freiwillig anerkennen – oder die Menschen werden danach fragen und die Rechte einfordern, die noch nicht in die Praxis umgesetzt sind.

Was die Christen betrifft, so ist es das erste Mal in einer ägyptischen Verfassung, dass sie ein Recht darauf haben, Orte der religiösen Anbetung zu bauen, also auch Kirchen. Dies ist bereits ein großer Schritt, dem weitere Schritte folgen werden. Wir haben darauf bestanden, dass die Religionsfreiheit absolut ist. Das heißt, es gibt keine Einschränkungen dafür, was eine Person glauben soll oder nicht oder dass jemand seine Religion wechseln kann und so weiter. Daran ist weiterhin zu arbeiten. Religiöse Kultfreiheit und freie Meinungsäußerung gehören auch dazu. Das ist gemäß dem Text der neuen Verfassung auch ein Recht.

Diese Verfassung spricht sich zudem stark gegen Diskriminierungen jedweder Art aus. Es wird eine Organisation geben, die Diskriminierungen verfolgen wird, Diskriminierungen, die alle Ägypter betreffen, aber insbesondere auch die Christen. Diese Verfassung ist aber nicht extra für die Christen oder für die Arbeiter oder die Bauern oder für die Frauen geschrieben worden, sondern: Wir wollten, dass dieser Verfassungstext die Rechte von Minoritäten garantiert, und das macht Demokratie aus.

Frage: Wird die neue Verfassung die Menschen in Ägypten wieder zusammenbringen? Was ist ihre persönliche Meinung?

Mina: Mir scheint, dass es bezüglich des Verfassungstextes eine große Zufriedenheit und ein großes Interesse gibt. Natürlich gibt es auch Muslime, denen der Text nicht gefällt. Es gibt nichts Perfektes. Ich erhalte aber zumeist positives Feedback von den Menschen. Ich hoffe auf eine breite Beteiligung beim Referendum – es geht nicht nur um ein „Ja“ oder ein „Nein“. Das ist mir wichtig. Eine doppelt so hohe Beteiligung wie beim letzten Mal, wenigstens. Das hoffe ich.

Frage: Worin gründet sich Ihre Hoffnung, dass die neue Verfassung das Leben verbessert?

Mina: Die Menschen sind momentan sehr enthusiastisch. Hier geht es nicht einzig und allein um die Verfassung. Die Leute sehen dies auch als eine Weiterführung der Revolution vom 25. Januar. Ich habe großes Vertrauen in das ägyptische Volk, dass sie ihre Revolution unterstützen werden und der neuen Verfassung zustimmen.

Das Interview führte Missio-Mitarbeiterin Susanne Kruza.

Missio-Blog

Das Interview mit Bischof Antonios Aziz Mina ist heute im Missio-Blog „Bedrängte Christen“ erschienen. Das Interview können Sie dort in ungekürzter Fassung nachlesen: